Wie können Unternehmen ihre stotternden Wachstumsmotoren ölen?
Jahr für Jahr wächst die Mehrheit der befragten Unternehmen – trotz Krisen mit teils globalen Auswirkungen, wie der Covid-Pandemie, der Ukraine-Krise oder der drohenden Rezession. Dies ist ein Zeichen für die hohe Anpassungsfähigkeit und Resilienz der Betriebe und ihrer Führungskräfte, die in der Lage sind, flexibel auf jede Herausforderung zu reagieren. Woran liegt das?
Diese Konstante begleitet Pipedrive, das seit 2020 mit dem State of Sales and Marketing jährlich ein valides Bild der hiesigen und internationalen Unternehmen mit Fokus auf den Vertrieb und das Marketing zeichnet. Auch in diesem Jahr kann man feststellen, dass 63 Prozent aller KMU von mindestens leichtem Wachstum im Vergleich zum Vorjahr berichten. Was zunächst positiv klingt, zeugt jedoch von einem stotternden Wachstumsmotor. Denn damit sinkt erstmals seit Beginn der Analysen die Zahl der wachsenden Unternehmen – und zwar um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Welche weiteren Schlüsse lassen sich aus den Ergebnissen ziehen und wie können Führungskräfte die Weichen auf mehr Wachstum stellen? Ein Überblick:
Größer = resilienter? Die Korrelation von Unternehmensgröße und Vertriebserfolg
Das Unternehmenswachstum ist unmittelbar mit der Leistung der eigenen Vertriebsteams verbunden. Je häufiger und konsistenter die Vertriebsteams ihre Ziele erreicht haben, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass übergeordnete Unternehmensziele ebenfalls erreicht wurden.
Die Zahlen lassen darauf schließen, dass im vergangenen Jahr insbesondere Kleinstunternehmen mit der wirtschaftlichen Lage zu kämpfen hatten. Während beispielsweise 71 Prozent der Beschäftigten aus Unternehmen mit mindestens 100 Mitarbeitenden davon berichteten, ihre persönlichen Verkaufsziele erreicht zu haben, liegt der Wert bei Unternehmen mit maximal 10 Mitarbeitenden gerade mal bei 46 Prozent.
Die Gründe dafür sind variabel, lassen sich jedoch auf die folgenden Punkte herunterbrechen:
- Bestandskunden: Unter den Kleinstunternehmen finden sich einige Unternehmen, die kürzer am Markt aktiv sind als gestandene Mittelständler. In der Konsequenz zählen sie weniger Bestandskunden, die wiederkehrende Einnahmen garantieren.
- Ambitionierte Ziele: Kleinstunternehmen legen bei den Verkaufszielen häufig bewusst hohe Messlatten. So testen sie Grenzen aus und streben nach maximaler Performance. Je unruhiger das Marktumfeld, desto schwieriger sind hochgesteckte Ziele jedoch zu erreichen. Größere Unternehmen haben diese Phase bereits verlassen und können – auch und gerade in Krisenzeiten – Ziele realistisch korrigieren.
- Fachkräfte: Seit einigen Jahren steigt der Mangel an Fachkräften. Kleinstunternehmen geraten dabei im Werben um Talente von Vertrieb bis Marketing ins Hintertreffen. Denn: Sie können oftmals geringere Gehälter oder weniger Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten.
- Budget: Während größere Unternehmen in umsatzschwächeren Zeiten ihre Ausgaben relativ flexibel erhöhen können, zum Beispiel die Marketingmaßnahmen maximieren oder neue Kolleg:innen einstellen, kann dieser Hebel für Kleinstunternehmen nur bedingt betätigt werden.
Jetzt erst recht: Investitionen gegen den Trend
Die verfügbaren Budgets für Investitionen sind je nach Unternehmensgröße und -erfolg abweichend. In der Theorie werden die Kapitalabflüsse in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten überdies gekürzt. Und trotzdem: Ein Drittel (32 Prozent) der befragten Unternehmen hat im Befragungszeitraum mehr Geld in Technologien investiert als in den Vorjahren, nur jedes zwanzigste Unternehmen hat die Tech-Investitionen minimiert. Ein Investitionsstopp bleibt dabei nicht unbemerkt. Befragte, die in Unternehmen mit Budgetkürzungen arbeiteten, erreichten ihre Jahresumsatzziele mit einer um 27 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit.
Warum entscheiden sich Unternehmen und Führungskräfte das knappe Geld in Krisenzeiten selektiv zu investieren? Und die sonst üblichen Investitionsvolumen gar aufzustocken? Die Gründe für den Erfolg des antizyklischen Investierens beinhalten:
- Mehraufwände abfangen: Die letztjährigen Studien stellen bereits das grundlegende Interesse von KMU fest, die Digitalisierung durch Einführung neuer Technologien voranzutreiben. Während im ersten Schritt das Lead-Volumen durch “verlorene” Kontakte (Zoom Calls statt Händeschütteln auf Messen) hochgehalten werden musste, gilt es jetzt diese gestiegenen Volumen mithilfe digitaler Helferlein zu orchestrieren. Dazu zählen unter anderem neue Kommunikations- und Kollaborationskanäle sowie Customer-Relationship-Management Tools (CRMs).
- Automatisierung 2.0.: Daran anknüpfend lässt die Studie Rückschlüsse darauf ziehen, dass wir im Vertriebsbereich von KMU gerade die zweite Welle der Digitalisierung seit Ausbruch der Pandemie einläuten. Denn durch die nun höheren Sales-Volumen (ermöglicht durch die erste Welle der Digitalisierung) steigen die Workloads der einzelnen Mitarbeitenden. Intelligente Tools übernehmen insbesondere repetitive Aufgaben, wie Verträge aufsetzen und Kundentermine koordinieren. Dadurch können die Mitarbeitenden einen stärkeren Fokus auf qualitativ wichtige Aufgaben legen. So kann trotz höherer Volumen beispielsweise konzentriert an den Abschlüssen der Deals gearbeitet werden – mit positiven Auswirkungen auf die Unternehmensergebnisse.
- Sichtbar bleiben: Das Marketing erleidet häufig zuerst Budgetkürzungen. Dabei liegt gerade hier in einem unruhigen wirtschaftlichen Umfeld großes Potenzial. Drosseln Konkurrenten ihre Marketingaktivitäten, kann man mit mehr Invest die Visibilität im Markt drastisch steigern. So können Unternehmen nicht nur die gerade für Kleinstunternehmen überlebenswichtigen Bestandskund:innen bei der Stange halten, sondern auch Neukund:innen durch clever eingesetztes Marketing-Budget gewinnen. Zu vergleichbar geringen Kosten mit einem starken Return-on-Invest (ROI) zählen beispielsweise Verlosungen und Rabattaktionen über die eigenen Social-Media-Kanäle und regelmäßiger Newsletter-Versand.
Der Druck in der Sales- und Marketing-Branche bleibt hoch
Auch wenn, wie anfangs betont, die Wachstumsraten der befragten Unternehmen erstmals seit Beginn der Pipedrive Analyse sinken, sind die Zahlen noch immer bemerkenswert: Trotz Fachkräftemangel und Inflation, trotz zeitweise drohender Rezession und Lieferengpässen erreichten knapp zwei Drittel der Unternehmenslenker:innen über alle Branchen hinweg ein mindestens leichtes Unternehmenswachstum.
Das passiert jedoch mancherorts zulasten der Arbeitnehmer:innen. Fast ein Drittel (29 Prozent) der befragten Expert:innen befürchtet in der Zukunft ein höheres, individuelles Arbeitsvolumen. Damit ist nicht nur das Verfehlen der eigenen Sales-Ziele (41 Prozent) eine weit verbreitete Sorge.
Um dem Burn-Out-Risiko entgegenzuwirken, das in der dynamischen Sales- und Marketing-Branche seit jeher hoch ist, sind die Investitionen in digitale Helferlein der erste Schritt in die richtige Richtung. Doch Lizenzen erwerben und Tools implementieren, ist nur die halbe Miete. Um das volle Potenzial der Tools und seiner Automatisierungstechnologien auszuschöpfen, müssen Führungskräfte den Roll-Out-Prozess intensiv begleiten. Das heißt: Schulungen verpflichtend einführen, Webinare aufzeichnen, weiterführende 1:1-Sessions anbieten und mit Service-Providern zusammenarbeiten, die direkt für Mitarbeitende im Falle von Fragestellungen verfügbar sind.
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