Iryna Agieieva: „Ein unzureichender Payment-Mix führt zu Kaufabbrüchen“
Onpulson im Gespräch mit Iryna Agieieva, Head of Payments bei Mollie, über Schwachstellen im Checkout-Prozess und die Bedeutung länderspezifischer Zahlungsmethoden zur Vermeidung von Kaufabbrüchen. Sie erklärt alternative Zahlungsmethoden, deren Potenziale sowie Herausforderungen.
Onpulson: Wie beurteilen Sie als Head of Payments bei Mollie die zunehmende Fragmentierung der Payment-Landschaft und welche Strategien würden Sie verfolgen, um eine einheitliche und benutzerfreundliche Payment-Experience zu gewährleisten?
Iryna Agieieva: Die zunehmende Fragmentierung der Payment-Landschaft spiegelt sich vor allem in den unterschiedlichen Präferenzen der nationalen Märkte wider. Ein prägnantes Beispiel sind die Niederlande, wo iDEAL mit über 66% Marktanteil bei Online-Zahlungen dominiert, während in Deutschland PayPal für 67% der Konsumenten die bevorzugte Zahlungsmethode ist.
Für Händler mit internationalen Ambitionen bedeutet dies, dass sie ihre Payment-Strategie an lokale Gegebenheiten anpassen müssen und nicht blind die altbewährte Strategie für den deutschen Markt auf andere eins zu eins übertragen können. Fest steht: Eine Payment-Experience, die auf die Präferenzen der Konsumenten vor Ort eingeht, kann nur durch die Integration der jeweils relevanten lokalen Zahlungsmethoden erreicht werden. Der Schlüssel liegt dabei in der Zusammenarbeit mit Payment-Partnern, die über fundierte Expertise in den jeweiligen Märkten verfügen.
Alternative Zahlmethoden wie BNPL und Kryptowährungen auf dem Vormarsch
Onpulson: Welche Rolle spielen alternative Zahlungsmethoden wie Buy Now, Pay Later (BNPL) oder Kryptowährungen für die Zukunft des digitalen Handels, und wie sollten Unternehmen darauf reagieren?
Iryna Agieieva: Alternative Zahlungsmethoden gewinnen zunehmend an Bedeutung, wobei besonders BNPL eine immer wichtigere Rolle in Deutschland spielt. BNPL bietet sowohl Händlern als auch Kunden konkrete Vorteile: Für Konsumenten steht dabei besonders die Flexibilität und Sicherheit beim Online-Kauf im Vordergrund, da die Zahlung erst nach Wareneingang erfolgt. Zudem zeigen aktuelle Daten, dass 37 Prozent der Deutschen in den letzten 12 Monaten häufiger BNPL genutzt haben, was den wachsenden Bedarf an flexiblen Zahlungsoptionen unterstreicht – insbesondere in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Die kürzlich verabschiedete EU-Verbraucherkreditrichtlinie setzt hier neue Standards für erweiterte Informationspflichten und Bonitätsprüfungen, womit das Risiko gesenkt wird, dass Konsumenten sich unbewusst verschulden.
Auch Kryptowährungen haben nicht an Relevanz verloren, auch wenn dies bislang noch nicht als massentaugliche Zahlungsmethode zu betrachten ist. Besonders die Aspekte der schnelleren grenzüberschreitenden Transaktionen und der erhöhten Sicherheit durch Blockchain-Technologie stehen für das Potential von Kryptowährungen. Allerdings müssen Unternehmen hier die Volatilität der Kurse und regulatorische Unsicherheiten berücksichtigen.
Der dauerhafte Erfolg beider Zahlungsmethoden wird jedoch künftig maßgeblich von klaren regulatorischen Rahmenbedingungen und der Akzeptanz bei Händlern und Konsumenten abhängen.
KI-gestützte Personalisierung führt zu maßgeschneiderten Zahlungserlebnissen
Onpulson: Wie würden Sie KI-gestützte Personalisierung nutzen, um das Kundenerlebnis zu verbessern, ohne den Datenschutz zu verletzen?
Iryna Agieieva: In meiner Funktion als Head of Payments sehe ich den Schlüssel zur KI-gestützten Personalisierung in der intelligenten Verknüpfung von Zahlungsdaten und Kundenverhalten. Statt auf invasive Datensammlung zu setzen, konzentrieren wir uns darauf, aus anonymisierten Transaktionsmustern wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Dabei nutzen wir Daten, die von unseren Händlern geteilt werden oder aus vorhandenen historischen Daten stammen. Indem Händler mehr Daten mit uns teilen, können wir den Checkout-Prozess noch effektiver optimieren, Akzeptanzraten durch maßgeschneiderte Zahlungslösungen maximieren und ein reibungsloses Zahlungserlebnis schaffen. Entscheidend bleibt die Transparenz: Kunden müssen jederzeit nachvollziehen können, welche Daten wie genutzt werden. So schaffen wir personalisierte Einkaufserlebnisse, die sowohl nutzerfreundlich als auch datenschutzkonform sind.
Onpulson: Was sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Schwachstellen im Checkout-Prozess, und wie würden Sie diese priorisiert angehen?
Iryna Agieieva: An erster Stelle steht ein unzureichendes Payment-Mix. Wenn die im jeweiligen Markt präferierten Zahlungsmethoden im Webshop fehlen, führt dies zu Kaufabbrüchen. Besonders deutlich wird dies bei regionalen Unterschieden – wie bereits erwähnt, ist in Deutschland PayPal dominant, gefolgt von Zahlen auf Rechnung und Kreditkartenkäufen.
Die zweite kritische Schwachstelle ist die mangelnde Transparenz bei zusätzlichen Kosten. Wenn Versandgebühren, Steuern oder andere Zusatzkosten erst spät im Checkout-Prozess sichtbar werden, führt dies zu Frustration und Vertrauensverlust und ist zu 55% der Grund, warum in Deutschland Kaufabbrüche stattfinden.
Der dritte Punkt betrifft die technische Integration von Zahlungsmethoden. Weiterleitungen zu Drittanbieter-Websites für die Zahlungsabwicklung unterbrechen den Kauffluss und schaffen Unsicherheit auf Konsumentenseite. Ein nahtlos integrierter Checkout-Prozess im CI des Webshops ist deshalb mit entscheidend für die Conversion-Rate.
Die Lösung liegt demnach in einem ganzheitlichen Ansatz: Implementierung marktrelevanter Zahlungsmethoden, transparente Kommunikation aller Kosten von Anfang an und eine nahtlose technische Integration des Bezahlvorgangs.
Optimierter Checkout: Transparenz und Integration als Erfolgsfaktoren
Onpulson: Wie können Technologien wie One-Click-Checkout oder biometrische Authentifizierung den Checkout-Prozess revolutionieren?
Iryna Agieieva: Ich sehe hier eine klare Entwicklung – Konsumenten im klassischen E-Commerce oder Social Commerce erwarten einen reibungslosen, schnellen und transparenten Checkout-Prozess. Die Integration der richtigen Zahlungsmethoden für den jeweiligen Markt ist dabei entscheidend. Gerade im Social Commerce, wo Kaufentscheidungen oft spontan getroffen werden, führt das Fehlen präferierter Zahlungsoptionen unmittelbar zu Abbrüchen.
Dabei gilt: Je weniger Klicks bis zum Kaufabschluss erforderlich sind, desto besser – ein intuitiver und effizienter Prozess steigert nicht nur die Conversion-Rate, sondern auch die Kundenzufriedenheit.
Absolute Transparenz bei allen Kosten und ein nahtlos integrierter Checkout sind weitere Schlüsselfaktoren. Die steigenden Kundenerwartungen zwingen uns, diese Prozesse kontinuierlich zu optimieren – nur wer hier Exzellenz bietet, wird im zunehmend kompetitiven E-Commerce-Umfeld bestehen können.
Onpulson: Welche digitalen Technologien sind Ihrer Meinung nach wichtig, um den stationären Handel zukunftssicher zu machen, und wie sollte deren Implementierung priorisiert werden?
Iryna Agieieva: Ich sehe grundsätzlich die Digitalisierung des stationären Handels an sich als zentrale Herausforderung – hier hinkt der hiesige Einzelhandel an vielen Stellen im internationalen Vergleich deutlich hinterher. Die wichtigsten aktuellen Technologien sind dabei KI-gestützte Self-Checkout-Systeme und Express-Kassen, die Wartezeiten deutlich reduzieren und dadurch automatisch die Kundenzufriedenheit steigern. Mobile Payment-Terminals schaffen zusätzliche Flexibilität am Point-of-Sale. Die Studie “Omni-Channel Management 2024” der Universität St. Gallen bestätigt die Relevanz dieser Entwicklung: 62% der Konsumenten im DACH-Raum nutzen den stationären Handel, erwarten aber digitale Services.
Entscheidend ist dabei die nahtlose Integration dieser Technologien in bestehende Systeme, um ein durchgängiges Einkaufserlebnis zu gewährleisten. Gelingt es, die Zahlungsprozesse auf diese Weise zu optimieren, haben die Angestellten wieder mehr Zeit zur Verfügung, um ihren Kunden individuell zu beraten.
Onpulson: Wie können physische Geschäfte und E-Commerce-Plattformen optimal integriert werden, um ein nahtloses Omnichannel-Erlebnis zu schaffen?
Iryna Agieieva: Eine einheitliche Zahlungsplattform ist fundamental. Sie ermöglicht nicht nur die Synchronisation aller Transaktionen in Echtzeit, sondern liefert auch wertvolle Daten für strategische Entscheidungen. Durch die Analyse der Zahlungsströme können wir erkennen, welche Produkte online besonders gefragt sind und welche im stationären Handel besser performen. Diese vereinfacht nicht nur das Finanzmanagement erheblich, sondern ermöglicht auch eine nahtlose Integration von Services wie Click & Collect. Besonders wertvoll sind die gewonnenen Erkenntnisse: Durch die Analyse der kanalübergreifenden Transaktionen können Händler präzise erkennen, welche Produkte online besonders gefragt sind und welche im stationären Handel besser performen. Diese Daten sind Gold wert für Logistik und Bestandsmanagement.
Bildnachweis: istockphoto.com/AnaMOMarques
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