Die Rolle des Unternehmenszwecks in der modernen Geschäftswelt
Die Identifikation des eigenen Unternehmenzwecks, dem sogenannten Purpose, und Formulierung eines griffigen Statements ist bereits nicht trivial und stellt viele Unternehmen vor Herausforderungen. Die eigentliche Herkules-Aufgabe liegt aber nicht in der Entwicklung einer Purpose-Positionierung, sondern beginnt mit der Aktivierung nach innen und außen.
Für Unternehmen reicht es heute nicht mehr aus, nur Profit zu machen. Längst geben sich viele Unternehmen auch einen Purpose, einen Existenzgrund. Dieser tiefere Sinn soll zeigen, wo das Unternehmen einen positiven Einfluss ausübt. Das ist beispielsweise die Drogeriekette, die nicht nur Produkte und Dienstleistungen für Gesundheit, Schönheit und Haushalt anbietet, sondern auch Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Bildung fördern möchte. Oder der Sportartikelhersteller, der schlicht und einfach feststellt: „Durch Sport können wir Leben verändern.“
Unternehmen mit einem klar kommunizierten und glaubwürdigen Purpose haben das Potenzial, schwierige Transformationsprozesse besser zu meistern, überdurchschnittlich zu wachsen und innovativer sowie produktiver als der Wettbewerb zu agieren – das belegen diverse Studien, Marktbeobachtungen und Erfahrungen aus erfolgreichen Purpose-Projekten. Multivariate Datenanalysen von Globeone zeigen zudem, dass Purpose-relevante Imagedimensionen mehr als 40 Prozent der positiven Wahrnehmung eines Unternehmens ausmachen. Von der positiven Wahrnehmung der Zielgruppen hängt somit ein großer Teil des Markterfolgs ab.
Ein glaubwürdiger Purpose ist folglich eine große Chance für Unternehmen, sich in der öffentlichen Wahrnehmung positiv zu positionieren, Mitarbeiter langfristig zu binden, neue Talente zu gewinnen, Transformationen voranzutreiben und sich insgesamt wirtschaftlich zukunftsfähig aufzustellen. Anbei fünf Aspekte, die Unternehmen beachten sollten, wenn sie ihren Purpose erfolgreich aktivieren und eine zukunftssichere Organisation damit schaffen möchten.
1. Purpose als Sinnanker in Transformation nutzen
Öffentlichkeit, Kunden und Mitarbeitende wünschen sich sehr, dass Unternehmen zu gesellschaftlich relevanten Fragestellungen Maßgebliches beitragen. Denn das Vertrauen in die staatlichen Institutionen und die Politik ist geschwächt. Immer weniger Bürger trauen dem Staat zu, für die großen Herausforderungen wie dem Klimawandel die notwendigen Lösungen bereitstellen zu können. Gleichzeitig steigen die Erwartungen an Unternehmen, die entstandene Lücke zu füllen.
Für viele Unternehmen stellt sich deshalb die Frage, wie sie sich zukünftig aufstellen sollen, um den steigenden Anforderungen von Interessengruppen zu genügen und einen messbaren gesellschaftlichen Beitrag leisten zu können. Was ist beispielsweise mit Geschäftsfeldern, die als nicht nachhaltig gelten? Transformieren, abspalten, verkaufen oder beibehalten? Bei einigen Großkonzernen mit weniger nachhaltigen Geschäftsbereichen haben Investoren bereits auf rasche Abspaltungen konventioneller Bestandteile gedrängt, um Konzerne auch im Sinne der künftigen EU-Taxonomie schnell „grün“ werden zu lassen. Auch KMU stehen angesichts steigender Nachhaltigkeitsanforderungen vor Richtungsentscheidungen.
Ein eng mit der Strategie verknüpfter Purpose weist in der Portfolio-Frage den Weg – hin zu einer zukunftsfähigen Positionierung und hin zu einer nachhaltigen Transformation des Geschäftsmodells. In Zeiten des Umbruchs und des Wandels entfaltet er sein strategisches Potenzial, weil er Orientierung gibt und klar aufzeigt, warum und mit welchem Ziel das Unternehmen eine Transformation durchläuft. Da Transformationen in Branchen wie Automobil, Chemie oder Energie mitunter zehn und mehr Jahre dauern, ist ein starker Purpose als Sinnanker insbesondere in schmerzhaften Transformationen von großem Wert.
2. Purpose fest im Geschäftsmodell integrieren
Ein sinnvoller Purpose lässt sich nicht getrennt von der Vision, der Mission und den Werten eines Unternehmens entwickeln. Auch wenn man gerne über die Nuancen fachsimpelt, die Grundfunktionen sind klar gefasst: Die Vision beschreibt das langfristige strategische Zielbild. Die Mission beschreibt, was das Unternehmen in Abgrenzung zum Wettbewerb konkret macht. Dem Purpose fällt hingegen die Rolle zu, das Warum – dem höheren Zweck der Unternehmung – zu beschreiben. Darin sind neben den Kunden und Partnern explizit auch die Umwelt und andere gesellschaftliche Zielgruppen zu erfassen.
Purpose braucht klaren Bezug zum Geschäftsmodell, den wohlklingenden Worten müssen konkrete Pläne und messbare Taten folgen. Andernfalls läuft das Unternehmen Gefahr, als „Purpose-Washer“ bezichtigt zu werden. Der Bezug zu den Werten ist ebenfalls wichtig: In guten Modellen besteht eine enge logische Verbindung zwischen den Unternehmenswerten sowie Purpose, Vision und Mission.
Merke: Wer Purpose entwickelt, der wird in der Regel auch die anderen Elemente anfassen müssen. Gute Beispiele für integrierte Konzepte finden sich beispielsweise bei Porsche oder DHL.
3. Purpose täglich im Top-Management leben
Viele einflussreiche CEOs sind inzwischen wahre Purpose-Fans geworden, weil sie erkannt haben, dass sich große Organisationen über Purpose besser motivieren und steuern lassen – darunter neben Tech-Pionieren wie Apple und Google auch große Schlachtschiffe wie BestBuy oder die Deutsche Telekom.
Ist ein guter, glaubwürdiger Purpose gefunden und sicher im Unternehmen sowie im Geschäftsmodell verankert, gibt es in der Innen- und Außendarstellung auch kaum einen Grund für bescheidene Zurückhaltung. Wie auch der in Deutschland regelmäßig von Globeone erhobene Purpose Readiness Index (PRI) zeigt, kann ein Unternehmenszweck nur dann seine volle Wirkung entfalten, wenn das Top-Management ihn immer wieder aufgreift, umsetzt und tief in die Organisation trägt.
CEOs sollten Purpose daher zur Basis ihrer Kommunikation machen. Mit der jährlichen Rede auf der Hauptversammlung, einigen kurzen Statements in Presseerklärungen und ein paar Interviews im Mitarbeitermagazin ist es nicht getan. CEOs beeinflussen als Imageträger maßgeblich das Meinungsbild von Unternehmen und prägen die Marke – auch mit ihrer Art und Weise, wie sie selbst Purpose thematisieren und leben – „authentic leadership“ lautet hier das Schlagwort.
Besonders wichtig ist es, die mittlere Managementebene als Bindeglied zwischen Unternehmensführung und operativen Mitarbeitern immer wieder in die Pflicht zu nehmen und zu aktiven Botschaftern der Purpose-Positionierung zu machen. Durch ihr eigenes Verhalten und ihre Entscheidungen demonstrieren die Führungskräfte im mittleren Management, was Purpose im Unternehmen in der täglichen Praxis bedeutet.
4. Mit Purpose eine starke Unternehmenskultur schaffen
Die Kultur eines Unternehmens beschreibt, wie sich die Organisation, ihre Führungskräfte und ihre Mitarbeiter im Arbeitsalltag verhalten und wie sie kommunizieren – auch dann, wenn kein Vorgesetzter zuschaut. „Culture eats strategy for breakfast“, heißt ein berühmtes Zitat des Managementdenkers Peter F. Drucker. Will heißen: Ohne Kultur lässt sich auch die beste Strategie nicht umsetzen. Eine gesunde Unternehmenskultur ist die treibende Kraft einer Organisation. Diese treibende Kraft lässt sich aber nicht einfach von oben verordnen. Es reicht nicht aus, Werte lediglich zu bestimmen und sie nach innen und außen zu kommunizieren. Unternehmen, die bei der bloßen Definition von Werten stehenbleiben, täuschen sich mit reinen Lippenbekenntnissen selbst.
Von einer wertebasierten Unternehmenskultur lässt sich erst sprechen, wenn
1. wichtige Verhaltensweisen und Prinzipien,
2. Prozesse sowie
3. Symbole
in der täglichen Arbeit an den definierten Werten orientiert sind.
Kulturwandel selbst ist ein langwieriger, iterativer Prozess und gelingt meist am ehesten über gezielte Interventionen. Die Werte der Unternehmenskultur können dabei den Purpose des Unternehmens mehr oder weniger unterstützen. Rund ein Viertel der typischen Werte, die sich Organisationen selbst geben, stehen in Bezug zu Purpose. Das sind zum Beispiel die Werte Nachhaltigkeit, Neugier, Innovationsfreude, Inspiration, Idealismus oder etwa Respekt, Fairness und Zusammenarbeit. Eben diese Werte stehen aktuell im Zentrum von Kulturprojekten in vielen großen Organisationen. Idealerweise sollten Purpose, Kultur und Strategie eng miteinander verknüpft sein. Leider sind sie es in der Realität im Kompetenzgerangel der Abteilungen und Bereiche selten.
5. Purpose für das Employer Branding nutzen
Der „War for talents“ steht für den immer schärfer ausgetragenen Kampf von Unternehmen um Nachwuchs und Talente. Viele Unternehmen stufen das Thema bereits als sehr ernstes Risiko ein. Employer Branding hat sich im globalen Ringen um die besten Köpfe damit zu einer strategischen Notwendigkeit entwickelt, die inzwischen auch von vielen Aufsichtsräten forciert wird. Gleichzeitig ist aus zahlreichen Studien bekannt, dass immer mehr Arbeitnehmer hohen Wert auf einen gesellschaftsrelevanten Sinn ihrer Tätigkeit legen.
Bereits 2018 haben neun von zehn Angestellten in den USA in einer Befragung bestätigt, dass sie auf Geld verzichten würden, wenn ihr Job dadurch sinnvoller würde. Immerhin 70 Prozent der „Millennials“ haben 2020 in einer weiteren Umfrage angegeben, dass sie von ihren Arbeitgebern erwarten, soziale und umweltbezogene Probleme zu adressieren. Und Untersuchungen von Heidrick & Struggles haben ergeben, dass 73 Prozent der Mitarbeiter, die angeben, in einem zielorientierten Unternehmen zu arbeiten, sich engagiert fühlen, verglichen mit nur 23 Prozent derjenigen, die dies nicht tun.
Im Wettbewerb um Fachkräfte hat sich Purpose längst als differenzierender „Value“ in der Arbeitgeberpositionierung etabliert.
Das Problem: In den gängigen Modellen der sogenannten Employer Value Proposition (EVP), dem Arbeitgeberversprechen von Vorteilen und Werten, spielt Purpose oftmals kaum keine Rolle. Unternehmen verschenken hier riesige Potenziale, wenn ihr Employer Branding nicht Purpose-getrieben ist. Und das meist nur, weil die zuständigen Bereiche mitunter nicht eng zusammenarbeiten. Für die Arbeitgebermarke kann jedoch ein glaubwürdiger, integrierter Purpose großen Mehrwert schaffen – schließlich steht er für den Sinn, nach dem viele Arbeitnehmer suchen.
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