Philip Gutschke: „Für ein Unternehmen ist es wichtig, Energie wirtschaftlich einzukaufen”
Onpulson im Gespräch mit Philip Gutschke, der für die Bereiche Vertrieb, Kundenservice und Marketing der wattline GmbH, einer Energieeinkaufsgemeinschaft, tätig ist. Im Fokus des Interviews stehen die Mechanismen am deutschen Energiemarkt, die Herausforderungen für die Energiebranche in den nächsten Jahren und die Knackpunkte beim Energieeinkauf für Unternehmen.
Name: Philip Gutschke
Geburtsjahr: 1979
Position: Bereichsleiter Sales, Service und Marketing wattline GmbH
Vita: Beruflich bewege ich mich seit 15 Jahren im Energiesektor. Ursprünglich war ich als Unternehmensberater tätig und habe Unternehmen zu vielen Belangen beraten, der Energiesektor war hier der Fokus. Ich nutzte die Chance, bei einem Energieversorger tiefe Fachexpertise aufzubauen. Von dort aus ging ich zur wattline GmbH und bin mittlerweile seit mehr als zehn Jahren für dieses Unternehmen tätig.
Lebensmotto: Time for Change – David vs. Goliath.
Über das Unternehmen
Passauer Straße 36
94161 Ruderting
Onpulson: Was ist das Geschäftsmodell Ihres Unternehmens?
Philip Gutschke: Wir sind eine Energieeinkaufsgemeinschaft, d. h. wir bündeln die Energiemengen unserer Mitglieder. Mit diesen gebündelten Energiemengen gehen wir in die Preisverhandlungen am Energiemarkt. Der Vorteil: Allein hätten unsere Mitglieder keine Chance auf günstige Großhandelspreise, aber durch die smarte Mengenbündelung und das Identifizieren des richtigen Einkaufszeitpunkte erzielen wir deutlich bessere Preise als jeder einzeln. Und das langgfristig, denn unsere Dienstleistung umfasst eine dauerhafte Betreuung der Mitglieder.
Außerdem umfasst unser Geschäftsmodell alle Serviceleistungen rund um den Energievertrag. Wir übernehmen nicht nur die Neuverhandlungen und die Vertragsabschlüsse, sondern auch die Kündigung alter Verträge, die Wirtschaftlichkeitsprüfung des neuen Energieversorgers sowie die Vertragsprüfung. Darüber hinaus bieten wir unseren Mitgliedern auch einen unabhängigen, modernen Messstellenbetrieb, um Wechselprozesse zu vereinfachen und um Verbrauchsspitzen zu erkennen.
Onpulson: Wie funktioniert der Energiemarkt konkret?
Philip Gutschke: Der Energiemarkt ist ein Wettbewerbsmarkt unter staatlicher Regulierung, welcher für alle Marktteilnehmer offen ist.
Onpulson: Welches sind die Akteure auf dem deutschen Energiemarkt?
Philip Gutschke: Jedem Teilnehmer auf dem deutschen Energiemarkt wird eine bestimmte Rolle zugeordnet. Die fünf Hauptakteure sind: Energieproduzenten, Energieversorger, Netzbetreiber, Energielieferanten bzw. -anbieter und Bilanzkreisverantwortliche.
Als Stromproduzent gilt jeder, der eine stromerzeugende Anlage betreibt, d.h. auch eine Privatperson mit einer Solaranlage auf dem Balkon. Den Versorgern obliegt die Aufgabe zwischen Verbrauchern, Stromproduzenten und Stromnetzbetreibern zu vermitteln und so sicherzustellen, dass der Strom den richtigen Verbrauchsstellen zugeordnet und dort abgerechnet wird. Die Stromnetzbetreiber stellen sicher, dass der produzierte Strom an die Abnehmer verteilt wird, während der Lieferant dafür zuständig ist, dass der Endkunde den von ihm bestellten Strom erhält und dieser abgerechnet wird.
Zu guter Letzt obliegt es den Bilanzkreisverantwortlichen, alle virtuellen Energiemengenkonten untereinander auszugleichen, um so Unterproduktionen und Überproduktionen zu vermeiden.
Onpulson: Welche Rolle nimmt wattline als Energieeinkaufsgemeinschaft ein?
Philip Gutschke: Wattline als Energieeinkaufsgemeinschaft übernimmt keine dieser fünf vorgenannten Marktrollen. Wir treten als Energieserviceanbieter unabhängig in den Markt ein, haben aber die Aufgabe über Ausschreibungen und Preisverhandlungen für Wettbewerb unter den Stromversorgern und somit indirekt unter den Stromerzeugern zu sorgen.
Onpulson: Was ist unter der Liberalisierung des Energiemarktes zu verstehen?
Philip Gutschke: Unter der Liberalisierung des Energiemarktes versteht man die Öffnung des Marktes für einen freien Wettbewerb. Dies geschah 1999. Was auch das Gründungsjahr der wattline ist.
Onpulson: Was hat sich durch die Liberalisierung des Energiemarktes für Unternehmen geändert?
Philip Gutschke: Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts im Jahr 1998 wurde die monopolistische Energiewirtschaft durch einen Energiesektor abgelöst. Das führte dazu, dass Verbraucher frei wählen können, über welchen Stromanbieter sie beliefert werden wollen. Die Folge daraus wiederum war und ist, dass für Energieversorger nicht mehr die Stromproduktion, sondern der Stromhandel im Vordergrund steht.
Onpulson: Worauf kommt es für Unternehmen beim Energieeinkauf an?
Philip Gutschke: Für ein Unternehmen ist es in erster Linie wichtig, den Strom bzw. das Gas zu einem für ihn wirtschaftlich tragbaren Preis einzukaufen.
Die Kür ist es dann, die Energie zum optimalen Zeitpunkt, zum optimalen Preis und mit der optimalen Laufzeit zu beschaffen. Dafür sind jedoch tiefgreifende Kenntnisse über den Strom- und Gasmarkt und globalpolitische Zusammenhänge, welche den Energiemarkt beeinflussen sowie Abnahmemengen in relevanten Größen erforderlich.
Onpulson: Welchen Vorteil bietet eine Energieeinkaufsgemeinschaft für Unternehmen?
Philip Gutschke: Eine Energieeinkaufsgemeinschaft realisiert durch Mengenbündelung relevante Strombedarfe, die Ausschreibungen und Verhandlungen für angemessene Strompreise ermöglichen. Zusätzlich ist eine Riege an Energiemarktexperten im Hintergrund tätig, um zu idealen Zeiten optimale Strompreise für die Zukunft zu sichern. Unternehmen können so die gesamte Verantwortung für den Stromeinkauf in die Hände der Einkaufsgemeinschaft legen und sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren.
Als Einkaufgemeinschaft agieren wir unabhängig. Wir verhandeln die Preise für unsere Mitglieder. Unser Ziel ist es möglichst günstige Preise für sie zu realisieren. Aber auch die Versorgungssicherheit ist hierbei wichtig, damit Unternehmen nicht in die teuere Grundversorgung fallen. Darüber erfüllen wir auch unseren staatlichen Auftrag: Für Wettbewerb zu sorgen und somit die Marktliberalisierung voranzutreiben.
Onpulson: Wie differenzieren Sie sich vom Wettbewerb?
Philip Gutschke: Als Energieeinkaufsgemeinschaft haben wir keine aktive und fest definierte Rolle als Erzeuger oder Versorger am Energiemarkt zu erfüllen, sondern wir sind Energieserviceanbieter. Das macht uns unglaublich frei von Druck, Risiken und Kosten, mit denen andere Marktteilnehmer zu kämpfen haben. Und es ermöglicht uns deutlich agiler auf dem Energiemarkt zu bewegen.
Anders als bei anderen Einkaufsgemeinschaften erhalten wir nur beim Erstauftrag eine Bezahlung durch unsere Mitglieder. Und diese ist erfolgsabhängig, d. h. nur wenn wir einen günstigeren Preis erzielen, erhalten wir ein Honorar. In den Folgejahren ihrer Mitgliedschaft können sich unsere Mitglieder zurücklehnen und vom Rundum-Service in Bezug auf Energieverträge profitieren.
Onpulson: Welche Auswirkungen hat der Ukraine-Krieg auf Sie und auf den Energiemarkt?
Philip Gutschke: Was Umweltschützern und vielen anderen schon seit Jahrzehnten bewusst ist, hat der Ukraine-Krieg noch einmal verdeutlicht: Es bedarf einer umfassenden Änderung in der Energieproduktion und auch der Energienutzung. Beides muss vorangetrieben werden, um Lebensqualität zu erhalten und unabhängig von fossilen Energieträgern und Lieferanten zu werden. Auch hat die Umstellung auf erneuerbare Energien viel mit dem Ausbau der Netze zu tun und dies braucht noch Zeit.
Das klingt nun, als müsse man warten und könne selbst nichts tun. Dem ist aber nicht so. Alle Energieverbraucher, welche Teil des Energiemarktes sind, können sich unabhängiger machen und Schritte zu umweltschonender Energieversorgung selbst gehen. Zum Beispiel, indem sie vermehrt auf eigene Photovoltaikanlagen setzen. Über sogenannte Mieterstromprojekte will die Bundesregierung hier demnächst auch Möglichkeiten für Mieter schaffen.
Für uns als wattline hat die künstliche Verknappung der Energieträger Kohle und Gas sowie die damit verbundene Preissteigerung für Energieerzeugnisse viele Fragen verunsicherter Mitglieder gebracht.
Wir haben diesen Moment als Chance genutzt, um einen weiteren Service für unsere Mitglieder und auch andere Wissensdurstige zu schaffen: Unsere Sammlung “Energiewissen für Unternehmen”. Hier werden Informationen rund um das Thema Energie in Unternehmen vermittelt. Die Resonanz hat uns gezeigt, dass das genau das ist, wonach kleine und mittelständische Unternehmen suchen: Fachwissen, um den Markt und seine Mechanismen zu verstehen und Handwerkszeug, um das Beste aus der aktuellen Situation zu machen.
Onpulson: Mit welchen Herausforderungen hat die Energiebranche in den nächsten Jahren zu kämpfen?
Philip Gutschke: Hier sind Energiekrise und Klimawandel sowie die mit ihnen verbundene Versorgungsunsicherheit und Verteuerung zu nennende Schlagworte.
Wobei ich die Energiekrise von der momentanen Situation abgrenzen und in andere Zusammenhänge bringen möchte. Weltweit rechnen wir sowohl mit einer langfristig wachsenden Wirtschaft als auch mit einem Anwachsen der Bevölkerung, d. h. der Energiehunger steigt bei gleichzeitiger Dezimierung fossiler Energieträger und steigender Wasserknappheit. Gerade Letzteres ist bei einer Forcierung der Atomenergie ein Problem. Bereits im Jahr 2022 hatten Atomkraftwerke in Frankreich ihre Leistung wegen Wasserknappheit herunterfahren müssen. Das zeigt, wie sehr auch scheinbar umweltunabhängige Stromerzeugungssysteme von einer intakten Umwelt beeinflusst sind.
Es gilt demnach mit erneuerbaren Energieträgern Versorgungssicherheit bei moderaten Preisen zu schaffen und Aufklärungsarbeit zu leisten. Zum Beispiel dahingehend, wo Energie verbraucht wird, ohne einen langfristigen Nutzen zu erzielen, wie etwa bei Einwegverpackungen für Lebensmittel.
Bildnachweis: ©istockphoto.com/AnaMOMarques
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