Typische Fehler im Angebotsprozess vermeiden
Technischer Vertrieb

Typische Fehler im Angebotsprozess vermeiden

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Der Vertrieb industrieller Lösungen und erklärungsbedürftiger Produkte hat sich in den letzten Jahren erneut stark weiterentwickelt. Die Pandemie, Lieferengpässe, Digitalisierung, gesetzliche Auflagen: Das Herzstück der deutschen Wirtschaft bleibt stets in Bewegung. Umso wichtiger, die Stellschrauben der Vertriebsoptimierung nachzuziehen. Top-Verkäufer stellen die Fragen, die man früher nach dem Erhalt des Auftrags gestellt hat, bereits vor dem Angebot und punkten damit in Sachen Umsatz und Gewinn.

Etwa 300.000 Unternehmen zählen hierzulande zum Segment Technischer Vertrieb. Das ist eine enorme Wirtschaftsmacht. Viele der Anbieter aus dem Maschinen- und Anlagenbau, aus Elektrotechnik, Logistik oder dem Fachgroßhandel, aus Medizintechnik, Bauindustrie oder dem Ingenieurwesen, sind führende Player in ihrer Sparte und bilden nicht zuletzt das Rückgrat unseres Wirtschaftsstandortes. Und der Vertrieb ist eine teure Ressource. Erhöht man den Wirkungsgrad der Maßnahmen, macht sich das direkt im Ertrag bemerkbar. Nicht zuletzt ist auch die Vertriebsqualität ein vom Kunden erlebbarer Wettbewerbsfaktor. Gründe genug, bereits ganz zu Beginn der Kundenbeziehung Vertrauen und eine hohe Verbindlichkeit aufzubauen.

Die Bedeutung des Angebotsmanagements für das Vertriebsergebnis

Der Prozess Anfrage – Angebot – Abschluss ist auch in Zeiten von E-Commerce und E-Procurement der übliche Ablauf im B-To-B-Business. Die meisten Einkäufe laufen genau so ab. Auch wenn die Digitalisierung klassische Vertriebsprozesse immer wieder neu justiert: Im Angebotsprozess und der vertrieblichen Interaktion mit dem Kunden liegt ein maßgeblicher Umsatzfaktor verborgen, dessen Potenzial oft genug nicht ausgeschöpft wird. Unschärfen und handwerkliche Fehler in dieser Phase führen zu prozessbedingten Auftragsverlusten, mindern Marktanteile und Marktperspektiven.

Die meisten Vertriebseinheiten im Bereich erklärungsbedürftiger, technischer Produkte sind durchweg der Meinung, dass sie die eingehenden Anfragen und die sich anschließende Angebotsphase professionell managen. Aber warum bestehen dann zwischen einzelnen Unternehmen der gleichen Branche so enorme Unterschiede bei den Abschlussquoten? Während der eine froh ist, wenn er 20 Prozent seiner Anfragen in Aufträge umsetzt, gewinnen Unternehmen im Wettbewerb 50 Prozent und mehr Projekte und Kunden bei ähnlichem Aufwand.

Ganz gleich wie sich die Konjunktur entwickelt, viele Unternehmen und Verkäufer haben es zu einem großen Teil selbst in der Hand, weiter zu wachsen. Mittels einer systematischen und konsequenten Optimierung kann der Umsatz unabhängig von gesamtwirtschaftlichen und branchenbedingten Einflüssen gesteigert werden. Und die Nuggets liegen sehr häufig in der Angebotsphase vergraben.

Fünf wirksame Hebel für zündende Angebote

80 Prozent der Vertriebsarbeit wird vor dem Angebot gemacht. Erfolgreiche Vertriebe stellen mehr und bessere Fragen, bauen mehr und bessere Verbindungen auf, sensibilisieren den Kunden für Unterschiede zum Wettbewerb und bauen mehr Verbindlichkeit auf. Weniger erfolgreiche Vertriebe konzentrieren sich im Wesentlichen auf die technische Vorklärung, die Prüfung der Machbarkeit und den möglichst schnellen Versand des Angebots.

Hebel 1: Für die Gespräche vor dem Angebot braucht es eine Strategie

Oft wird bei eingehenden Anfragen auf die technische Klärung und Machbarkeit fokussiert, vielleicht auch noch ein Blick auf das Kaufmännische geworfen. Dabei besteht in dieser Prozessphase eine große Chance, zu allen am Kaufprozess Beteiligten einen guten Draht aufzubauen. Mit einer geschulten Fragekompetenz lassen sich systematisch mehr Informationen gewinnen und letztlich auch mehr Verbindlichkeit aufbauen. Dann ist man dem Wettbewerb oft schon einen guten Schritt voraus.

Die Erstellung der Angebote frisst Ressourcen. Daher ist es ein gutes Recht des Verkäufers, alle möglichen und nötigen Informationen im Vorfeld zu erhalten, bevor der Angebotsprozess ausgelöst wird. Vertriebliche Mindeststandards im Anfragemanagement sollten erarbeitet sein, die man dann nach und nach weiter verfeinern und ergänzen kann.

Hebel 2: Die vertriebliche Qualifizierung von Anfragen ist entscheidend für den Angebotserfolg

Ganz gleich, wie die Anfragen eingehen, ob per Telefon, per Webkonferenz oder auf der Messe im persönlichen Austausch – bereits ab diesem Zeitpunkt braucht es eine klare Strategie, um den Kunden auf die Kundenreise zu schicken. Hier wird das Fundament für ein funktionierendes Angebot gelegt. Besonders hilfreich ist in dieser Phase eine Segmentierung bzw. Priorisierung der Anfragen. Dabei werden die Kunden nach Merkmalen, die für die Tiefe und Qualität der vertrieblichen Einflussnahme relevant sind, in einzelne homogene Segmente aufzuteilen. So entstehen untereinander abgrenzbare Käufergruppen. Hier ein Beispiel solch einer Segmentierung:

  • Endkunde
  • Händler
  • Branchen
  • Neukunden – fragt zum ersten Mal an
  • Bestandskunden – kaufen regelmäßig
  • Alibi-Anfrager – fragen viel an, kaufen wenig
  • inaktive Kunden – kaufen seit X nicht mehr
  • Potenzialkunden – kaufen regelmäßig, haben Potenzial für mehr

Schließlich kann weiter geclustert werden, um die Tiefe und Qualität der weiteren Bearbeitung abzustecken: Worum geht es bei der Anfrage?

  • Neumaschine oder neues Projekt
  • Gebrauchtmaschine
  • Ersatzteile
  • Service / Modernisierung bestehender Anlagen
  • Schulung
  • Umsatz größer als interne Vorgabe
  • Umsatz kleiner als interne Vorgabe
  • Tiefe der Vorklärung
  • Budgetangebot / Hauptangebot
  • Nachfassen ja / nein und wie
  • Durch wen? (Innendienst – Außendienst – Key Account Manager)

Hebel 3: Die Angebote, die das Haus verlassen, attraktiv, verständlich und gut strukturiert gestalten

Schaut man sich dann die Ausgestaltung der Angebote in technischen Branchen einmal näher an, stellt man fest, dass die meisten Angebote in Deutschland aussehen wie eine Mischung aus Lieferschein, Gesetzentwurf und Einladung zu einer Gerichtsverhandlung. Hier ist noch viel Luft nach oben.

Wie zeigen wir dem Kunden, dass wir sein Anliegen verstanden haben und die für ihn beste Lösung umsetzen werden? Auf welche Weise machen wir deutlich, wo die Vorteile und der Nutzen des eigenen Angebots liegen? Wie begründen wir höhere Preise? Wie verdeutlichen wir, wie sich unsere Leistung amortisieren kann? Und schließlich: Welche Nachteile und Risiken vermeidet der Kunde, wenn er sich für unser Angebot entscheidet? Das sind die Schlüsselfragen, die jedes Angebot beantworten sollte.

Oft kommen die Angebote aus dem Innendienst mit einem Katalog an Zahlen, Daten und Fakten – ein technisches Konstrukt, das wenig nach psychologischen Kriterien aufgebaut ist. Es wird oft behauptet, dass Kunden nach dem Preis entscheiden, aber in erster Linie treibt sie das Vertrauen in die beste mögliche Lösung. Und das lässt sich mit herausragend gestalteten Angeboten bereits im Vorfeld aufbauen. Die Unternehmen investieren enorm viel Geld in die Gestaltung der Verkaufsunterlagen, in ihre Webseite und in die Professionalität des Messeauftrittes. Sie tun viel, um den Kunden für ihre Produkte und Leistungen zu interessieren. Doch wenn der Kunde dann ein Angebot erhält, ist dies oft unprofessionell und wenig ansprechend gestaltet. Da werden zig Millionen für Werbung, Marketing und Vertrieb ausgegeben und das Angebot kommt wie eine Stückliste oder ein Lieferschein daher. Hier wird viel Potenzial verschleudert.

Hebel 4: Dem Kunden einen Nutzen und deutliche Vorteile verkaufen

Kunden kaufen keine Maschinen oder Dienstleistungen, sondern den Nutzen, den man damit generieren kann. Das weiß jeder im Vertrieb, dennoch wird es so oft nicht beherzigt. Der größte Nutzen, den man seinen Kunden bieten kann, ist die planbare Amortisation der Investition.

Wann macht sich eine Investition für den Käufer bezahlt? Welche Produktivitätsvorteile, Kostenvorteile, Nachhaltigkeitsvorteile, Wettbewerbsvorteile gewinnt er? Es bietet sich an, dafür einen eigenen und spezifischen Amortisationsansatz zu entwickeln, der auf die individuellen Aspekte der jeweiligen Branche abzielt: Wie ist der Rohstoffeinsatz pro Einheit? Welche Kosten lassen sich durch die Anlagen- und Produktionsverbesserungen erzielen? Wie werden Energieaufwände optimiert, z.B. durch modernere Motoren, energieoptimiertes Fahren, Energierückspeisung o.ä.? Auf welche Weise erhöht sich die Produktivität? Wie verkürzten sich Rüstzeiten? Welche zusätzlichen Umsatzpotenziale entstehen? Das sind die Fragen, die Kunden interessieren und daher sind sie idealerweise in der Argumentationskette zu berücksichtigen.

Hebel 5: Die Einwandvermeidung bereits vor dem Angebot erzeugen

In der Vertriebsschulung gibt es vermutlich kein Feld, das man mehr thematisiert als die Einwandbehandlung. Zu den Einwandklassikern gehören Argumente wie:

  • Vertrösten: Der Kunde hat das Angebot noch nicht gelesen.
  • Vertrösten: Der Kunde hat sich noch nicht entschieden.
  • Entscheidung wird auf einer anderen Ebene getroffen.
  • Ein anderer Entscheider auf Kundenseite präferiert das Wettbewerbsangebot.
  • Zu teuer: Wettbewerb hat tiefpreisiger angeboten.
  • Zu teuer: Budget oder Zielpreis passt nicht.
  • Liefertermin / Ausführungstermin ist zu lang.
  • Weniger müsste auch reichen oder mehr Leistung wäre notwendig gewesen.
  • Wettbewerbstreue: Wir kaufen wieder bei unserem Stammlieferanten.
  • Wir lösen das mit Bordmitteln oder die Investition ist verschoben.
  • Auftrag ist an einen Wettbewerber vergeben worden, der vergleichbar und günstiger angeboten hat.

Das Gros der Einwände und Sachverhalte dürfte es nach dem Angebot nicht geben, wenn die Qualität der vertrieblichen Einflussnahme vor dem Angebot auf dem notwendigen Niveau gewesen wäre. Welche Einwände kommen vor, die bereits im Anfragemanagement hätten geklärt sein können? Hier ist insbesondere die Einwandkompetenz zum inhaltlichen Vergleich aufzubauen und ein professioneller inhaltlicher Vergleich zu entwickeln. Wie argumentieren Sie höhere Preise? Was unterscheidet Sie vom Wettbewerb? Was können Sie besser, wo sind Sie schneller, effektiver und günstiger? Wo und wie rechnet sich die Leistung für den Kunden effektiv? Verbinde man die Argumente intelligent mit den Kundenanforderungen, erkennt der Kunde die Vorteile, die sich bieten. Das mindert die Einwandquote enorm.

Redekompetenz versus Fragekompetenz

Wann ist der Kunde am ehesten bereit, Informationen preiszugeben und vertriebliche Verbindlichkeit zuzulassen? Solange er etwas möchte – zum Beispiel ein Angebot. Im Vertrieb verschenken wir erhebliche Potenziale, wenn wir vor dem Angebot zu wenig fragen, uns zu schnell mit ungenauen Antworten zufriedengeben, zu wenig Einfluss nehmen und zu wenig Verbindlichkeit aufbauen.

Sehr gute Verkäufer müssen gut reden können! Wie oft hört man diesen Satz: „Der kann gut reden, der sollte in den Vertrieb gehen.“ Natürlich sollte ein Vertriebler drei Sätze geradeaus sprechen können. Aber viel wichtiger ist die Fähigkeit, gut zuhören zu können! Damit man etwas zum Zuhören hat, sollte man über eine ausgezeichnete Fragekompetenz verfügen, denn es gilt:

  • Wer fragt, der führt – und Verkaufsgespräche werden einfacher.
  • Der Redeanteil auf Kundenseite steigt – und Kunden fühlen sich besser abgeholt.
  •  Fragen öffnet den Kunden, zu viel reden verschließt den Kunden.

Entscheidend ist nicht nur der inhaltliche Ansatz der Frage, sondern vor allem deren Qualität. Um es mit Mark Twain zu sagen: „Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem fast richtigen Wort ist wie der Unterschied zwischen einem Gewittersturm und einem Glühwürmchen!“

Bildnachweis: kalinovsky/Depositphotos.com

Über den Autor

Ulrich Dietze Ulrich Dietze, Gründer und Geschäftsführer der Deutschen Vertriebsberatung GmbH, ist Experte für die Optimierung des Vertriebs. Er wurde mit dem Deutschen Trainingspreis des BDVT ausgezeichnet und ist Kooperationspartner von Verbänden wie VDMA, VDI und VTH. Ulrich Dietze ist auch Speaker und Mitglied im Verband „Die Familienunternehmer“ und Fördermitglied im Bundesverband der Vertriebsmanager für die Weiterentwicklung des Vertriebswesens.  www.deutschevertriebsberatung.de/
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