Das sind die wirklichen Aufgaben eines Unternehmers
Strategieentwicklung

Das sind die wirklichen Aufgaben eines Unternehmers

Stefan Merath
Am

Was gehört zu den wirklichen Aufgaben eines Unternehmers? Finanzplan erstellen und Kundenansprechen beispielsweise sind Tasks, die dem Geschäftsführer bzw. dem Vertrieb obliegen. Anders sieht es allerdings bei der Strategieentwicklung und Positionierung aus – diesen und weiteren Aufgaben sollte der Unternehmer permanent nachgehen.

Bitten Sie mal einen Unternehmer darum, die eigentlichen persönlichen Unternehmeraufgaben zu notieren. Wohlgemerkt, es geht nicht um die Tätigkeiten, die ein Unternehmer täglich ausführt, sondern um die generellen Aufgaben. Wer das hier liest und unternehmerisch tätig ist, sollte an dieser Stelle, noch bevor er weiterliest, möglichst vollständig aufschreiben, was seiner Ansicht nach diese Aufgaben sind.

Erfahrungsgemäß enthalten diese Listen so um die 30 bis 40 Einträge. In diesen Regionen liegt jedenfalls der Durchschnitt. Das Problem dabei ist: Man kennt sonst meist keine Person, die vierzig unterschiedliche Aufgaben in Spitzenqualität ausführen kann und dabei zumindest noch gelegentlich Familie oder Bett zu Gesicht bekommt!

Auch wenn vordergründig für die meisten Unternehmer Zeitmanagement das zentrale Problem zu sein scheint: Geht es hier mehr darum, Klarheit über die Aufgaben zu gewinnen. Es sind nur sieben Aufgaben, die ein Unternehmer, egal in welcher Branche, ausführen muss – diese allerdings in Spitzenqualität. Und wenn man sich auf nur sieben Aufgaben konzentriert statt auf 30 bis 40, dann bekommt man auch sein Zeitmanagement in den Griff.

Der Zweck des Unternehmens

Ein Arzt heilt Patienten in seiner Praxis, ein Schüler lernt in der Schule, ein Lehrer unterrichtet dort. Die Aufgaben sind durch den Zweck der jeweiligen Organisation und durch die Rolle, die man dort innehat, vorgegeben. Genauso ist es beim Unternehmer. Die ersten zwei Fragen, die sich daher stellen, sind Folgende:

  1.  Was ist der Zweck eines Unternehmens?
  2. Was ist die Rolle des Unternehmers im Unternehmen?

Schon über den Zweck eines Unternehmens herrscht keine Einigkeit. Insgesamt gibt es hier vier verschiedene Meinungen.

  • Die weitaus Verbreitetste ist, dass ein Unternehmen den Zweck hat, Gewinne zu erwirtschaften und damit das Vermögen der Anteilseigner oder Besitzer zu mehren. Dieses Konzept ist die Basis des vor allem in den USA verbreiteten Konzepts des Shareholder Value. Seit der Begriff des Shareholder Value in Deutschland verbrannt ist, wird häufiger auch von einer Steigerung des Unternehmenswertes gesprochen. Das klingt zwar hübscher, ist aber dasselbe.
  • Zweitens und vor allem in Deutschland fast im Grundgesetz verankert: Der Zweck der Unternehmen sei es, Arbeitsplätze zu schaffen. Ein gutes Unternehmen schafft möglichst viele Arbeitsplätze.
  • Drittens: Der Zweck eines Unternehmens ist es, seinen Kunden einen optimalen Nutzen oder Wert zu bieten bzw. seine Probleme zu lösen. Diese Haltung wird vor allem von Unternehmen im Umfeld der engpasskonzentrierten Strategie, aber auch von Managementgrößen wie Peter Drucker, Fredmund Malik und anderen propagiert.
  • Und beim vierten Ansatz sammeln sich all die, die sich nicht entscheiden können. So wurde schon in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts das Konzept der Stakeholder eingeführt, das zu den obigen drei Gruppen (Investoren, Mitarbeiter, Kunden) noch die Lieferanten, Banken, Berater, die Öffentlichkeit und weitere hinzufügt und feststellt, dass der Zweck eines Unternehmens sei, es möglichst allen recht zu machen. Der Punkt ist: „Everybodies darling is everybodies Depp“. Das gilt auch hier.
    Um zu einer Entscheidung zu kommen, was das primäre Ziel ist, auf das alle Handlungen ausgerichtet sind, genügt es jedoch, zu versuchen, einen Ursache-Folge-Zusammenhang zwischen den drei Zielen herzustellen:
  •  Kunden einen Nutzen zu bieten,
  • Gewinne zu machen und
  •  Arbeitsplätze zu schaffen.

Die einzig mögliche Reihenfolge ist: Wenn man den Nutzen für die Kunden erhöht, kaufen diese mehr ein. Dann benötigt man mehr Mitarbeiter und deshalb steigen die Gewinne. Damit wird dann auch die Entscheidung klar: Der primäre Zweck des Unternehmens ist es, die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen. Das mag Investoren und Bankern einerseits, sowie Sozialpolitikern und Gewerkschaften andererseits, nicht gefallen. Es deckt sich aber mit dem, was die erfolgreichsten Unternehmer und die wichtigsten Managementdenker herausgefunden haben: Wenn man sich primär auf den Nutzen für die Kunden konzentriert, folgen Gewinne und Arbeitsplätze automatisch nach.

Die Rolle des Unternehmers?

Das Unternehmen und der Unternehmer sind zwei unterschiedliche Dinge. Dieses Verständnis ist wichtig, weil viele Unternehmer ihre Firma selbst gegründet und von Beginn an alles gemacht haben. Zu diesem Zeitpunkt waren das Unternehmen und der Unternehmer (besser der Selbstständige) durchaus ein und dasselbe. War der Unternehmer im Urlaub, so war es auch der Betrieb. Wenn der Selbstständige zu diesem Zeitpunkt glaubt, er sei das Unternehmen, hat er nicht ganz Unrecht. Später, wenn das Unternehmen wächst, wird es ein eigenständiges Gebilde und die Rolle des Selbständigen ändert sich. In gewissem Sinne handelt es sich um einen verdeckten Berufswechsel.

Fügen wir nun diese beiden Erkenntnisse zusammen:

  1.  Das Unternehmen hat den Zweck, seinen Kunden einen Nutzen zu bieten.
  2. Der Unternehmer hat die Aufgabe, am Unternehmen zu arbeiten, statt im Unternehmen.

Dabei ergibt sich Folgendes: Das Produkt des Unternehmers ist das Unternehmen selbst. Der Unternehmer verkauft somit nicht Kleidung in einem Ladengeschäft, sondern er produziert ein System namens Unternehmen, in dem Kleidung verkauft (und dem Kunden ein Nutzen geboten) wird. Oder er berät nicht in einem Beratungsunternehmen, sondern er produziert ein System namens Beratungsunternehmen, das dem Kunden möglichst optimale Beratungsleistungen bietet.

Auch das Produkt, das der Unternehmer produziert, hat einen Kunden: Seinen Nachfolger. So, wie es die Aufgabe des Unternehmens ist, seinen Kunden einen optimalen Nutzen zu bieten, so ist es analog die Aufgabe des Unternehmers, seinem Kunden, das heißt seinem Nachfolger, einen optimalen Nutzen zu bieten. Das hat bei einem Verkauf aller Wahrscheinlichkeit nach einen gesteigerten Unternehmenswert zur Folge, ist aber etwas anderes als die anvisierte Steigerung des Unternehmenswerts. Das Ziel ist die Schaffung und Erhöhung des Nutzens für den Nachfolger.

Das einzige Ziel des Unternehmers, das sich direkt aus seiner Rolle ergibt, ist daher Folgendes: Ein Unternehmen zu schaffen, das seinem Nachfolger den größtmöglichen Nutzen bietet. Und dazu sind diese sieben Aufgaben erforderlich

  1. Erarbeitung, Überarbeitung und Verankerung der Werte und des unternehmerischen Traums
    Seneca brachte dies schon zum Ausdruck: „Wer nicht weiß, welchen Hafen er ansteuert, für den ist kein Wind ein günstiger.“ Sie müssen wissen, was den Nutzen ausmacht, welche Werte oder Motive dadurch erfüllt oder befriedigt werden. Sowohl für den Kunden des Unternehmens als auch für den Nachfolger. Und diese Werte sollten nach Möglichkeit identisch sein. Nur so kann man ein glaubwürdiges Unternehmen aufbauen. Dabei handelt es sich nicht um eine Aufgabe, die in einem eintägigen Visions-Workshop erarbeitet werden kann, sondern um eine permanente und fortwährende Aufgabe.
  2. Strategieentwicklung und Positionierung
    Darunter verstehen wir die grundsätzliche Ausrichtung des Unternehmens: Welche Stärken hat das Unternehmen? Welche Zielgruppe wird angesprochen? Was macht unser Unternehmen anders? Und darauffolgend die Frage: Wie bringt das Unternehmen das so in die Köpfe der Kunden, damit diese davon bewegt werden? Auch das ist eine permanente und fortwährende Aufgabe, die den unmittelbaren und direkten Kontakt zur Zielgruppe erfordert.
  3. Gewinnung und Bündelung „externer Energie“
    Richtige Mitarbeiter, Kapitalgeber, positive Öffentlichkeit. Das Unternehmen ist keine Veranstaltung nur des Unternehmers und des Kunden. Sonst wäre er Selbstständiger. Daher benötigt er die richtigen Mitarbeiter, Kapital und eine positive Öffentlichkeit. Das genau gilt es anzuziehen. Wer die ersten beiden unternehmerischen Aufgaben erfüllt hat, hat hier schon gute Karten und kann nun Sinn und Nutzen vermitteln. Auch das ist – wie alles andere – eine permanente und fortwährende Aufgabe.
  4. Periodische Müllentsorgung
    In allen lebenden Organismen – und ein Unternehmen ist ein solcher – sammelt sich Müll: Veraltete Produkte. Kunden, die nicht mehr zur Zielgruppe passen. Mitarbeiter, die die Entwicklung des Unternehmens nicht mehr mittragen. Sinnlose oder umständliche Prozesse. Das Problem dabei ist: Einige beginnen, den Müll zu lieben. Hier hängt der Arbeitsplatz an einem alten Produkt, dort erhöht ein umständlicher Prozess die Bedeutung eines anderen Mitarbeiters und an einer dritten Stelle kann ein Mitarbeiter vielleicht einfach besonders gut mit einem Kunden, der nicht mehr zur Zielgruppe passt. Und aus all diesen Gründen unterbleibt die Reinigung. Das regelmäßige Aufräumen und Entsorgen ist eine sehr wichtige, permanente Aufgabe des Unternehmers.
  5. Kontrolle
    Das Erste, was ein Unternehmer kontrollieren muss, ist, ob das Unternehmen seinen Zweck erfüllt, das heißt den Kunden einen Nutzen bietet. Und das kann nur der Kunde selbst verraten. Somit fängt dort die Kontrolle an, unmittelbar und direkt beim Kunden. Das Zweite ist die Frage, ob das Unternehmen morgen einen noch überragenderen Nutzen bieten wird. Erst in diesem Zusammenhang, und dem untergeordnet, sind Umsätze und Gewinne interessant. Das Dritte, das zu kontrollieren ist, ist ob Systeme geschaffen werden, mit denen das Unternehmen auch unabhängig vom Unternehmer funktioniert. Denn erst dann wird es attraktiv für einen Nachfolger.
  6. Permanente Entwicklung der eigenen Persönlichkeit
    Als Unternehmer steht man laufend vor neuen Herausforderungen. Alles ist im Fluss, der Markt, die Arbeitsformen, die Kommunikationskanäle, die politischen Rahmenbedingungen, die digitalen Entwicklungen … Daher sollten Unternehmer ein mindestens von 20 Prozent ihrer Zeit in Fortbildung und die Entwicklung ihrer Persönlichkeit investieren. Das würde bei einem 10-Stunden-Tag zwei bis dreieinhalb Stunden Lernen und Persönlichkeitsentwicklung bedeuten – und das täglich!
  7. Übergabe des Unternehmens an den Nachfolger
    Hier handelt es sich wohlgemerkt weniger um den konkreten Übergabeprozess – da können Experten später, wenn es so weit ist, passend weiterhelfen. Stattdessen geht es um eine ganz entscheidende Frage: „Für wen mache ich das hier eigentlich?“ Der Nachfolger sollte bereits vor dem inneren Auge auftauchen und gut konturiert sein. Nur so lässt sich bestimmen und permanent überprüfen, ob man unternehmerisch auf dem richtigen Weg ist. Der „auserwählte Nachfolger“ muss es später optimal nutzen können, was bedeutet, dass der Unternehmer daran arbeitet, sich selbst überflüssig und damit arbeitslos zu machen.

Finger weg von der Facharbeit, Finger weg vom Management

Nur diese sieben Felder gehören in das Aufgabengebiet des Unternehmers. Er ist nämlich weder fachlich der beste Mitarbeiter noch ist er der Manager der Organisation. Wer zu Beginn der Lektüre seine Liste mit den Unternehmeraufgaben erstellt hat, wird vermutlich eine Reihe anderer Tätigkeiten notiert haben. Vielleicht sowas wie beispielsweise:

  •  „Produkte verkaufen!“ – „Falsch. Ist die Aufgabe des Vertriebs.“
  • „Finanzierungsplan erarbeiten!“ – „Falsch. Ist die Aufgabe des Geschäftsführers.“
  •  „Beantragen finanzieller Förderung!“ – „Falsch. Ist die Aufgabe der Finanzabteilung.“
  •  „Mögliche Kunden ansprechen!“ – „Falsch. Ist die Aufgabe von Marketing und Vertrieb.“
  •  „Jahresabschluss erstellen!“ – „Falsch. Ist die Aufgabe des Geschäftsführers und der Finanzabteilung.“
  •  „Konflikte mit Kunden austragen!“ – „Falsch. Ist die Aufgabe der Geschäftsführung.“
  •  „Innerbetriebliche Organisation!“ – „Falsch. Ist die Aufgabe der Geschäftsführung und des Managements.“
  •  „Systeme schaffen!“ – „Falsch. Ist die Aufgabe der Geschäftsführung und des Managements.“

Nur die genannten sieben sind zu erledigen. Kontinuierlich und konsequent. Denn dann zieht man auch den idealen Nachfolger an, der das eigene Lebenswerk weiterführt!

Bildnachweis: istockphoto.com/Moon Safari

Über den Autor

Stefan Merath

Stefan Merath Der Stuttgarter Diplom-Soziologe Stefan Merath startet Anfang der 90er Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin durch. Danach macht er sich selbstständig und leitete seit 1997 vier eigene Unternehmen mit bis zu 30 Mitarbeitern, unter anderem die Unternehmercoach GmbH. Merath entwickelt mit den Jahren eine umfassende Methodik für seine Kunden, die durch eine Kombination aus unternehmerischer Erfahrung und einem intensiven Coaching befähigt werden, (wieder) ihren Traum zu leben. www.unternehmercoach.com
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