Wie Unternehmen Mehrfachinsolvenzen vermeiden können
Strategien gegen den Zahlungsausfall

Wie Unternehmen Mehrfachinsolvenzen vermeiden können

Porträtfoto von Simon Leopold, Unternehmensberater und Geschäftsführer der ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG
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Die aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Rahmenbedingungen machen es vielen Firmen nicht leicht. Jedoch sind es oft interne Schwierigkeiten, die schließlich die Solvenz bedrohen. Eine Sanierung ist meist eine gute Basis für den weiteren Unternehmenserfolg. Doch selbst wenn die Neuaufstellung zunächst gelingt, kann es zu einer erneuten Insolvenz kommen - siehe Galeria Karstadt Kaufhof.

Um solche Mehrfachinsolvenzen zu vermeiden, muss eine Sanierung bis tief in Struktur und die Geschäftsprozesse eines Unternehmens vordringen. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) stieg die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland im September 2023 um fast 20 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Und die Fälle nehmen weiter zu: Der IWH-Insolvenztrend zeigt im Oktober sogar 44 Prozent mehr Insolvenzen als im Vorjahreszeitraum. Das IWH rechnet in den nächsten Monaten mit einem weiteren Anstieg. Ein Grund: Die weltweit schlechte Zahlungsmoral, unter anderem aufgrund von Kriegen sowie Preis- und Zinssteigerungen.

Hinzu kommen die trübe Wirtschaftslage und der zunehmende Preis- und Verdrängungswettkampf in vielen Branchen angesichts von Digitalisierung sowie Energie- und Mobilitätswende. Viele von Zahlungsschwierigkeiten betroffenen Unternehmen sind dabei nicht zum ersten Mal insolvent. Regelmäßig kommt es auch zu Mehrfachinsolvenzen. Gründe dafür liegen sicherlich auch in den komplizierten externen Rahmenbedingungen – häufig aber in den Unternehmen selbst. An prominenten Beispielen wiederholter Insolvenzen mangelt es dabei nicht.

Von Warenkonzern bis Einzelhandel – bekannte Mehrfachinsolvenzen

Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof musste Ende 2022 zum zweiten Mal Insolvenz anmelden. Kurz nach der Fusion von Karstadt und Kaufhof wurde Galeria 2020 erstmals insolvent. Die Liquiditätsprobleme kamen vorrangig durch coronabedingte Schließungen zustande. Ende Oktober 2022 war das Warenhaus dann erneut zahlungsunfähig und suchte Rettung in einem Schutzschirmverfahren. Anfang 2024 hat es erneut einen Insolvenzvertrag gestellt. Auch die Back-Kette Lila Bäcker musste zuletzt aufgrund gestiegener Kosten und der Zurückhaltung der Kunden zum zweiten Mal nach 2019 Insolvenz in Eigenverwaltung beantragen.

Besonders betroffen von der sinkenden Kaufkraft ist der Textileinzelhandel. Unter anderem die Modehersteller Gerry Weber und Zapata waren aufgrund dessen wiederholt zahlungsunfähig. Sowohl die Muttergesellschaft Gerry Weber International AG als auch die Gerry Weber Retail GmbH hatten im Jahr 2019 erstmals einen Insolvenzantrag gestellt.

Beide gerieten 2023 nochmals in die Krise. Auch Modehändler Zapata musste nach seinem ersten Insolvenzverfahren 2016 aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen des Handels 2022 ein weiteres durchlaufen. Das Unternehmen war schließlich gezwungen, seinen Betrieb einzustellen.

Wie kommt es zu Mehrfachinsolvenzen?

Wie kann es sein, dass Unternehmen nach Aufhebung eines Insolvenzverfahrens kurze Zeit später wieder Insolvenz anmelden müssen? Hinter solchen Mehrfachinsolvenzen stecken zahlreiche Gründe: Teilweise reagieren Unternehmer zu spät auf eine Krise. Häufig erneuert man dann zu oberflächlich, sowie zu kurz geplant und gedacht. So wird meist zwar der Liquiditätsengpass behoben, doch das Grundproblem bleibt. Zudem halten viele Geschäftsführer an alten Geschäftsmodellen fest, die häufig im Rahmen der Sanierung nicht hinterfragt werden.

Aber auch eine fehlende oder nicht gezielte Kommunikation neuer Ziele und Herangehensweisen – etwa an Führungskräfte oder Mitarbeiter –, ein mangelndes Controlling der Sanierungsmaßnahmen und nur sporadische Veränderungen führen zu einem halbherzigen Ergebnis. Die Folge: Die Sanierung ist nicht nachhaltig.

Einstellungen, die zu wiederholten Insolvenzen führen:

„Eine Krise muss schnell und möglichst unauffällig behoben werden“

  • Nach der Insolvenz folgt das große Aufatmen …
  • Nicht selten kommt es zum Rückfall in alte Gewohnheiten
  • Die Neuausrichtung wird nur oberflächlich angegangen

„Nach der Insolvenz wird das Unternehmen bestimmt wieder gute Umsätze machen“

  • Erwartungen an künftige Umsätze werden oft zu hoch eingeschätzt
  • Unternehmen können die Vorgaben später nicht erfüllen

„Um die Zahlungsunfähigkeit zu überwinden, müssen doch nur die Finanzen optimiert werden“

  • Es werden allein finanzwirtschaftliche Anpassungen vorgenommen
  • Leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen werden außer Acht gelassen
  • Der Kern des Unternehmens – Geschäftsmodell, die Struktur – bleibt unberührt

Die Stadien einer Unternehmenskrise: Der Ursprung sitzt tief

Doch wie kommt es zu der Einstellung, dass Krisen vor allem schnell und finanzwirtschaftlich überwunden werden müssen? Zum einen ist mit einer Insolvenz immer noch ein Stigma verbunden. Vielen Unternehmern ist eine Zahlungsunfähigkeit unangenehm und es wird vorgezogen, eine solche möglichst still und schnell über die Bühne zu bringen. Die Umsetzung leistungswirtschaftlicher Ansätze kann zwei bis drei Jahre dauern – was oft entsprechend als zu lang empfunden wird. Die lahmende Konjunktur, die Disruption in vielen Branchen und die Zurückhaltung der Banken können weitere Treiber von wiederholten Insolvenzen sein.

Generell lässt sich eine Unternehmenskrise, wie es auch der Deloitte Restructuring Report 2021 getan hat, in verschiedene Stadien unterteilen:

  1.  Stakeholder-Krise
  2. Strategiekrise
  3. Produkt- und Absatzkrise
  4. Ertragskrise
  5. Liquiditätskrise

Prinzipiell lassen sich die Krisenstadien als Faktoren der jeweiligen Unternehmens-Schieflage ansehen. Je niedriger dabei die Zahl des Stadiums, desto tiefer liegt die jeweilige Krisenursache im Kern des Unternehmens vergraben. Laut den Studienmachern werden Restrukturierungen oft zu früh beendet, sodass nur die akuten Auswirkungen der Krise, aber nicht ihre Ursachen beseitigt werden können: 83 Prozent der Befragten meinen, dass in den meisten Restrukturierungen die Liquiditätskrise behoben werden kann, 66 Prozent sehen auch gute Chancen für die Beseitigung der Ertragskrise. In vielen Fällen werden allerdings die Stakeholder-, Strategie-, Produkt- und Absatzprobleme vernachlässigt oder gar nicht angesprochen.

Nur finanzielle Konzepte reichen nicht

Für einen nachhaltigen Sanierungserfolg ist daher wichtig, alle Krisenstadien – und damit Ursachen – zu bedenken. Sanierungen müssen tiefer ansetzen und nicht nur finanzielle Konzepte in den Vordergrund stellen. Nachhaltig ist eine Sanierung nur dann, wenn außerdem betriebs- und leistungswirtschaftliche Themen auf den Prüfstand kommen.

Die Schwierigkeit liegt teils auch im schleichenden Entstehen einer Krise. Wo sich die Auswirkungen einer Ertrags- und Liquiditätskrise schlicht nicht mehr ignorieren oder übersehen lassen, manifestieren sich die Probleme im Rahmen von Strategie- und Stakeholder-Krise erst mit der Zeit und dann meist in Form der anderen Krisenphasen. Deshalb fällt es Unternehmern oft schwer, zu erkennen, wo die eigentlichen Anfänge der Talfahrt lagen; und was entsprechend angegangen werden muss.

Ende der Insolvenz ≠ Ende der Restrukturierung

Aber auch wenn finanz- und leistungswirtschaftliche Maßnahmen ausgearbeitet werden, fängt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die eigentliche Arbeit erst an: Die kontinuierliche Umsetzung. Hier passiert es oft, dass Unternehmer erst einmal durchatmen und schnell wieder in alte Muster verfallen. Stattdessen müssen die geplanten Maßnahmen zeitnah im Unternehmen kommuniziert und umgesetzt werden. Denn: Die Krisengefahr ist nach der Insolvenz nicht abgewendet, die Sanierung noch nicht beendet.

Im Gegenteil – nachhaltiger Erfolg kommt durch die konsequente Überwachung, Weiterentwicklung und Umsetzung der erarbeiteten Konzepte. So werden sowohl akute Liquiditätsprobleme behoben als auch tiefergreifende unternehmensinterne Strategien optimiert und der Betrieb für die Zukunft gerüstet.

Erfolgsfaktoren einer strategischen Unternehmenssanierung

Eine nachhaltige Unternehmenssanierung sollte daher in den Kern des Betriebs eindringen und dessen Strategie hinterfragen. Alle Geschäftsbausteine müssen geprüft und gegebenenfalls angegangen werden, damit die Sanierung nicht nur oberflächlich passiert.

Dazu sollte die Sanierung früh angepackt und die Krise zeitnah eingestanden werden. So können Unternehmen alle Betroffenen rechtzeitig informieren, sich mit ihnen über das weitere Vorgehen abstimmen und professionelle Partner ins Boot holen.

Dabei sollte die Situation offen und realistisch betrachtet werden. Ursachen und Rahmenbedingungen zu benennen, Versäumnisse einzugestehen und eingeleitete Maßnahmen transparent darzustellen, sind wichtige Schritte im Insolvenzverfahren. So können die Glaubwürdigkeit der Umsetzung und das Vertrauen der Beteiligten gewährleistet werden. Zudem sollten anfangs Stärken- und Schwächenanalysen sowie Branchen- und Marktanalysen durchgeführt werden, um klare Ziele und präzise Sanierungsmaßnahmen festlegen zu können.

Die fünf Stadien der Unternehmenskrise und ihre Indikatoren

  1. Stakeholder-Krise: Konflikte zwischen Stakeholdern, überholtes Leitbild, Abnahme der Leistungsbereitschaft.
  2. Strategiekrise: Gefährdung langfristiger Erfolgsfaktoren, mangelhafte strategische Ausrichtung, keine Innovationen.
  3. Produkt- und Absatzkrise: Dauerhafter Rückgang der Nachfrage, unzureichendes Marketing- und Vertriebskonzept, Qualitätsprobleme.
  4. Ertragskrise: deutliche Gewinnrückgänge, Preis- und Nachfragerückgang, Kostensteigerungen
  5. Liquiditätskrise: Unausgeglichene Finanzierungsstruktur, fehlende Übereinstimmung zwischen Geschäftsmodell und Eigenkapitalsituation

Gründe für Mehrfachinsolvenzen

• Zu späte Reaktion auf eine Krise
• Sanierung zu oberflächlich und zu kurz
• Geschäftsmodelle werden bei der Sanierung nicht hinterfragt
• Erwartungen an künftige Umsätze sind zu hoch
• Nur der Liquiditätsengpass wird behoben, das Grundproblem bleibt
• Betriebs- und leistungswirtschaftliche

Themen werden nicht geprüft

  • Geplante Maßnahmen werden zu spät kommuniziert und umgesetzt
  • Mangelndes Controlling der Sanierungsmaßnahmen
  • Rückfall in alte Gewohnheiten
  • Transparente Kommunikation fehlt oder wird nicht gezielt eingesetzt
  • Unternehmer verwechseln das Ende der Insolvenz mit dem Ende der Sanierung

Schritte gegen Mehrfachinsolvenzen

  1.  Ist-Zustand anhand verlässlicher Daten ermitteln
  2. Erreichbare Ziele formulieren
  3. Sanierungserfahrene Partner einbinden
  4. Ausreichend Liquidität für den Neustart beschaffen
  5. Notwendige leistungs- und finanzwirtschaftliche Anpassungen eruieren
  6. Gesamte Geschäftsbasis hinterfragen
  7. Geplante Sanierungsmaßnahmen konsequent und nachhaltig umsetzen
  8. Markt und Wettbewerbsumfeld im Blick behalten
  9. Strenges Controlling, erarbeitete Maßnahmen gegebenenfalls nachjustieren

Leistungs- versus finanzwirtschaftliche Sanierung

Leistungswirtschaftliche Maßnahmen zur Strukturverbesserung des Unternehmens in der Führung, der Produktion, der Lagerhaltung, der Logistik sowie im Personal, in der Entwicklung, im Controlling, im Einkauf, im Marketing und im Vertriebsnetz:

  • Optimieren von Strukturen und Prozessen im Unternehmen
  •  Kündigen oder Gestalten unrentabler Verträge
  • Überprüfen der Kalkulationen von Produkten / Dienstleistungen
  • Optimieren der Einkaufskonditionen
  • Optimierung der Lagerhaltung
  • Verbessern der Produktionsqualität
  • Überprüfung der Preis- und Zahlungskonditionen
  • Implementierung von Controlling-Instrumenten
  • Anpassungen / Weiterentwicklung in der Öffentlichkeitsarbeit
  • Überprüfen Vertriebswege, ggf. Weiterentwicklung
  • Motivation der Belegschaft, interne Kommunikation
  • Optimieren von Zusammenarbeit der Bereiche, z.B. Marketing und Vertrieb,
    Produktion und Logistik, Qualitätsmanagement

Finanzwirtschaftliche Maßnahmen zur Kapitalbeschaffung und Optimierung der Kapitalstruktur:

• Kapitalerhöhungen durch Gesellschafter
• Stundungen oder Verzichte von Gläubigern
• Umwandlungen von Forderungen in Eigenkapital
• Aufnahme von (Risiko-)Kapital

Bildnachweis: ©Depositphotos.com

Über den Autor

Porträtfoto von Simon Leopold, Unternehmensberater und Geschäftsführer der ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG

Simon Leopold Simon Leopold ist seit 2006 Unternehmensberater und seit 2013 Geschäftsführer der ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG. Nach Banklehre und Wirtschaftsstudium war er zunächst als Kreditanalyst für Firmenkunden und im Beteiligungscontrolling einer Regionalbank tätig. Zu seinen Schwerpunkten gehören unter anderem Unternehmensrestrukturierungen und -sanierungen, Interimsmanagement, Liquiditäts- und Finanzplanung sowie Unternehmenstransaktionen. abg-consulting.de
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