Teamarbeit im Umbruch
Vertrauen entscheidend

Teamarbeit im Umbruch

Dr. Georg Kraus
Am

Teamarbeit ist in den meisten Unternehmen gängige Praxis. Für das Gros von ihnen gilt: Zumindest die Kernleistungen ihrer Organisation werden heute weitgehend in bereichs- oder zuweilen sogar unternehmensübergreifender Teamarbeit erbracht. Deshalb erachten viele Unternehmen das Verbessern der Teamarbeit als einen zentralen Schlüssel zum Erhöhen ihrer Performance.

Viele Teams in den Unternehmen stehen aktuell vor der Herausforderung, sich selbst und ihre Zusammenarbeit neu zu definieren, um ihre Leistungsfähigkeit zu bewahren. Das ergab eine Online-Umfrage von Personalverantwortlichen durch die Unternehmensberatung Kraus & Partner. Folgende Aspekte wurden hierbei berücksichtigt:

  • Wie zufrieden die Unternehmen aktuell mit der Teamarbeit in ihrer Organisation sind.
  • Welche Faktoren aus ihrer Warte zu einer Dysfunktionalität von Teams führen.
  •  Wie stark sich die Faktoren Führung und Kultur aus Sicht der Personalleitungen auf die Team-Performance auswirken.

Bei der Team-Performance besteht noch Luft nach oben

In der Online-Befragung wurden die Personalverantwortlichen unter anderem gebeten, auf einer Skala von 1 bis 10 die aktuelle Performance ihrer Teams zu bewerten – „unter Berücksichtigung solcher Aspekte wie Effizienz, Zusammenarbeit, Problem-/Konfliktlösung“. Das Ergebnis war: Die Team-Performance wird von den Befragten gemittelt mit etwa zwei Dritteln des Maximalwerts (6,58 von 10) bewertet.

Dies lässt die Schlussfolgerung zu: Die meisten Unternehmen haben bereits eine recht hohe Routine in der Teamarbeit entwickelt; bei der Performance ihrer Teams besteht aus Sicht der Personalverantwortlichen aber noch Luft nach oben. Dies bestätigen ihre Antworten auf die Frage: „Wie hoch schätzen Sie die Produktivität Ihrer Teams ein?“ Sie zeigen, dass die Produktivität (Mittelwert: 6,71) und Performance der Teams etwa gleich bewertet werden. Das legt die Vermutung nahe: Die Produktivität ist zentrale Faktor beim Bewerten der Team-Performance.

Oft fehlen Tools zum Bewerten der Performance

Das Gros der Befragten ist zudem der Auffassung, dass die Teammitglieder ihre individuelle und kollektive Leistung weitgehend realistisch einschätzen (Mittelwert: 6,07). Dies deutet auf einen recht hohen Reifegrad der Teammitglieder hin; außerdem auf ein bei ihnen vorhandenes Bewusstsein, dass

  • die Leistung ihres Teams letztlich an dessen Produktivität gemessen wird und
  • man die Team-Performance durchaus noch steigern könnte.

Dies überrascht etwas, da die Befragungsteilnehmer die Qualität der „Tools“ in ihrem Unternehmen zur objektiven Beurteilung der Leistung von Teams nur mit einem Mittelwert vom 4.31 bewerten. Das deutet daraufhin, dass die meisten Führungskräfte faktisch keine objektiven Kriterien zum Beurteilen der Teamleistung haben, sondern hierbei weitgehend auf ihre subjektive Wahrnehmung vertrauen. Dies bestätigten die narrativen Interviews. In ihnen zeigte sich, dass zwar für die Teams in den Bereichen Produktion und Vertrieb meist objektive Kriterien für das Messen der Team-Performance existieren (wie Output und Durchlaufzeit sowie Umsatz und Ertrag) in anderen Bereichen jedoch nicht. Hier ist den Befragten zufolge beim Bewerten der Leistung oft „viel Gefühl“ im Spiel.

Führung und Kultur beeinflussen die Performance stark

Als die zentralen Einflussfaktoren für die Performance von Teams erachten die Befragungsteilnehmer die Führung und Unternehmenskultur. Auffallend dabei ist, dass die Relevanz der Unternehmenskultur (Mittelwert: 8,76) sogar noch höher als die der Führung (8,20) eingestuft wird.

Dieser Befund bedarf einer näheren Betrachtung, da – wie die narrativen Interviews zeigten – der Begriff Team im Unternehmenskontext nicht eindeutig definiert ist. Zum einen bezeichnet er im alltäglichen Sprachgebrauch die Mitarbeiter zum Beispiel eines Bereichs oder einer Abteilung, die unmittelbar einer Führungskraft unterstellt sind; zum anderen aber auch die Mitglieder der abteilungs- oder bereichsübergreifenden Projekt- und Arbeitsteams, die gemeinsam eine für den Unternehmenserfolg relevante Leistung erbringen.

Da die letztgenannten Teams, auf deren (Zusammen-)Arbeit die Führungskräfte nur mittelbar einen Einfluss haben, im Betriebsalltag eine immer größere Relevanz gewinnen, spielt auch die Unternehmenskultur für die Team-Performance eine immer bedeutendere Rolle. Denn diese bereichsübergreifenden Teams bestimmen ihr Vorgehen und die Regeln für ihre (Zusammen-)Arbeit weitgehend selbst, wobei sie selbstverständlich auch vom Umfeld, in das sie eingebettet sind, beeinflusst werden. Das heißt, gehen von ihm die Teamarbeit stimulierende Signale aus, wirkt sich dies auch positiv auf die Teamleistung aus.

Fähigkeit zur Konfliktlösung der Teams ist eher niedrig

Bemerkenswert in diesem Kontext ist, dass die Befragungsteilnehmer den Teams in ihrer Organisation nur leicht überdurchschnittliche Fähigkeiten zur Konfliktlösung bescheinigen (Mittelwert: 5.93). Die narrativen Interviews zeigten jedoch: Diese tendenziell eher negative Bewertung bezieht sich primär auf die bereichs- oder gar unternehmensübergreifenden Arbeits- und Projektteams, deren Mitglieder häufig weitgehend virtuell zusammenarbeiten. Bei ihnen scheint die Faustregel zu gelten: Je mehr Bereiche und somit partiell unterschiedliche Interessen und Sichtweisen in die Teamarbeit involviert sind, umso größer ist das Konfliktpotential und umso geringer ist die Fähigkeit der Teams, Konflikte eigenständig zu lösen – auch weil dann, wie ein Befragungsteilnehmer dies formulierte, nicht selten eine Führungskraft fehlt,

  •  die „die Stinkstiefel zur Ordnung ruft“ und
  • die Teammitglieder dazu „nötigt, sich mit Verhaltensweisen zu befassen, die die Performance schmälern“.

Knackpunkt Teamspirit und wechselseitiges Vertrauen

Als den zentralen Faktor für eine effektive Teamarbeit erachten nahezu alle Befragten „wechselseitiges Vertrauen“. Dieses ist ihres Erachtens der Schlüsselfaktor, damit der nötige Teamspirit entsteht, der wiederum zu einer hohen Team-Performance führt – und zwar sowohl bei den unmittelbar einer Führungskraft unterstellten Mitarbeiterteams als auch den bereichsübergreifenden Projektteams. Im Umkehrschluss wird mangelndes Vertrauen als die zentrale Ursache vieler Dysfunktionalitäten von Teams gesehen.

Als weitere wichtige die Team-Performance stimulierende Faktoren werden häufig genannt:

  • offene und ehrliche Kommunikation,
  • Respekt und wechselseitige Wertschätzung,
  • Kenntnis und Identifikation mit den Unternehmenszielen,
  • Kollegialität,
  • Leistungsbereitschaft und -fähigkeit,
  •  Veränderungs- und Lernbereitschaft.

Teams müssen sich zum Teil neu definieren

Bei den vorgenannten Faktoren handelt es sich weitgehend um solche, deren Relevanz für das Funktionieren von Teams seit Jahren bekannt ist. Auffallend ist jedoch, dass die Befragungsteilnehmer in den narrativen Interviews immer wieder darauf verweisen, dass sich die Rahmenbedingungen der Teamarbeit in ihrer Organisation in den letzten Jahren massiv verändert haben.

Dabei gilt es zwei Dimensionen zu unterscheiden:

  1. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 hat sich die Form der Zusammenarbeit bei vielen Teams fundamental gewandelt. Aus Teams, deren Mitglieder sich zuvor nahezu täglich trafen, wurden häufig hybride und vereinzelt sogar rein virtuelle Teams. Zudem haben aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und Vernetzung in den Unternehmen neu formierte Teams – anders als früher – zumeist einen hybriden oder gar virtuellen Charakter.
  2. In den zurückliegenden Jahren haben sich die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handels in den Unternehmen massiv gewandelt und eine langfristige Planung wird immer schwieriger. Dies wirkt sich auch auf die Teamarbeit aus und zwar in der Form, dass sich die Teams immer häufiger mit einer neuen Ist-Situation und neuen Zielsetzungen konfrontiert sehen, weshalb sie ihre Arbeitsweisen und ihre Zusammenarbeit überdenken und (teilweise) neu justieren müssen.

Dies führt nicht selten dazu, dass Teams, die sich bereits in der „Performing-Phase“ befinden wieder in die „Norming-Phase“ oder gar „Storming-Phase“  – Phasen, die zu Beginn der Teamarbeit anzusetzen sind – zurückgeworfen werden. Das heißt, sie müssen erneut solche Fragen klären wie:

  •  Was sind unsere Ziele als Team?
  • Wer hat welche Aufgabe und Rolle im Team?
  •  Wie stark werden die unterschiedlichen Interessen berücksichtigt?
  •  Welche Spielregeln gelten für unseren Umgang miteinander?
  •  An welchen Handlungsmaximen orientieren wir uns beim Lösen unserer Aufgabe?

Harmoniewunsch zuweilen stärker als Veränderungsbereitschaft

Hiermit adäquat umzugehen, fällt insbesondere vielen bereichsübergreifenden Teams offensichtlich schwer – auch weil ihren Mitgliedern bewusst ist, dass hieraus Konflikte resultieren, die die Harmonie im Team stören. Deshalb stellen sie sich diesen Fragen oft eher zögerlich, auch weil in diesen Teams häufig ein zentraler Treiber fehlt, der sie zur Beschäftigung mit ihnen zwingt.

Zugleich sehen sich noch viele Führungskräfte, da sich der Charakter ihrer Teams (u.a. durch das verstärkte Arbeiten im Homeoffice) in Richtung hybride Teams geändert hat, mit der Herausforderung konfrontiert, ihr Führungsverhalten teilweise neu zu justieren, da sie oft selbst spüren: Unter dem weitgehend virtuellen Kontakt leiden die vertrauensvolle Beziehung im Team und der Teamspirit. Auch dies wirkt sich auf die Funktionalität der Teams aus.

Dies dürfte auch ein zentraler Punkt sein, warum in den narrativen Interviews auffallend viele Befragungsteilnehmer die aktuelle Zusammenarbeit in ihrem Bereich bzw. Team mit solchen Worten bzw. Aussagen wie „Durchwursteln“ und „Man tut, was man kann“ beschreiben. Das heißt, sie spüren selbst, dass aktuell aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen man die Zusammen- bzw. Teamarbeit auf ein neues Fundament setzen müsste. Zugleich fehlt ihnen hierfür außer der nötigen Energie, oft fehlt auch das erforderliche Know-how. An diesem Punkt wünschen sich denn auch nicht wenige von ihnen mehr Unterstützung seitens der Unternehmensleitungen.

Zur Umfrage

An der Online-Umfrage, die der Untersuchung zugrunde liegt, nahmen 71 Personalverantwortliche von Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern teil. Dabei handelte es sich um etwa gleich viele produzierende Unternehmen (53 Prozent) und Dienstleistungsunternehmen (47 Prozent). Zudem wurden mit 34 Befragungsteilnehmern vertiefende narrative Interviews geführt, um die statistischen Daten der Online-Befragung mit Leben zu füllen und Einblicke in die Teamarbeit im Betriebsalltag zu gewinnen.

Bildnachweis: siberianstock/istockphoto.com

Über die Autoren

Dr. Georg Kraus

Dr. Georg Kraus Dr. Georg Kraus ist diplomierter Wirtschaftsingenieur und promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist unter anderem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal. www.kraus-und-partner.de
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Porträtfoto von Andreas Schwarzenhölzer, Berater bei Kraus & Partner

Andreas Schwarzenhölzer Andreas Schwarzenhölzer studierte Theologie, Sozialpädagogik und Sozialökonomie. Danach war er 15 Jahre u.a. in der Erwachsenenbildung tätig; zudem war er für die Qualitätssicherung und Finanzbeschaffung in Non-Profit-Organisationen zuständig, bevor er zehn Jahre Partner einer Unternehmensberatung war, die u.a. auf das Themenfeld Potenzial- und Führungskräfteentwicklung spezialisiert war. Aktuell arbeitet er als Berater und Coach für die der Unternehmensberatung Kraus & Partner. Dort sind seine Arbeitsschwerpunkte Change-Management sowie Führungskräfte- und Teamentwicklung. kraus-und-partner.de
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