Weniger Fehlbesetzungen, mehr Wettbewerbsstärke: Der Job-Fit entscheidet
Nicht nur wegen der Fachkräftekrise, aber besonders ihretwegen, können sich Unternehmen Einstellungsirrtümer immer weniger leisten. Denn sie sind nicht nur für alle Seiten enttäuschend, sondern auch teuer, und das nicht nur in den direkten Kosten. Auch indirekt, wegen schlechter interner Performance, aber auch extern bei Kunden und Partnern, sind die finanziellen Folgen nicht selten dramatisch. Wie kann man Fehlbesetzungen vermeiden?
Soll das Risiko von Einstellungsirrtümern drastisch vermindert werden, genügt die vielerorts übliche Kombination von der Beurteilung der Unterlagen, einem Einstellungsinterview und fachlich orientierten Testverfahren keinesfalls. Es kommt auch auf profunde Einschätzungen der persönlichen und der kulturellen Passung an, die über den komplexen „Right-Fit“ der Bewerbenden entscheiden.
Was ist der Job-Fit?
Das Right-Fit-Prinzip bestimmt über drei Komponenten darüber, ob eine Einstellung erfolgswahrscheinlich ist. Auf diese wird weiter unten eingegangen. Beim Skill-Fit (den Hard Skills für eine Position) geht es um die fachliche Expertise, beim Culture-Fit darum, ob die Kandidaten kulturell mit dem Unternehmen, seinen Werten und Gepflogenheiten zusammenpassen.
Einem Profiling des Job-Fit, um den es in der Folge gehen soll, kommt deshalb eine unverzichtbare Rolle zu, weil es hierbei um die persönlichen Qualifikationen eines Bewerbers (den Soft Skills) jenseits der fachlichen geht. Schließlich stellt man auch kein wandelndes Lexikon als Lehrer an, dem es an grundlegenden sozialen Kompetenzen im Umgang mit Kindern fehlt.
Leider kommt man an die Wahrheit zu diesen Qualifikationen nicht so leicht wie beispielsweise mit einem simplen Test heran. Die meisten Menschen zeigen während ihres Bewerbungs- und Interviewprozesses nur einen Bruchteil dessen, was sie sind – vielleicht 10 Prozent. Ein Großteil ihrer Persönlichkeit, ihrer Vorlieben und ihrer Interessen bleibt unter der Oberfläche verborgen.
Welche drei Komponenten hat der Job-Fit?
- Berufliche und karrierebezogene Interessen: Ist die Person wirklich an dieser Art von Arbeit, den zugehörigen Aufgaben und Zuständigkeiten interessiert? Falls ja, wie sieht dieses Interesse aus? So sollte zum Beispiel eine Vertriebskraft zwar ganz trivial Freude am Verkaufen haben, es aber auch lieben, mit Menschen zu arbeiten und sie zu überzeugen. Auch ein gewisser Kampfgeist gehört dazu, besser als die Kollegen zu sein, oder bei kniffligen Kunden am Ball zu bleiben, statt woanders vermeintlich leichtes Geschäft zu suchen.
- Persönlichkeitsmerkmale: Erstrebenswert sind nicht Eigenschaften, die generell tauglich sind, sondern solche, die konkret zur Rolle passen, die es zu besetzen gilt. Ein guter Verkäufer ist nicht introvertiert, sondern ist begeisterungsfähig, geht gerne aus sich heraus und auf Menschen zu. Er ist optimistisch und geht mit Rückschlägen und Zurückweisungen so um, dass er doch noch gute Chancen auf ein Geschäft hat.
- Kognitive Fähigkeiten: Überraschend liegt der Fokus hier nicht zuerst auf der Intelligenz, sondern eher auf Lernstil, Lerngeschwindigkeit und der Informationsverarbeitung. Eine erfolgreiche Kraft im Vertrieb ist schnell und gut darin, Informationen zu verarbeiten, verfügt über eine soziale Ausrichtung. Anders wäre es bei einem Ingenieur, der eine starke Objektivität oder einer Führungskraft, die eine gewisse Durchsetzungsstärke haben sollte.
Welche Methoden bestimmen den Job-Fit?
Im Wesentlichen existieren drei Methoden, um den Job- Fit eines Kandidaten zu bestimmen: Wissenschaftlich eignungsdiagnostische Instrumente, teilstrukturierte Interviews sowie Rollenspiele und/oder Fallstudien. Dabei sollte jedes der eingesetzten Werkzeuge die drei kritischen Job-Fit-Fragen abdecken:
- Mentale Fähigkeiten – kann diese Person diesen Job leisten?
- Verhalten – besitzt diese Person die passenden Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale für diesen Job?
- Berufliche Interessen – will diese Person diesen Job leisten? Wird sie daran Freude haben?
Den Interviews kommt in diesem Komplex eine besondere Rolle zu. Die Fragen sind in der überwiegenden Zahl offen gestellt und lassen komplexere Antworten zu, um einen tieferen Einblick in die Persönlichkeit zu ermöglichen. Hier wieder einige Beispiele aus dem Vertrieb:
- Wie stellen Sie sich die für Sie optimale Kundenbeziehung bzw.
den optimalen Kundenkontakt vor? Welche Vorlieben haben
Sie diesbezüglich? - Wie gehen Sie normalerweise vor, um ein Netzwerk an Kontakten
und Kaufinteressenten aufzubauen? - Beschreiben Sie, welchen Stellenwert „Small Talk“ für Ihren Kontakt zu Kunden und Interessenten hat.
Hinzu kommen weitere Fragen, die die Persönlichkeit der Bewerber im Fokus haben:
- Mit welchen drei Adjektiven würden Sie sich am treffendsten selbst beschrieben sehen?
- In welchem Bereich sehen Sie bei sich den größten Spielraum für Verbesserungen?
- Nennen Sie mir eine Stärke, die Sie jetzt nicht besitzen, aber sehr gerne hätten.
- Welche Pläne haben Sie, diesen Punkt zu verbessern?
- Gibt es etwas, das Sie an sich gerne ändern würden? Was wäre das und warum würden Sie es gerne verändern?
Alle diese Fragen sind nicht willkürlich gestellt, sondern suchen nach Antworten, die für die konkret ausgeschriebene Stelle von Belang sind.
Was sieht der Job-Fit für eine Position aus?
Dem diagnostischen Job-Fit-Profiling sollte stets ein vorher festgelegtes Job-Profil vorgeschaltet sein. In der Praxis beschäftigt man sich dabei allerdings zu oft mit generell wünschenswerten Merkmalen wie z. B. „Teamfähigkeit“. Stattdessen geht es im Job-Profil aber in erster Linie darum, welche Tätigkeiten, Ziele und Erfolge diese Position ausmachen beziehungsweise erreicht werden sollen. Einmal definiert, ergeben sich daraus die notwendigen Fähigkeiten und passenden Persönlichkeitsmerkmale. Die dafür im Haus möglichen Verfahren sehen unter anderem so aus:
- Experteneinschätzungen: Ein strukturierter Fragebogen erhebt bei kenntnisreichen Stakeholdern (wie Vorgesetzte, Kollegen und HR-Experten) aus dem Umfeld der zu besetzenden Stelle, welche Anforderungen für den Erfolg dort welche Bedeutung haben.
- Interne Benchmarks: Bei Jobs mit messbaren Erfolgskriterien lassen sich bei bekannten Top-Performern Job-Fit-Merkmale herausarbeiten, die diese gemeinsam haben. Diese werden dann zu wichtigen Kriterien bei den Neueinstellungen.
- Externe Benchmarks: Ausgefeilte Bewertungsinstrumente enthalten oft eine Datenbank mit vorgefertigten Benchmarks, die für diese Position in der Branche Gültigkeit beanspruchen können. Diese können bei fehlenden internen Möglichkeiten oder zusätzlich zu diesen herangezogen werden.
So geht der Job-Fit!
Naturgemäß kann der Prozess des Job-Fit-Profilings an dieser Stelle nur in Grundzügen umrissen werden. Die nötigen diagnostischen Werkzeuge sind nicht immer leicht zu handhaben und sollten nur in kundigen Händen Verwendung finden. Man sollte sukzessive eine eigene Kompetenz im Betrieb aufbauen, die sich mit dem Job-Fit auskennt. Gehört der Job-Fit erst einmal zu den diagnostischen Standardverfahren, sinkt die Gefahr von Fehlbesetzungen und das Unternehmen gewinnt in allen Bereichen spürbar an Wettbewerbsstärke.
Bild: istockphoto.com/Jovanmandic
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