Kulturentwicklung in Unternehmen: Potenzial der Mitarbeitenden fördern
Konfliktkultur etablieren

Kulturentwicklung in Unternehmen: Potenzial der Mitarbeitenden fördern

Porträtfoto von Dr. Bettina Hoffmann-Ripken, Coach und Dozentin
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Wenn Unternehmen die vierte Industrialisierung überleben wollen, müssen sie New Work und Agilität einführen, Silo-Denken aufbrechen, Innovation und Digitalisierung vorantreiben. Das gelingt nur, wenn sie es schaffen, das ganze Potenzial ihrer Mitarbeitenden zu aktivieren. Und genau dafür bedarf es einer Kultur der Menschlichkeit.

Damit ist eine Kultur gemeint, in der Menschen herausgefordert werden, Verantwortung zu übernehmen und Mut haben, sich und ihre Meinung einzubringen – hierarchieübergreifend. Mitnichten bedeutet eine Kultur der Menschlichkeit grenzenloses Verständnis und Nachsichtigkeit.

Warum New Work und Agilität eine Kultur der Menschlichkeit braucht

Unternehmen sind enorm herausgefordert angesichts einer immer schnelleren, sich permanent verändernden und digitaleren Welt. Die Antwort auf und Lösung für diese Herausforderung schien New Work und Agilität zu sein. Aber viele Unternehmen, die vor einigen Jahren mit Euphorie und Transformationswillen sich an die Einführung von agilen Methoden und New Work Praktiken gemacht haben, stellen fest, dass sich wenig geändert hat. Praktiker und Theoretiker sind sich einig: Es liegt weder an den Methoden noch an den Menschen. Es liegt an der Unternehmenskultur.

Eine Kultur der Menschlichkeit ist kein netter Zusatz, auf den sich Unternehmen konzentrieren können, wenn sie keine anderen Herausforderungen haben. Eine Kultur der Menschlichkeit zu entwickeln, ist eine zentrale strategische Aufgabe für ein Unternehmen, das den nächsten Schritt gehen möchte. Menschlichkeit heisst Entwicklung ermöglichen – nicht nachsichtig und nett sein.

Ein großes Missverständnis ist, dass viele Menschen unter Menschlichkeit Nachsichtigkeit oder Bequemlichkeit verstehen. Eine Kultur die Menschlichkeit schafft einen Kontext, in welchem Menschen herausgefordert und in ihren Bedürfnissen wahrgenommen werden. Sie ist getragen von einem Mindset oder einer tiefen Überzeugung, dass jeder Mensch ein inhärentes Bedürfnis nach Entwicklung hat.

Und von wo geht die Entwicklung aus?

Eine Kultur der Menschlichkeit zu entwickeln ist Führungssache und daher eine strategische Aufgabe. Ohne ein echtes Commitment und wirkliche Überzeugung der obersten Führungsetage bleiben Kulturinitiativen wirkungslos und lösen Frust aus.

Sieben Teilkulturen ergeben eine Kultur der Menschlichkeit

Eine Kultur der Menschlichkeit ist dann erreicht, wenn sieben Teilkulturen umfänglich gelebt werden. Dazu gehören Achtsamkeitskultur, Feedbackkultur, Fehlerkultur, Verantwortungskultur, Konfliktkultur, Persönlichkeitsentwicklungskultur und Empathiekultur. Diese sieben Teilkulturen sind nicht strikt getrennt voneinander zu betrachten, sondern beeinflussen sich gegenseitig.

Organisationskultur wird häufig als nicht entscheidbare Entscheidungsprämisse definiert. Damit ist gemeint, dass die Kultur jede Entscheidung und letztlich jedes Tun in der Organisation beeinflusst, aber selbst nicht direkt gesteuert und verändert werden kann. Und genau weil Organisationskultur so bedeutsam ist und gleichzeitig wie ein scheues Reh sich nicht greifen lässt, wird empfohlen an die Entwicklung der Organisationskultur sehr konkret heranzugehen.

Tipps für die Entwicklung einer Kultur der Menschlichkeit

  1.  Mut, dass zu definieren, was ist (und nicht mit den Zukunftswerten beginnen): Benennen Sie den Elefanten im Raum und definieren Sie, welche Werte, welche Mindset und welche Haltung derzeit Ihre Kultur prägen. Das braucht manchmal Mut, weil das ist nicht so ist, wie wir es gern hätten. Aber damit zeigen Sie auch, dass Sie es ernst meinen. Starten Sie den Prozess auf keinen Fall mit der Definition von Zukunftswerten, die weit weg sind von Ihrer gelebten Kultur; das löst Zynismus aus.
  2. Ohne Veränderung von Prozessen und Formaten ändert sich nichts: Für Veränderungen bedarf es sowohl Reflexion als auch anderer Formate der Begegnung sowie das Erlernen neuer Kompetenzen. Die müssen geschult und in die Praxis umgesetzt werden. Das können neue Methoden sein, wie beispielsweise Entscheidungsprozesse oder neue Meetingformate. Sie sollten schnell ins Tun zu kommen und in kleinen Schritten vorzugehen. Das Lernen soll in den Alltag eingebettet sein und die neuen Methoden sollten direkt ausprobiert und nach einer Phase des Übens evaluiert werden. Grundsätzlich ist hier wieder die Führungsebene gefragt: Sie muss glaubhaft und sichtbar vorleben, was sie einfordert!
  3. Fokussierung auf eine Teilkultur: Fokussieren Sie sich auf eine Teilkultur. Insbesondere Feedback, Fehler, Konflikt- und Verantwortungskultur sind schnell greifbar, die Ziele nachvollziehbar. Evaluieren Sie anfangs den IST-Zustand und teilen Sie transparent die Ergebnisse. Darauf aufbauend entwickeln Sie einen Prozess, der in kleinen, aber im Alltag eingebetteten Schritten zu Veränderungen führt. Evaluieren Sie zwischendurch immer wieder die Entwicklung und wenden Sie sich einer neuen Teilkultur erst zu, wenn Sie zufrieden sind mit der gewählten Teilkultur.
  4. Lernen Sie professionell mit Widerstand umgehen: Keine Veränderung ohne Widerstand – egal wie gut die Veränderung gemeint ist. Daher bereiten Sie sich und Ihre Führungsriege auf Umgang mit Widerstand vor. Betrachten Sie Widerstand als ein unfreundlich formuliertes Kontaktangebot. Hören Sie den Menschen zu. Damit ist gemeint: Verkneifen Sie sich jedes „Ja, aber“. Verkneifen Sie sich Ihre guten Argumente. Hören Sie den Menschen wirklich zu und versuchen Sie zu verstehen, wie sie die Welt sehen und warum sie die Meinung vertreten, die sie vertreten.

Aber eines muss auch klar sein: Es werden nicht alle Menschen die Veränderung mitgehen, auch wenn es darum geht, eine Kultur der Menschlichkeit zu entwickeln. Von manchen Menschen muss man sich auch in dem Prozess trennen.

Bildnachweis: ©istockphoto.com/metamorworks

Über den Autor

Porträtfoto von Dr. Bettina Hoffmann-Ripken, Coach und Dozentin

Dr. Bettina Hoffmann-Ripken Dr. Bettina Hoffmann-Ripken ist davon überzeugt, dass die Zukunft eines Unternehmens sich an der Qualität der Zusammenarbeit entscheidet. Inspirierende, fördernde und fordernde Arbeitswelten in einem co-kreativen Prozess zu gestalten, ist ihr ein Herzensanliegen. Dafür bringt die an der Universität St. Gallen promovierte Volkswirtin ein umfangreiches Methodenset und Wissen in ihre verschiedenen Rollen als systemische Organisationsentwicklerin, Führungskräftecoach und Dozentin ein. www.bho-network.ch
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