Ja zur KI – aber mit Vorsicht zu genießen
Verifikation notwendig

Ja zur KI – aber mit Vorsicht zu genießen

Porträtfoto von Anne M. Schüller, Coach und Autorin
Am

KI-Verständnis ist für jeden fortan fundamental. Schon jetzt zeichnet sich ab, wozu diese Technologie in der Lage ist – und mit welcher Geschwindigkeit neue Applikationen entstehen. Die vielleicht umfassendste Sammlung hört auf den klingenden Namen „There’s an AI for that“. Mitte Februar waren dort 29.807 KI-Tools für 15.894 Aufgaben und 4.986 Jobs gelistet. Und das ist nichts im Vergleich zu dem, was uns in naher Zukunft erwartet.

Zwar erkennen viele Unternehmen das Potenzial von KI, wie eine aktuelle Studie von Stifterverband und McKinsey zutage brachte, schöpfen es aber bislang nicht annähernd aus. 86 Prozent der 1000 befragten Führungskräfte ist der Meinung, dass ihre Firma das Potenzial von KI wesentlich besser nutzen könnte. Hierfür fehle es aber an den notwendigen Kompetenzen, sagen 79 Prozent der Studienteilnehmer. Dabei müssen wir uns, schon allein um konkurrenzfähig zu bleiben, in allen Unternehmensbereichen schleunigst damit befassen, welch immense Chancen KI für uns birgt.

In wenigen Jahren werden wir uns kaum noch vorstellen können, wie unser Leben und Arbeiten ohne KI überhaupt funktionieren konnte. Doch ohne ein ausgeprägtes KI-Grundverständnis ist es unmöglich, bei künftigen Entwicklungen mithalten zu können. Texte, Bilder, Videos, Musik, Code, Transkriptionen, Präsentationen, Lern-Bots, Avatare, künstliche Assistenten und vieles mehr: Schon heute kann uns KI maßgeblich dabei unterstützen, eine jeweilige Arbeit schneller und qualitativ besser zu machen.

Je präziser etwa bei einer generativen KI der Prompt, das heißt der Eingabebefehl, verfasst wird, desto substanzieller wird der Output sein. Jede Antwort, die dann ausgespuckt wird, kann Bahnbrechendes, aber auch schlimme Fehler enthalten: Falsche Namen, falsche Fakten, falsche Zahlen, die zwar plausibel klingen, aber nicht korrekt, bisweilen sogar frei erfunden sind. Das müssen wir bei unserer Meinungsbildung immer beachten.

Bitte keine unhinterfragte KI-Hörigkeit

Generative KI ist keine klassische Suchmaschine – und auch keine Enzyklopädie wie etwa die Wikipedia. Sie folgt vielmehr der Statistik, vertraut somit der Wahrscheinlichkeit des nächsten Wortes. Sie ist eine „Wortwahrscheinlichkeitsvorhersagemaschine“, wie Miriam Meckel und Léa Steinacker in ihrem Buch „Alles überall auf einmal“¹ sagen. So hat generative KI keinerlei Idee davon, was die Wörter, Zahlen und Bilder, die sie auswirft, bedeuten. Sie kann auch nicht beurteilen, ob die Antworten, die sie gibt, richtig sind.

Die Daten, mit denen eine KI trainiert wurde, können veraltet, fehlerhaft, unvollständig, diskriminierend oder auch toxisch sein. Doch eine KI legt ihre Quellen in aller Regel nicht offen, macht nichts transparent, wie sie zu ihren Vorschlägen kommt. Profunde menschliche Fachexpertise bei der Evaluierung von KI-Content ist demnach zwingend. Die letztliche Entscheidung trifft insofern bitte immer ein Mensch, nie die KI. Übrigens kann der Erfahrungsschatz älterer Generationen dabei sehr hilfreich sein.

Bei der Übernahme von KI-generierten Bildern und Texten kann es zu gravierenden Copyright-Verletzungen kommen, für man bei Verwendung haftbar gemacht werden kann. Schon beim Training einer KI wird das Copyright millionenfach verletzt. Analysen mit sogenannten Copyright Catchern wie „patronus.ai“ haben zum Beispiel bei 44 Prozent der von ChatGPT-4 ausgegebenen Antworten Copyright-Verletzungen entdeckt, berichtet Christoph Santner in seinem Buch „Alles KI“². Auch eine Seite namens „Copyleaks“ kann dabei helfen, KI-basierte Plagiate zu erkennen.

Was Künstliche Intelligenz alles nicht kann

Was KI definitiv nicht kann, ist fühlen. Ihr gelingt es allerdings immer besser, menschliche Interaktionen zu lesen, Sprache, Stimme und Tonalität glaubhaft zu imitieren und uns Empathie vorzuspielen. Emotionen und auch Lügen erkennt KI bereits besser als die meisten Menschen. Das kann sie, weil sie einerseits mit riesigen Mengen menschlicher Kommunikation trainiert wird und andererseits unsere Mikromimik analysiert.

Dass Menschen künstliche Gegenüber anthropomorphisieren, das heißt ihnen menschliche Eigenschaften, Gefühle und Absichten zuschreiben, ist insofern verständlich. Doch eine KI ist nichts anderes als programmierter Code. Dabei gilt:

  • KI weiß fast alles, doch versteht nichts.
  • KI kann weder denken noch fühlen.
  • KI hat weder Intuition noch Fantasie.
  • KI hat weder Bewusstsein noch Werte.
  • KI tut bemüht, doch ihr ist alles egal.

Praktisch jedes Business kann mit digitaler Unterstützung besser betrieben werden. Doch Ethik und Moral: Das kennt die Technologie nicht. Das muss von den Menschen kommen. Denn es sind Menschen, die Software programmieren, und damit definieren sie die Realität einer KI. In den Händen der Falschen ist sie ein Teufelszeug.

Jede Technologie ist ein zweischneidiges Schwert

Wer eine mächtige Technologie in die Welt setzt, löst immer einen Wettlauf zwischen Gut und Böse aus, denken wir nur mal an Messer, Vorschlaghammer und Kettensäge. Jede Technologie ist ein zweischneidiges Schwert. So hält Elektrizität unsere komplette Wirtschaft in Gang, wenn wir sie aber direkt berühren, ist sie meist tödlich. Auch das Auto ist eine feine Sache, doch weltweit sterben jedes Jahr 1,3 Millionen Menschen im Straßenverkehr. Wir sind uns solcher Risiken durchaus bewusst, haben uns aber primär die Vorteile zunutze gemacht. Regulierende Vorschriften haben geholfen, uns vor Schaden zu schützen. So wird im EU AI Act nun auch künstliche Intelligenz reguliert.

Ein zentrales Element beim Einsatz von KI ist die Frage nach ihrem Einsatznutzen: Sollen programmierte Systeme reine Zuarbeitende, intelligente Mitarbeitende oder Herrschende sein? Ferner stellt sich die Frage nach Gefahrenpotenzialen und Verantwortlichkeiten, etwa bei Fremdeinwirkung, bei fehlerhaften Anwendungen oder bei Fehlern in der Programmierung. Die letzte Entscheidung muss bei einem Menschen liegen, der Wissen, Können und eine positive Gesinnung hat. Vor allem Entscheidungen im Arbeitsverhältnis verlangen ein besonderes Maß an sozialem Feingefühl, das eine KI mit ihren Analysen, Bewertungen und Empfehlungen einfach nicht leisten kann.

Der GIGO-Effekt: Garbage in, garbage out

In digitalen Kontexten entwickeln sich das Richtige wie auch das Falsche exponentiell. Insofern müssen wir in den Unternehmen – und auch jeder für sich – rasch zu einem verantwortungsvollen Umgang mit KI & Co. finden. Beim Zusammenspiel zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz sind Fragen wie diese hochrelevant:

  • Was kann KI besser als Menschen? Und was können Menschen besser als KI?
  • Wann überlassen wir die Arbeit der KI – und wann schreiten wir entschieden ein?
  • Welche neuartigen Leistungen können wir mit KI-Unterstützung erbringen?
  • Können wir die KI-Anwendungen, die wir verwenden, erklären? Welche Risiken gehen wir ein, wenn wir das nicht können? Und, in aller Interesse, wollen wir das?

Die Weichen dafür stellen wir jetzt. Denn smarte KI entwickelt sich bereits selbstständig weiter, mitunter auf eine Weise, die sogar Profis weder verstehen noch nachvollziehen können. Ein wesentlicher Punkt dabei ist der: KI wird mit Vergangenheitsdaten gefüttert, und das erzeugt den GIGO-Effekt: Garbage in, garbage out. Schlechtes, gefaktes, entstelltes Ausgangsmaterial erzeugt Müll. Hass und Häme, niedere ethische Werte und der ganze Dreck, der ins Web geschleudert wird, beeinflussen unsere Zukunft massiv, weil sich selbstlernende KI auch damit trainiert.

Jede KI-Antwort ist höchstens ein Vorschlag

„Die KI presst alle Kommunikation durch einen hocheffizienten Mixer. Was sie produziert, wird wiederum ins Weltwissen des Internets eingespeist – ein Selbstverstärkungsmechanismus, in dem der Remix wächst und die Originalität schrumpft, so lange, bis die KI fast nur noch mit selbst geschaffenen Inhalten arbeiten kann“, schreiben Miriam Meckel und Léa Steinacker, ebenfalls in „Alles überall auf einmal“³.

Textinzest nennt man das. So könnte generative KI im Laufe der Zeit immer schlechter darin werden, gute Inhalte zu produzieren. Zugleich kann ihr Output immer durchschnittlicher, gleichförmiger, langweiliger werden. Definitiv ist es Output, auf den sich niemand verlassen kann. Auf ihre sehr selbstbewusste Art verbreitet sie ungeachtet sozialethischer Standards eine einseitige Weltsicht und verstärkt Vorurteile. Obacht ist daher geboten. Jede KI-Antwort muss sorgfältig verifiziert und danach optimiert werden.

Und selbst, wenn „nur zum Spaß“, lassen wir das Uploaden von Müll und Schrott ins Web besser sein. Wir würden ja auch unsere Kinder nicht „nur so zum Spaß“ schlecht erziehen, weil uns klar ist, welch katastrophale Folgen das haben kann. Wir machen sie vielmehr stark und verantwortungsbewusst, um ihnen einen bestmöglichen Start in die Zukunft zu geben. Tun wir das doch bitte auch mit unseren „künstlichen Kindern“.

1 Meckel, Miriam, Steinacker, Leá: Alles überall aufeinmal. Wie Künstliche Intelligenz unsere Welt verändert und das wir dabei gewinnen können. Rohwolt Verlag, Hamburg 2024, S. 81.
2 Santner, Christoph: Alles KI? Die Welt der Künstlichen Intelligenz verstehen und nutzen – Das erste Buch mit eigener KI mit – exklusiven Zugangscode. Goldmann Verlag, München 2024, S. 94.
3 Meckel, Miriam, Steinacker, Leá: Alles überall aufeinmal. Wie Künstliche Intelligenz unsere Welt verändert und das wir dabei gewinnen können. Rohwolt Verlag, Hamburg 2024, S. 150.

Bildnachweis: Depositphotos.com/sdecoret

 

 

Über den Autor

Porträtfoto von Anne M. Schüller, Coach und Autorin

Anne M. Schüller Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin und Rednerin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung.  2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Vom Business-Netzwerk LinkedIn wurde sie zur Top-Voice 2017/2018 und vom Business-Netzwerk XING zum XING-Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Customer Touchpoint Manager aus.  www.anneschueller.com
Zum Autorenprofil

Kommentare

Kommentar schreiben:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Erhalten Sie jeden Monat die neusten Business-Trends in ihr Postfach!
X