Wie Sie Missstände unter Kollegen am besten ansprechen
85% aller Probleme basieren auf fehlender oder schlechter Kommunikation. 85% von ihnen kann man durch eine angemessene Kommunikation lösen. Wie sieht diese konkret aus und welche Worte wählen Sie am besten?
Probleme löst man am besten, indem man darüber spricht. Doch was so leicht klingt, geht vielen nicht so einfach von der Hand. Manche Themen sind so unangenehm, brisant, persönlich oder berühren die Schamgrenze, dass die einfache Ansprache schwerfällt. Anbei einige Anregungen, wie Sie Ihre Hemmungen überwinden und auch heikle Dinge wie übergriffige Dominanz, Körpergeruch, ungepflegtes Aussehen, Diskriminierung und Prokrastination souverän und taktvoll ansprechen.
Sicher kennen auch Sie Situationen, in denen Sie sich scheuen, ein unangenehmes Thema direkt anzusprechen. Es gibt eine natürliche Hemmschwelle, jemandem womöglich zu nahe zu treten, sie oder ihn zu verletzen, missverstanden zu werden oder weil Ihnen selbst schlicht und einfach etwas peinlich ist. Erfahren Sie hier Wege, wie und Gründe, warum Sie aufrichtig und neutral auf Missstände zu sprechen kommen sollten.
1. Es geht um Ihre Interessen, Ihr Wohlbefinden und Ihre Zufriedenheit
Machen Sie sich bewusst, was es für Sie bedeutet, eine belastende Situation in der Zusammenarbeit auf Dauer hinzunehmen; zum Beispiel:
- immer wieder gegen Ekel ankämpfen zu müssen (zum Beispiel wegen Mund- oder Körpergeruch, eine verschmutzte Toilette);
- Kunden zu verlieren (Beispiel: unangemessene Kommunikation am Telefon, Empfang oder ungepflegtes Personal);
- laufend politische Statements Ihres Projektpartners abmildern müssen (zum Beispiel, um vor Geschäftspartnern keinen Gesichtsverlust zu erleiden);
- wegen eines Kollegen ständig unangenehm aufzufallen und belächelt zu werden (zum Beispiel weil er an unpassender Stelle flache Witze reißt oder stets antwortet, obwohl Sie gefragt wurden) oder
- sich für Ihr Team entschuldigen zu müssen (weil zum Beispiel wiederholt Fehler passieren, die Ihren Kunden oder Ihrer Abteilung teuer zu stehen kommen).
Möchten Sie diesen Preis wirklich zahlen?
2. Dass Sie ein Problem mit jemandem haben, ist dem anderen häufig gar nicht bewusst
Wer nichts merkt, wird von selbst auch nichts ändern. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie mit der Schilderung Ihrer Wahrnehmung erstmal Problembewusstsein schaffen:
- So nehmen Menschen, die in Jogginghosen zur Arbeit gehen, nicht wahr, dass sich jemand daran stören könnte. Selbst manche Modekataloge machen uns glauben, dass dieser Dress situationsunabhängig getragen werden kann. Sie wollen in den seltensten Fällen ärgern, sondern finden es einfach bequem und kommen gar nicht auf die Idee, dass Sie oder andere das unangemessen finden.
- Wenn jemand sein Leben lang nach „Männerart“ frei seinen schwarzen Humor auslebt, denkt er dabei nicht an diejenigen, denen seine Scherze irritieren oder sogar verletzen. Er macht es, weil er es nicht anders gewöhnt ist und sein bisheriges Umfeld dies tolerierte.
3. Mit Ihrer Offenheit tun Sie auch anderen einen Gefallen – nicht nur sich selbst
In den meisten Fällen sind Sie nicht der oder die Einzige, dem/der ein Verhalten, bestimmte Eigenschaften oder ein peinliches Malheur unangenehm auffallen. Andere merken das auch, mit der Folge, dass es dem Image der oder des Betroffenen schadet. Mit Ihrer Offenheit tragen Sie dazu bei, in Zukunft ähnliche Situationen und Konflikte zu vermeiden. Sie ersparen der Person weiteren Gesichtsverlust und schützen sie vor ernsteren Konsequenzen.
- Ihr dröhnender Kollege, der sich – seines unangemessenen Humors völlig unbewusst – immer nur wunderte, warum ihn andere oft wortlos stehen ließen, weiß nun, dass er mit etwas mehr Feingefühl auf seinen Wortwitz achten kann, um nicht mehr gemieden zu werden.
- Auch Ihrer neuen Büroassistentin ist ein offenes Gespräch über ihr unansehnliches Haar oder ihre verwaschene Kleidung sicherlich lieber als eine Kündigung unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand.
- Und wären nicht auch Sie froh, wenn man Sie auf den Ölfleck am Hosenbein oder die aufgeplatzte Naht am Ärmel aufmerksam machen würde, anstatt Sie den ganzen Tag so herumlaufen zu lassen?
Überwinden Sie Ihre eigene, innere Hemmschwelle
Mit der Zeit merken Sie, dass es sich lohnt, auch schwierige und in Verlegenheit bringende Themen offen anzusprechen und dafür gegebenenfalls ein vorüberziehendes, flaues Gefühl in der Bauchgegend in Kauf zu nehmen.
Bringen Sie Heikles und Unangenehmes am besten direkt auf den Tisch
Nutzen Sie die Macht des ersten Satzes. Peinlichkeiten und Konflikte lassen sich selten ganz vermeiden, durch die richtige Strategie aber deutlich verringern. Wenn Sie einen Missstand hingegen aus Scham oder eigenen Befürchtungen nicht ansprechen, spitzt sich die Situation zu. Je später man anfängt, desto mehr hat man aufzuräumen. Deshalb anbei folgende Spielregeln, um auch leidige Gesprächssituationen ohne größere Komplikationen zu bewältigen.
4. Bauen Sie nicht auf vage Gesten, sondern seien Sie eindeutig
Einem schlecht riechenden Kollegen eine Pflegeserie mit Duschbad und Deo zu schenken und zu hoffen, dass er den Hinweis versteht, ist
keine gute Idee. Vermeiden Sie Mehrdeutigkeit. Auch ein aufgerissenes Fenster ist missverständlich: Vielleicht wirken Sie müde und unkonzentriert und brauchen mehr Sauerstoff? Gesten bleiben unklar und sind deshalb oft folgenlos.
5. Schieben Sie Ihr Gespräch nicht auf die lange Bank
Vermeiden Sie, dass sich negative Gefühle anstauen und falsche Verhaltensweisen einschleifen. Je früher ein unangenehmes Thema angesprochen wird, desto einfacher findet sich eine Lösung, desto eher verhindern Sie eine Eskalation.
- Ihr Teampartner, der jahrelang unbeanstandet für Sie mitgedacht, mitgeredet und mitentschieden hat, kann dieses eingeschliffene Verhaltensmuster nur mit großem Aufwand ändern. Wem Sie dagegen von Anfang an klare Grenzen setzen, der wird seine Übergriffigkeit bald von selbst einstellen.
- Wenn Sie selbst bereits vor Wut kochen, ist es schwierig, ein höfliches und entspanntes Gespräch zu führen. Im Eifer des Gefechts gibt oft ein Wort das andere und es fliegen die Fetzen. Das bedeutet nicht, dass Sie Themen, die schon lange in Ihnen gären, nicht mehr ansprechen dürften. Bereiten Sie sich in diesem Fall allerdings besonders gründlich auf die Auseinandersetzung vor und formulieren Sie Ihre Argumente.
6. Überlegen Sie, wer Sie bei der Klärung unangenehmer Themen unterstützen kann
Nicht jeden Fall müssen Sie allein lösen. Manchmal ist es weniger spannungsgeladen, wenn eine dritte Person die Moderation eines solchen Gesprächs übernimmt.
Freund oder „Feind“?
Manchmal ist die Geschlechterfrage berechtigt, wenn es darum geht, wer welche Themen am besten ansprechen und von wem die Punkte neutral angenommen werden können. Auch Sympathie und Antipathie, Glaubwürdigkeit, Distanz und Vertrautheit zum Gesprächspartner beeinflussen den Gesprächsverlauf. Von zugetanen Kolleginnen und Kollegen oder Externen erwartet man, dass sie auch negative Angelegenheiten wertschätzend und wahrheitsgetreu platzieren. Auch dann hört man Kritik nicht gern, aber man darf immerhin darauf vertrauen, dass das Gespräch zum Wohle aller ausgehen soll.
Kritisiert dagegen eine autoritäre, verschlossene oder unsympathische Person, fühlt man sich leichter verunsichert, ungerecht behandelt oder angegriffen. Das Risiko, dass das Gespräch eskaliert, wächst dadurch unnötig. Leiden mehrere Personen unter einer Situation – zum Beispiel unter der maßlosen Dominanz eines Kollegen –, ist es immer am günstigsten, wenn diejenige Person das Thema anspricht, die das beste Verhältnis zu ihm hat.
Gleichzeitig gilt Vorsicht! Das Delegieren unangenehmer Gespräche kann ein Problem durch die Einbeziehung weiterer Personen unnötig aufbauschen. Wägen Sie daher sorgfältig ab, mit wem und auf welche Weise Sie Ihrem Gegenüber den größeren Dienst erweisen beziehungsweise was für ihn das kleinere Übel ist.
7. Sprechen Sie in entspannter Atmosphäre miteinander
Schaffen Sie eine möglichst günstige Gelegenheit und Atmosphäre, in der Sie und Ihr Gesprächspartner nicht unter Druck stehen und die Grundstimmung zwischen Ihnen zumindest neutral ist. Denn wenn ein schwieriges Thema auch noch durch schlechte Rahmenbedingungen aufgeheizt wird, ist ein Konflikt vorprogrammiert. Schnell wird ein Gespräch als Niederlage, Blamage oder Kritik wahrgenommen.
8. Bleiben Sie leise, locker und offen
Je selbstverständlicher Sie mit einem Thema umgehen, desto weniger dramatisch und peinlich berührt fühlen auch die Angesprochenen. Beschreiben Sie einen Missstand als Beobachtung und Wahrnehmung. Auch wenn Sie hier nicht urteilsfrei sind, können Sie auf Vorwürfe verzichten und rüberbringen, dass Sie dies als Versehen werten.
- „Schade, dass Sie die Leistung unseres Qualitätsbeauftragten aufgrund seiner Behinderung so wenig achten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es ein Privileg sein kann, unterschätzt zu werden. Lassen Sie sich von seinen Ergebnissen mal ordentlich überraschen.“
9. Stehen Sie zu Ihren unguten Gefühlen
Eigene Bedenken, Ängste und Befürchtungen lassen sich nicht einfach wegzaubern und schwingen in solchen Gesprächen unterschwellig mit. Um die Atmosphäre dennoch so ungezwungen wie möglich zu belassen, bekennen Sie sich gleich zu Anfang offen zu Ihren unguten Gefühlen:
- „So ein Gespräch führe ich auch nicht gern. Um das schnell hinter uns zu bringen, komme ich gleich zum Punkt …“
- „Diese schlechte Nachricht steht im Raum … und ich möchte, dass wir jetzt gemeinsam eine Lösung finden.“
Ist die eigene Hemmung erst einmal ausgesprochen, können Sie sie innerlich abhaken und Ihre volle Aufmerksamkeit dem eigentlichen Problem zuwenden. Auch Ihr Gegenüber wird Ihr Eingeständnis in der Regel als positiv werten, denn es zeigt ihm, dass Sie es sich nicht leicht machen, sondern neben ihm stehen und Ihnen die gemeinsame Lösungssuche am Herzen liegt.
10. Sprechen Sie Klartext
Wenn Sie sich überwunden haben, einen Missstand anzusprechen, benennen Sie klar und deutlich,
- was Sie stört bzw. schief gelaufen ist,
- warum es aus dem Weg geschaffen werden muss und, sofern das nicht auf der Hand liegt, welche Lösung Sie sich von diesem Gespräch erwarten beziehungsweise erhoffen, warum auch der Betroffene Vorteile davon hat, wenn er Ihren Hinweis annimmt.
11. Bleiben Sie fair
Trennen Sie eindeutig zwischen der Person und dem konkreten Verhalten oder dem Ereignis, das Ihren Unmut hervorgerufen hat. Urteilen Sie über den anderen, denn damit verletzen Sie ihn und provozieren seinen Widerstand. Deshalb ist es wichtig, sehr genau auf Ihre Sprache zu achten. Streichen Sie negative Aussagen, die mit „Sie sind …“ beginnen und nutzen Sie konsequent Beobachtungen und Ihr eigene Wahrnehmung.
Anbei einige Musterbeispiele:
Schlecht: „Sie kleiden sich wie…“
Besser: „Meiner Ansicht nach passt Ihr Kleidungsstil nicht zu Ihrer Rolle in unserem Betrieb.“ „Ich finde, dass Ihre Hosen abgetragen wirken.“
Schlecht: „Sie sind völlig distanzlos.“
Besser: „Ich empfinde Ihr schnelles Eingreifen in meinen Kundendialog als unangenehm und komme mir vor, als hätte ich nichts zu dem Projekt beizutragen.“
Auch voreilige Interpretationen sind gefährlich und wirken schnell wie Schuldzuweisungen:
Schlecht: „Sie sollten sich, unmittelbar bevor Sie ins Büro kommen, duschen.“
Besser: „Ich bemerke in letzter Zeit häufiger, dass Sie abgehetzt und verschwitzt im Büro erscheinen.“
Schlecht: „Sie wollen mich klein machen.“
Besser: „Mir ist es wichtig, für mich selbst zu sprechen. Wenn ich das Gefühl habe, dass Sie etwas ergänzen können, werde ich gern zu Ihnen überleiten.“
12. Legen Sie den Schwerpunkt auf Ihre Bedürfnisse
Stellen Sie nicht die Kritik am anderen, sondern Ihre persönlichen Bedürfnisse in den Vordergrund. Wenn Ihr Gegenüber Ihr Problem sachlich nachvollziehen kann, ist sie oder er eher bereit, Ihnen entgegenzukommen. Wer sich weniger angegriffen fühlt, muss auch nicht scharf zurückschießen.
- Ihre Teamkollegen werden sich eher dazu durchringen, gegen ihre Gewohnheit im Anzug aufzutreten, wenn Sie ihnen plausibel erklären können, weshalb Ihnen das so wichtig ist: „Mir ist es unangenehm, wenn wir schlechter gekleidet sind als unsere Geschäftspartner und deswegen negativ auffallen.“
- Ein „Nehmen Sie Ihre Hand da weg!“ trifft hart, wenn man sich bei einer Berührung nichts Böses gedacht hat. „Ich mag es nicht, wenn mir jemand so nahe kommt“ ist dagegen eine völlig neutrale und wertfreie Aussage, die nicht verletzt.
13. Fassen Sie sich kurz
Unangenehme Themen breitzutreten, auszuholen und in der Vergangenheit zu verharren, macht eine Sache nur komplizierter. Taktvoller ist es nach Platzieren der Botschaft, zu einem unverfänglicheren Thema zu wechseln und dem anderen erst einmal Zeit zu geben, das Gesagte zu verdauen und seine persönlichen Konsequenzen daraus zu ziehen.
Bild: despositphotos.com/Syda_Productions
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