Wie können sich Frauen in männerdominierten Jobs behaupten?
Tipps und Übungen

Wie können sich Frauen in männerdominierten Jobs behaupten?

Porträtfoto von Dr. Ulrike Strohscheer, selbstständiger Coach bei con-fidentia
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Im Job nehmen sich viele Frauen gegenüber ihren Kollegen zurück – besonders dann, wenn das Umfeld männlich geprägt ist. Was die Gründe dafür sind, weshalb sich Frauen mit diesem Verhalten schaden und was Betroffene dagegen tun können, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Trotz aller Bestrebungen nach Gleichberechtigung fühlen sich viele Frauen in einem männlich geprägten Berufsumfeld unsicher oder nicht für voll genommen. So werden sie in Meetings oft nicht wahrgenommen, beim Sprechen unterbrochen oder schlicht übergangen.

Klassiker: Eine Frau macht einen Vorschlag und es erfolgt keine Reaktion seitens der Anwesenden. Ein paar Minuten später sagt ein Kollege das Gleiche und erntet Beifall. Wenn sie auf diesen Zustand hinweisen, bekommen Frauen oft zu hören: „Das bildest Du Dir ein“. Solche Aussagen, die in der Regel von Männern kommen, bestätigen ironischerweise die Wahrnehmung der Frauen.

Das führt zu Frust und dazu, dass viele Frauen, die ohnehin zurückhaltender auftreten als ihre männlichen Kollegen, resignieren und sich immer weniger einbringen. Damit schaden sie sich selbst und ihrer Karriere. Gleichzeitig geht den Unternehmen dadurch viel von dem wertvollen Potential der weiblichen Mitarbeiter verloren.

Falscher Eindruck

Durch zurückhaltendes Auftreten erwecken Frauen bei männlichen Kollegen den Eindruck, nicht willensstark oder ambitioniert zu sein. Dadurch laufen sie Gefahr, bei Beförderungen oder der Übernahme wichtiger Projekte übergangen zu werden. Gleichzeitig werden ihnen oft undankbare Tätigkeiten wie Protokollschreiben angedient, die Männer üblicherweise nicht übernehmen. In der Folge verharren Frauen öfter in unteren Positionen, während männliche Kollegen mit vergleichbarer Qualifikation schneller aufsteigen.

Die Ursachen sind vielschichtig

Die Ursachen für dieses Problem sind vielschichtig und bedingen sich gegenseitig. 3 Faktoren spielen eine besonders große Rolle:

  • gesellschaftliche und kulturelle Phänomene
  • unterschiedliches Kommunikationsverhalten von Männern und Frauen
  • das Selbstbild der einzelnen Frau

Gesellschaftliche und kulturelle Phänomene

Gesellschaftliche und kulturelle Phänomene wie Sozialisation, Geschlechterklischees und Erziehung haben zur Folge, dass bestimmte Verhaltensweisen noch immer als männlich oder weiblich gelten und dementsprechend erwartet, belohnt oder sanktioniert werden: Ein hilfsbereiter Mann wird als besonders positiv wahrgenommen, während Hilfsbereitschaft bei Frauen vorausgesetzt, aber nicht honoriert wird. Umgekehrt wird es Frauen jedoch angekreidet, wenn sie nicht hilfsbereit sind, während das bei Männern kaum negativ ausgelegt wird.

Durchsetzungsvermögen gilt bei Männern als positiv, während durchsetzungsstarke Frauen oft als „herrisch“ abgestempelt werden. Bereits die Herkunft des Wortes „herrisch“ suggeriert, dass ein derartiges Auftreten Männern zugeschrieben wird.

Vermeintliche Tugenden wie Bescheidenheit und Zurückhaltung werden mit Frauen in Verbindung gebracht. Wenn eine Frau hingegen ihre Erfolge hervorhebt und auf sich aufmerksam macht, löst das oft Irritationen aus, während es bei Männern als selbstverständlich gilt.

Infolgedessen werden viele Mädchen auch heutzutage noch anders erzogen als Jungen. Sozialisation und Erziehung spielen deshalb eine große Rolle dabei, wie Frauen sich präsentieren.

Unterschiedliches Kommunikationsverhalten der Geschlechter

Eine weiterer Grund dafür, dass Frauen sich verunsichert fühlen, ist das unterschiedliche Kommunikationsverhalten von Männern und Frauen.
Männer sprechen weniger als Frauen und fassen sich kürzer. Sie bringen ihre Botschaft mit wenigen Worten rüber. Entsprechend kurz ist ihre Aufmerksamkeitsspanne bei Wortbeiträgen ihrer Mitmenschen. Frauen hingegen holen häufig aus, erläutern Hintergründe, erklären und rechtfertigen. In der Konsequenz sprechen sie mehr und länger und schwächen damit ihre Botschaft ab. Dadurch verlieren sie die Aufmerksamkeit der männlichen Kollegen und werden von ihnen als „unsicher“ oder „schwach“ wahrgenommen.

Positives Selbstbild

Der wichtigste Faktor für die Frage, wie eine Frau auftritt und wahrgenommen wird, ist jedoch ihr Selbstbild: Wer von anderen ernst genommen werden will, muss vor allem sich selbst ernst nehmen: Stehe Sie zu sich, Ihren Qualitäten und Fähigkeiten oder hegen Sie stattdessen Selbstzweifel?

Wir können noch so qualifiziert und kompetent sein – solange wir uns und unsere Fähigkeiten in Frage stellen, strahlen wir das aus. Mit der Folge, dass unser Umfeld uns nicht den Respekt und die Anerkennung erweist, die wir gerne hätten. Was können Frauen tun, um Abhilfe zu schaffen?

Während die externen Faktoren schwerer zu verändern sind, weil gesellschaftlicher und kultureller Wandel Zeit brauchen, können die Faktoren Kommunikationsverhalten und Selbstbild gut beeinflusst werden.
Im Folgenden finden Sie Tipps, die Ihnen dabei helfen, selbstbewusster aufzutreten und sich auch in klassischen Männerdomänen zu behaupten.

1. Die Kommunikation verändern: Prägnante Botschaften formulieren

In einem männlich geprägten Umfeld müssen Frauen dafür sorgen, dass sie gehört werden. Das erreichen Sie am besten durch kurze und prägnante Botschaften. Lassen Sie weg, was nicht erforderlich ist, und seien Sie direkt.

Füllwörter und Weichmacher weglassen

Verzichten Sie in Ihrer Sprache auf alles, was überflüssig ist, und Ihre Botschaft abschwächt.

  • Dazu gehören vor allem Füllwörter wie halt, ja, doch, schon, mal, gar
    abschwächende Wörter wie nur, bloß, wohl, eigentlich, ganz, ziemlich, vielleicht, etwas.
  • Konjunktive wie könnte, hätte, würde.

Rechtfertigen und entschuldigen Sie sich nicht

Frauen neigen dazu, sich gewohnheitsmäßig zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Achten Sie auf die unterschiedliche Wirkung der folgenden Sätze:

Falsch: „Tut mir leid, ich habe eine Frage …“
Richtig: „Ich habe eine Frage …“

Falsch: „Tut mir leid, dass Sie warten mussten. Ich musste noch …“
Richtig: “Danke, dass Sie gewartet haben.“

Diese Ausdrucksweise ist eine Gewohnheit, die gezielt abtrainiert werden kann. Das kann auch im Alltag praktiziert werden, zum Beispiel im Supermarkt:

Falsch: „Entschuldigung, ich hätte eine Frage. Wo steht denn das Olivenöl?“
Richtig: „Guten Tag! Sagen Sie mir bitte, wo das Olivenöl steht?“

Fordern statt Fragen

Wenn es um eine Gehaltserhöhung oder Beförderung geht, sagen Männer direkt, was sie wollen: Sie fordern. Frauen hingegen fragen – und das auf eine Weise, die oft so zurückhaltend und unsicher wirkt, dass es dem Gegenüber leicht gemacht wird, abzulehnen:

Falsch: „Ich wollte fragen, ob ich vielleicht eine Gehaltserhöhung haben könnte“
Richtig: „Ich möchte eine Gehaltserhöhung haben“.

Falsch: „Ich hätte Interesse an dem Projekt.“
Richtig: „Ich möchte das Projekt übernehmen.“

Eine direkte Ausdrucksweise löst erstmal Unbehagen aus, aber auch das kann trainiert werden. Mit der Zeit wird es immer leichter.

2. Sichtbar und proaktiv sein

Machen Sie deutlich, dass es Sie gibt, was Sie können und wollen.

Wer sind Sie und wofür stehen Sie?

Um sich zu zeigen und wahrgenommen zu werden, müssen Sie zunächst wissen, wer Sie sind, und wofür Sie stehen. Das klingt abstrakt, aber es geht hier um konkrete Fragestellungen, mit denen Sie sich auseinandersetzen sollten:

  • Welche Ziele haben Sie – im Leben und im Job?
  • Welche Werte habe Sie?
  • Was sind Ihre Stärken?
  • Was treibt Sie an?

Prägnante Selbstvorstellung entwickeln und üben

Im beruflichen Umfeld sind Sie regelmäßig damit konfrontiert, sich anderen vorzustellen. Eine knackige Selbstvorstellung – auch als Elevator Pitch bezeichnet (kurz genug, um sich während einer Fahrstuhlfahrt vorzustellen) – gibt Ihnen Sicherheit und ermöglicht, gezielt zu beeinflussen, wie Sie wahrgenommen werden.

Fassen Sie sich auch dabei kurz und formulieren Sie präzise. Bauen Sie Ihre Selbstvorstellung anhand folgender Fragen auf:

  • Wer sind Sie?
  • Was machen Sie?
  • Für wen (wer sind Ihre Kunden)?

Wenn Sie die Selbstvorstellung entwickelt haben, präsentieren Sie sie Freunden und Familie und bitten um Feedback – von Männern und Frauen: Ist die Botschaft stimmig? Enthält sie alles, was Sie rüberbringen möchten? Wie wirken Sie? Passen Sie Ihren Pitch gegebenenfalls an und lernen ihn dann auswendig, sodass Sie in Vorstellungsrunden, auf Netzwerkveranstaltungen oder im Fahrstuhl nicht mehr darüber nachdenken müssen.

Zeigen Sie sich

Seien Sie aktiv in Netzwerken und zeigen sich auf beruflichen Plattformen wie LinkedIn. Der Begriff Selbstdarstellung ist hierzulande negativ konnotiert, aber sich zu zeigen ist nicht gleichbedeutend mit Angeberei. Es ist selbstverständlich, dass ein Produkthersteller auf sein Angebot aufmerksam macht. Entsprechend müssen wir darauf aufmerksam machen, wenn wir selbst und unsere Fähigkeiten das Produkt sind. Wenn Ihnen das schwerfällt, suchen Sie sich Vorbilder von Männern und Frauen, deren Auftritt Ihnen sympathisch ist, und lassen Sie sich inspirieren.

Warten Sie nicht darauf, gefragt zu werden

Wenn Sie ein Projekt übernehmen möchten, warten Sie nicht darauf, gefragt zu werden. Seien Sie proaktiv und sagen, dass Sie es haben wollen. Dadurch drängeln Sie sich nicht vor, sondern tun es lediglich Ihren männlichen Kollegen gleich.

Achten Sie auf Ihre Körperhaltung und nehmen Sie Raum ein

Achten Sie auf Ihre Körperhaltung. Richten Sie sich auf – Kopf hoch, Schultern runter. Stehen Sie auf beiden Beinen, anstatt das Gewicht auf eine Seite zu verlagern. Sie wirken dadurch stabiler und fühlen sich auch so.

Nehmen Sie Raum ein und „machen sich breit“: Öffnen Sie die Arme, anstatt sie zu verschränken. Wenn Sie mit anderen in einem Raum sitzen, beanspruchen Sie Platz für sich: Verteilen Sie Ihre Utensilien um sich herum, anstatt reflexartig Platz für Kollegen zu machen.

3. Ein positives Selbstbild entwickeln

Alle bisher genannten Maßnahmen und Tipps helfen nur bedingt dabei, sich als Frau zu behaupten, wenn es am wichtigsten Element fehlt: Einem positiven Selbstbild. Wie wir uns sehen, spielt die entscheidende Rolle dabei, wie wir auftreten und auf andere wirken.

Ein positives Selbstbild macht es auch leichter, gesellschaftlichem Druck standzuhalten. Solange Frauen, die sich durchsetzen, als „herrisch“ gelten, haben Sie die Wahl, sich davon abschrecken und männlichen Kollegen das Feld zu überlassen, oder ein solches Attribut in Kauf zu nehmen und Ihren Weg zu gehen. Letzteres erfordert Souveränität und innere Stärke, die aus einem positiven Selbstbild erwachsen. Wer in sich ruht und selbstsicher ist, ist außerdem weniger anfällig für Stress und lässt sich nicht so schnell verunsichern.

  • Richten Sie den Fokus auf Ihre Erfolge: Schreiben Sie jeden Abend 3-5 Dinge auf, die Sie erledigt und erreicht haben. Führen Sie sich außerdem schriftlich vor Augen, was Sie im Laufe Ihres Lebens bereits geleistet haben.
  • Verändern Sie Ihren inneren Monolog: Viele Frauen neigen dazu, sich gedanklich oder in Selbstgesprächen permanent zu kritisieren. Ändern Sie das! Sprechen Sie mit sich, wie Sie zu Ihrer besten Freundin sprechen würden – wertschätzend und bestärkend. „Du schaffst das!“ und „Das hast Du gut gemacht.“
  • Sagen Sie sich jeden Tag vor dem Spiegel mehrmals „Du bist gut, so wie Du bist“ oder „Ich bin gut, so wie ich bin“ – auch wenn es Ihnen schwerfällt.

Setzen Sie diese Dinge um – regelmäßig. Bereits nach wenigen Wochen werden Sie einen Unterschied bemerken.

Bildnachweis: ©istockphoto.com/kieferpix

Über den Autor

Porträtfoto von Dr. Ulrike Strohscheer, selbstständiger Coach bei con-fidentia

Dr. Ulrike Strohscheer Dr. Ulrike Strohscheer ist psychologische Beraterin und Coach und unterstützt ambitionierte Frauen bei den Themen Redeangst, Selbstvertrauen und Stress. Als gelernte Rechtsanwältin kennt sie viele Themen, die ihre Klientinnen beschäftigen, aus eigener Erfahrung. www.con-fidentia.de
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