
Bildungsurlaub: Warum der gesetzliche Weiterbildungsanspruch zunehmend an Bedeutung gewinnt
Ein altbekannter Begriff wird in einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt plötzlich wieder hochaktuell: Bildungsurlaub. Was einst als bürokratisches Nischenthema galt, gewinnt in Zeiten von Fachkräftemangel, Hybridarbeit und lebenslangem Lernen zunehmend an Relevanz - für Arbeitnehmende und auch für Unternehmen, die nachhaltige Mitarbeiterbindung ernst nehmen.
Bildungsurlaub ist in den meisten deutschen Bundesländern gesetzlich verankert. Fünf Tage im Jahr – oder zehn Tage innerhalb von zwei Jahren – dürfen Beschäftigte für anerkannte Weiterbildungsmaßnahmen freinehmen, ohne auf ihr Gehalt verzichten zu müssen. Die Weiterbildung kann unabhängig vom eigentlichen Job sein, das heißt die Themen reichen von beruflichen Qualifizierungen über politische Bildung bis hin zu Seminaren zur Stressbewältigung oder Persönlichkeitsentwicklung.
In Bayern und Sachsen gibt es derzeit keine entsprechende Regelung, doch in fast allen anderen Bundesländern gehört der Anspruch zur arbeitsrechtlichen Realität. Kurz zum Begriff: In einigen Bundesländern werden die Extra-Urlaubstage zur Weiterbildung auch „Bildungsfreistellung“ oder „Bildungszeit“ genannt.
Meist kein Wissen über Anspruch
Trotzdem bleibt der Bildungsurlaub oft ungenutzt – nicht etwa, weil das Interesse fehlt, sondern weil das Wissen darüber gering ist. Viele Beschäftigte kennen ihre Rechte nicht, und auch manche Arbeitgeber sehen Bildungsurlaub eher als potenzielle Störung des Betriebsalltags – anstelle als Chance zur Weiterentwicklung. Dabei sind es genau diese Zeitfenster jenseits des Tagesgeschäfts, in denen neues Denken entsteht.
„Lebenslanges Lernen ist kein Ideal mehr, sondern Notwendigkeit“, sagt Anian Schmitt, Experte für betriebliche Weiterbildung und Geschäftsführer von Bildungsurlauber. „Wer seinen Mitarbeitenden die Zeit zum Lernen verweigert, riskiert, dass ihnen irgendwann die Zeit zum Bleiben fehlt.“ Ein Satz, der den Nerv vieler moderner Personalabteilungen trifft. Denn während sich die Debatte in den letzten Jahren stark auf Remote Work, flexible Arbeitszeiten und Purpose-Orientierung konzentriert hat, rückt die strukturelle Ermöglichung von Weiterbildung gerade erst wieder ins Bewusstsein.
Sich im Wettbewerb um Talente platzieren
Dabei ist Bildungsurlaub ein vergleichsweise einfacher Hebel mit großer Wirkung: Beschäftigte erleben echte Wertschätzung, wenn ihr Wunsch nach Weiterentwicklung ernst genommen wird. Gleichzeitig profitieren Unternehmen direkt – durch neues Wissen, durch Impulse von außen und durch eine Belegschaft, die sich als gestaltender Teil des Wandels versteht.
In der Zeit des Bildungsurlaubs zahlt der Arbeitgeber den Lohn/Gehalt weiter, vergleichbar mit einem normalen Urlaub. Die Kursgebühren, Ausgaben für Lehrmittel sowie Kosten für Fahrten und Unterkunft muss der Arbeitnehmende selbst zahlen. Die Ausgaben können aber in der Steuererklärung geltend gemacht werden.
Dass die Beantragung in manchen Fällen etwas Vorlauf und Abstimmung erfordert, ist kein Argument gegen den Bildungsurlaub, sondern eher eine Einladung zur besseren Organisation. Unternehmen, die Bildungsurlaub nicht als Pflicht, sondern als Bestandteil einer lernorientierten Kultur begreifen, positionieren sich glaubwürdig im Wettbewerb um Talente – und zwar weit über das reine Gehalt hinaus.
Am Ende steht eine einfache Erkenntnis: Wer Bildung möglich macht, baut Zukunft. Nicht nur für Einzelne, sondern für ganze Organisationen.
Bildnachweis: istockphoto.com/EtiAmmos
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