Die Auswahl des richtigen ERP-Systems für den Mittelstand
Kriterien und Herausforderungen

Die Auswahl des richtigen ERP-Systems für den Mittelstand

Porträtfoto vonPorträtfoto vonPorträtfoto von Carolin Fischer, Content-Managerin und Redakteurin für onpulson.de, einem Fachportal für Unternehmer und Führungskräfte aus dem Mittelstand
Am

Ein Enterprise-Resource-Planning-System (ERP-System) unterstützt alle Geschäftsprozesse im Unternehmen. Es umfasst Module u.a. in den Bereichen Personal- und Finanzwesen, Produktion, Vertrieb und Anlagenwirtschaft. Sie stehen über eine gemeinsame Datenbasis in Verbindung. Die Auswahl eines ERP-Systems ist kein einfaches Unterfangen, da zahlreiche Lösungen existieren. Doch worauf kommt es bei der ERP-Auswahl im Einzelnen darauf an?

Bei der ERP-Software-Auswahl gibt es eine ganze Reihe von Kriterien, die berücksichtigt werden sollten. Diese reichen vom Leistungsumfang über die Usability und Wirtschaftlichkeit bis hin zur Dienstleistungsqualität der Anbieter. Eine Checkliste für die ERP-Auswahl sollte mindestens folgende Punkte umfassen:

  • Funktionalität und Skalierbarkeit
  • Benutzerfreundlichkeit und Integration
  • Kosten und Return on Investment (ROI)
  • Support und Service

Im Folgenden werden diese Punkte näher beschrieben.

Funktionalität und Skalierbarkeit

Der sicherlich wichtigste Punkt bei der Auswahl eines ERP-Systems ist der Funktionsumfang. Denn selbstverständlich sollte die neue ERP-Software nach Möglichkeit alle Anforderungen eines Unternehmens abdecken. Überprüfen lässt sich dies mit einem Lastenheft, in dem alle benötigten Prozesse und Funktionen aufgelistet werden. Erstellt wird dieses Dokument idealerweise mit Experten aus allen Fachbereichen, sodass kein Aspekt übersehen wird.

In jedem Fall sollten Branchenlösungen im ERP-Auswahl-Prozess mit berücksichtigt werden. Sie haben allgemein den Vorteil, dass sie viele Anforderungen eines bestimmten Wirtschaftszweigs bereits im Standard abdecken. Entsprechend sind häufig nur wenige individuelle Anpassungen notwendig, um die Software sinnvoll einzusetzen. Neben den Funktionen sollte auch die Skalierbarkeit eine Rolle bei der ERP-Software-Auswahl spielen. Wichtig ist diese Eigenschaft, wenn ein Unternehmen wächst. In solch einem Fall sollte es problemlos möglich sein, neue Standorte anzubinden, weitere Benutzer hinzuzufügen und auch den Funktionsumfang zu erweitern. Bei Cloud-Lösungen ist zudem die Erweiterbarkeit des Speicherplatzes und der Rechenleistung wichtig.

Benutzerfreundlichkeit und Integration

Zu den weiteren Auswahlkriterien für ein ERP-System sollte in jedem Fall die Benutzerfreundlichkeit zählen. Beeinflusst wird sie vor allem durch grafisch ansprechende, aufgeräumte Benutzeroberflächen, logisch aufgebaute Workflows und Individualisierbarkeit. Durchdachte Hilfe-Funktionen und Tutorials können die Usability zusätzlich verbessern. Grundsätzlich gilt: Je höher die Benutzerfreundlichkeit, desto größer die Akzeptanz der ERP-Software.

Ebenfalls bei der ERP-Auswahl zu berücksichtigen ist das Thema der Integrationsfähigkeit. Gute ERP-Software fügt sich möglichst problemlos in die bestehende Systemlandschaft ein. Das heißt: Sie ist in der Lage, mit angrenzenden Systemen Daten auszutauschen.

In Industriebetrieben können dies beispielsweise Lösungen wie CAD/CAM, BDE (Betriebsdatenerfassung), Produktionssteuerung, Dokumentenmanagement (DMS) oder Analyse-Tools sein. Auch die Anbindungsmöglichkeiten für Produktionsanlagen und -maschinen spielen zunehmend eine Rolle. Integrationen dieser Art werden in der Regel über Schnittstellen gelöst. Sie minimieren manuelle Eingriffe, begünstigen reibungslose Prozesse und senken die Fehlerquote.

Kosten und Return on Investment (ROI)

Zu den wichtigen ERP-Auswahlkriterien gehört selbstverständlich auch der finanzielle Aspekt. Hierbei sollten jedoch nicht nur die reinen Kosten einer Software betrachtet werden, sondern auch ihr Nutzen. Ziel muss es sein, ein ERP-System zu finden, bei dem diese beiden Punkte in einem möglichst günstigen Verhältnis zueinanderstehen. Um den Return on Investment (ROI) einer ERP-Lösung seriös beurteilen zu können, müssen mehrere Einflussgrößen genau bekannt sein. Einerseits sind dies die voraussichtlichen Gesamtkosten des Systems (Einführungskosten plus laufenden Betriebskosten). Auf der anderen Seite müssen die möglichen Einsparungen beziffert werden, die das neue System mit sich bringen wird. Diese entstehen beispielsweise durch Effizienz- und Produktivitätssteigerungen, Prozessautomatisierung, Fehlerreduzierung und höhere betriebswirtschaftliche Transparenz.

Support und Service

Nicht zuletzt sollten Entscheider bei der Softwareauswahl auf die Dienstleistungsqualität des ERP-Anbieters achten. Wie gut ist er im Falle von Fragen und Störungen erreichbar? Gibt es einen persönlichen Ansprechpartner? Auf welchen Wegen kann der Support kontaktiert werden? Spricht er die eigene Landessprache? Wie schnell werden Probleme gelöst? Neben dem Support gibt es noch eine Reihe weiterer Services, die für die ERP-Auswahl-Checkliste relevant sein können. Hierzu zählen etwa die Unterstützung bei der Einführung, die Entwicklung individueller Anpassungen, die laufende Systemwartung und die Durchführung von Updates.

Zentrale Herausforderungen bei der ERP-Einführung im Mittelstand

Ein strukturiertes und gewissenhaftes ERP-Auswahlverfahren ist die Basis jeder erfolgreichen ERP-Einführung. Doch selbst dann, wenn ein optimal geeignetes System gefunden wurde, gibt es bestimmte Herausforderungen, die mit dessen Implementierung einhergehen. Vor allem sind es folgende Aspekte, die den Erfolg von ERP-Projekten beeinflussen:

  • Komplexität der Prozesse und Anpassungsbedarf
  • Change Management und Akzeptanz im Team –
  • Zeit- und Ressourcenaufwand

Sehen wir uns diese Aspekte im Folgenden etwas genauer an.

Komplexität der Prozesse und Anpassungsbedarf

Längst nicht jedes Unternehmen produziert Standardprodukte und durchläuft dabei Standardprozesse. Vielmehr ist der deutsche Mittelstand geprägt von einer teils sehr hohen Spezialisierung. Exakt dies ist auch eine seiner Stärken. Ein hoher Spezialisierungsgrad geht jedoch auch mit sehr komplexen, individuellen Prozessen einher, die selbst Branchenlösungen oft nicht in Gänze abbilden können. In solchen Fällen gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

  1.  Anpassung der eigenen Prozesse an das ERP-System („Fit to Standard“)
  2.  Anpassung des ERP-Systems an die eigenen Prozesse (Individualisierung)

Beide Herangehensweisen haben ihre Daseinsberechtigung. Variante 1 kann zu schlankeren und besser skalierbaren Prozessen führen. Variante 2 ermöglicht es hingegen, die bestehende Spezialisierung beizubehalten. Allerdings sind in diesem Fall meist umfangreiche Anpassungen in Form individueller Software-Entwicklung notwendig. Dies führt jedoch zu hohen Kosten und kann die Update-Fähigkeit der ERP-Software beeinträchtigen. Insofern sollte dieser Schritt stets genau abgewogen werden.

Change Management und Akzeptanz im Team

Eine weitere Herausforderung bei der ERP-Implementierung ist das Change Management. Wichtig ist es, weil die Einführung einer neuen Software mit weitreichenden Veränderungen verbunden sein kann. Das betrifft oft nicht nur die Abläufe, sondern auch die Tätigkeiten einzelner Mitarbeitenden. Entsprechend groß sind häufig die Vorbehalte. Gutes Change Management bezieht die betroffenen Abteilungen frühzeitig in das Projekt ein. Es integriert ihre Anforderungen und nimmt die Bedenken der Beschäftigten ernst. Zudem informiert es die Belegschaft zu jeder Zeit transparent über die bevorstehenden Veränderungen, um Ängste abzubauen und die Akzeptanz zu fördern. Abgerundet wird professionelles Veränderungsmanagement durch praxisnahe Schulungen und gutes Projektmarketing, welches die Vorteile der neuen ERP-Lösung in den Vordergrund stellt.

Zeit- und Ressourcenaufwand

Die Einführung eines ERP-Systems im Mittelstand ist ein komplexes Unterfangen, dessen Zeitaufwand häufig unterschätzt wird. Oft herrscht die Annahme, dass die Implementierung in wenigen Monaten abgeschlossen werden kann. Doch in der Praxis erstreckt sich der Prozess nicht selten über ein Jahr. Gründe für eine lange Projektdauer sind unklare Anforderungen, eine mangelnde Ressourcenplanung und die notwendige Anpassung bestehender Prozesse. Hinzu kommen Schulungen, Datenmigration und interne Widerstände, die zusätzlichen Aufwand verursachen.

Wichtig ist es daher, den voraussichtlichen Zeit- und Ressourcenaufwand seriös zu bewerten. Eine realistische Zeitplanung beginnt bereits mit der Definition klarer Projektziele. Wichtig ist zudem, ausreichend Puffer für unerwartete Verzögerungen einzuplanen. Entscheidend für den Projekterfolg ist weiterhin ein strukturiertes Vorgehen mit Meilensteinen, transparenter Kommunikation und einer kontinuierlichen Erfolgskontrolle. So lässt sich der tatsächliche Zeitbedarf verlässlich einschätzen und bei Planabweichungen sind schnelle Anpassungen möglich.

Weiterhin sollte insbesondere den Schlüsselfiguren im ERP-Projekt ausreichend zeitlicher Freiraum gewährt werden. Gemeint sind vor allen Dingen der Projektleiter und die Key User. Diese müssen je nach Projektphase komplett von ihren Aufgaben im Tagesgeschäft entbunden werden, damit sie sich voll auf den Projekterfolg konzentrieren können. Realisierbar ist dies über solide Vertretungsregelungen.

Bildnachweis: Depositphotos.com/GaudiLab

Über den Autor

Porträtfoto vonPorträtfoto vonPorträtfoto von Carolin Fischer, Content-Managerin und Redakteurin für onpulson.de, einem Fachportal für Unternehmer und Führungskräfte aus dem Mittelstand

Carolin Fischer Carolin Fischer ist Content-Managerin und Redakteurin bei onpulson.de. Sie ist spezialisiert auf die Themen "Personal", "Mittelstand" und "Karriere". Zuvor hat sie mehrere Jahre für die Süddeutsche Zeitung in München gearbeitet und ist heute noch u.a. im PR-Bereich tätig.
Zum Autorenprofil

Kommentare

Kommentar schreiben:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Erhalten Sie jeden Monat die neusten Business-Trends in ihr Postfach!
X