Gründen in der Genussmittelbranche: Was gibt es zu beachten?
Um alle Auflagen zu erfüllen, haben Gründer in der Genussmittelbranche oft mit noch größeren Herausforderungen zu kämpfen, als bei anderen Start-ups. Bereits im Vorfeld muss alles sorgfältig geplant werden. Denn: Wenn es um den Umgang mit Lebensmitteln geht, sollten Gründer eine Vielzahl von Faktoren beachten, wie beispielsweise Lebensmittelhygiene oder Kennzeichnung.
In Deutschland wurden im Jahr 2022 gut 115.100 größere Betriebe und rund 138.500 Kleinunternehmen neu gegründet. Das geht aus einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes hervor. Was genau sollten Gründer in der Genussmittelbranche alles beachten?
1. Marktanalyse und Zielgruppe
Vor der Gründung steht die Marktanalyse. Gibt es einen Markt und eine Zielgruppe für das Produkt? Hat es Potenzial oder ist bereits vor der Gründung offensichtlich, dass es nicht zum langfristigen Erfolg werden wird? Gibt es viele Mitbewerber auf dem Markt?
Es kann helfen, die Konkurrenten zu analysieren, um zu verstehen, wie sie sich positionieren, welche Produkte sie anbieten und welche Preise sie verlangen. Dadurch kristallisieren sich Möglichkeiten heraus, sich von der Konkurrenz abzuheben.
Die Identifikation der Zielgruppe ist ebenso wichtig. Welche Vorlieben und Bedürfnisse hat die Zielgruppe und wie ist ihr Kaufverhalten?
2. Produktentwicklung und Qualität
Die Produkte sollten eine hohe Qualität und Einzigartigkeit bieten. Ohne einen Unique Selling Point (USP) hebt sich das Produkt nicht von gleichartigen Produkten ab und bietet dem Kunden kein Kaufargument. Daher muss die Produktentwicklung durchdacht sein. Speziell bei Genussmitteln liegt der Fokus auch darauf, dass der Geschmack die Erwartungen der Kunden erfüllt.
3. Lieferanten und Rohstoffe
Verlässliche Lieferanten für Waren, Zutaten oder Rohstoffe sind enorm wichtig für ein florierendes Business. Die Qualität der Genussmittel hängt stark von der Qualität der verwendeten Materialien ab. Sind diese minderwertig, wird es sich im Endeffekt bei der Kundenzufriedenheit und in den Verkaufszahlen niederschlagen.
4. Nachhaltigkeit
In der heutigen Zeit legen Verbraucher zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit. Gründer sollten frühzeitig darüber nachdenken, wie sie umweltfreundliche Praktiken in ihre Geschäftstätigkeit integrieren können.
Seien es ein klimaneutraler Versand, nachhaltige oder wiederverwendbare Verpackungsoptionen, ein umweltfreundlicher Standort mit guter Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel oder energieeffiziente Beleuchtung, Heizungs- und Kühlsysteme: Die Kunden werden es danken.
Da das Bewusstsein der Kunden immer mehr auf Nachhaltigkeit liegt, ist es ratsam, die Lieferanten nach diesem Gesichtspunkt auszuwählen. Rohstoffe in Bioqualität sind bei der Genussmittelproduktion ebenso ein Muss wie nachhaltig erzeugte Komponenten und Waren, die man verwendet oder verkauft.
Am Beispiel eines Feinkostunternehmens können die Gründer auf lokale Erzeuger wie Ölmühlen, Bauernbetriebe oder auch Obst- und Gartenbauvereine zugehen und diese als Lieferanten für Essig, Öle, Senf, Mehle und andere Waren gewinnen.
Selbst beim Wein kann auf den ökologischen Fußabdruck geachtet werden. Nachhaltigkeit bedeutet in dem Zusammenhang: Es wird auf chemische Pflanzenschutzmittel und Dünger verzichtet und stattdessen mit anderen Mitteln die Biodiversität der Rebflächen gefördert. Zudem wird der Boden möglichst geschont und durch Begrünung mit Nährstoffen versorgt. Hier gibt es verschiedene Zertifikate, die die Nachhaltigkeit des Weinanbaus und der Weinherstellung bestätigen.
5. Rechtliche Anforderungen
In der Genussmittelbranche gibt es oft strenge rechtliche Vorschriften bezüglich Lebensmittelhygiene, Etikettierung, Kennzeichnung, Verpackung und Gesundheitsstandards. Dazu sind verschiedene Lizenzen und Zertifikate erforderlich.
Lebensmittelgesetze und Vorschriften
Die meisten Länder haben spezifische Gesetze und Vorschriften, die die Produktion, den Verkauf, die Kennzeichnung und die Hygiene von Lebensmitteln regeln. Diese Vorschriften können sich auf Zutaten, Verarbeitungsmethoden, Lagerung, Transport und Verkauf beziehen. Es ist wichtig, sich mit den einschlägigen Lebensmittelgesetzen vertraut zu machen und sicherzustellen, dass die Produkte diesen Standards entsprechen.
Ergänzt werden diese durch Regeln zur Vermeidung von Lebensmittelkontamination, einschließlich der Anforderungen an die Produktionsstätten, Hygienepraktiken und -standards. Letztlich müssen die Lebensmittel rückverfolgbar sein für den Fall von Kontamination oder Rückrufen.
Lebensmittelhygiene und -sicherheit
Die Hygiene und Sicherheit der Produktions- und Verarbeitungsstätten sind von größter Bedeutung. Es muss sichergestellt werden, dass die Betriebsstätten den geltenden Hygienevorschriften entsprechen, um die Kontamination von Lebensmitteln zu verhindern.
Die Hygienemaßnahmen umfassen folgende Punkte:
- Die umfassende persönliche Hygiene der Mitarbeiter.
- Sauberkeit der Produktions- und Verarbeitungsbereiche sowie regelmäßige Desinfektion von Oberflächen, Produktionsanlagen, Küchenbereichen, Utensilien und Ausrüstung.
- Richtige Handhabung von Lebensmitteln und angemessene Lagerung, Temperaturkontrollen sowie die Einhaltung der Kühlkette, um Lebensmittelinfektionen und -vergiftungen zu verhindern.
- Rohstoff- und Zutatenkontrolle, denn die Qualität der verwendeten Rohstoffe und Zutaten hat direkte Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit. Lieferanten sollten sorgfältig ausgewählt und überwacht werden, um sicherzustellen, dass die gelieferten Materialien den erforderlichen Standards entsprechen.
- Vermeidung von Kreuzkontamination durch strikte Trennung roher und verarbeiteter Lebensmittel, Verwendung unterschiedlicher Utensilien und Oberflächen für unterschiedliche Arten von Lebensmitteln sowie die ordnungsgemäße Reinigung zwischen den Arbeitsgängen.
- Mitarbeiterschulung im Lebensmittelhygiene und -sicherheit; dies umfasst Schulungen zur Lebensmittelhandhabung, zur Vermeidung von Kontamination und zur Ersten Hilfe im Falle von Verletzungen oder Krankheiten.
- HACCP (Hazard Analysis and Critical Control Points): Dies ist ein proaktiver Ansatz zur Identifizierung, Bewertung und Kontrolle von Risiken in der Lebensmittelherstellung. Ein HACCP-Plan hilft dabei, potenzielle Gefahren zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu minimieren oder zu beseitigen.
- Interne Inspektionen und externe Audits durch Lebensmittelbehörden oder unabhängige Prüfer können helfen, die Einhaltung von Hygiene- und Sicherheitsstandards zu überprüfen und zu gewährleisten.
Kennzeichnung und Verpackung
Die Kennzeichnung von Lebensmitteln ist ein komplexes Thema, welches EU-weit einheitlich geregelt ist. Es muss sichergestellt werden, dass die Produkte korrekt und ausführlich gekennzeichnet sind. Dazu gehört eine vollständige Zutatenliste mit allen verwendeten Zutaten. Diese müssen in absteigender Reihenfolge ihres Gewichts nach geordnet sein. Auch die Nährwertangaben sind in vielen Ländern gesetzlich vorgeschrieben.
Enorm wichtig ist die Allergenkennzeichnung, um Menschen mit einer Allergie zu schützen. Damit sie auf den ersten Blick sehen, welche Allergene enthalten sind, können diese farblich oder fett hervorgehoben werden. Verwendungshinweise, Herkunftsangaben, Nettofüllmenge sowie Verfalls- oder Haltbarkeitsdatum dürfen ebenfalls nicht fehlen.
Auch die Verpackung muss den geltenden Vorschriften entsprechen. Der Schutz der Lebensmittel vor äußeren Einflüssen ist unabdingbar, um die Haltbarkeit zu gewährleisten. Biologisch abbaubare oder wiederverwendbare Materialien helfen, den ökologischen Fußabdruck zu verringern.
Vertriebs- und Verkaufslizenzen
Je nach Art der Vertriebskanäle und dem Standort des Unternehmens werden möglicherweise spezifische Lizenzen oder Genehmigungen benötigt, um die Produkte zu verkaufen. Dazu gehören beispielsweise Lebensmittelhandelsgenehmigungen oder Verkaufslizenzen für Restaurants und Cafés.
Steuern und Abgaben
In vielen Ländern unterliegen Genussmittel bestimmten Steuern und Abgaben. Die relevanten Steuergesetze müssen verstanden und im Anschluss sichergestellt werden, dass alle erforderlichen Steuern korrekt berechnet und abgeführt werden.
6. Vertrieb, Marketing und Branding
Das Produkt oder das Geschäft kann noch so gut sein: Es nützt nichts, wenn niemand es kennt. Ein starkes Branding und Marketing sind entscheidend, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Verschiedene Marketingmaßnahmen helfen, die Zielgruppe zu erreichen und das Produkt bekannt zu machen. Geht es darum, wie ein Produkt verkauft werden soll, gibt es mehrere Möglichkeiten:
- Einzelhandelsgeschäfte
- Online-Plattformen
- Großhandel
- Messen
- Märkte
7. Finanzplanung
Ein detaillierter Finanzplan, in dem
- Startkapital,
- laufende Betriebskosten,
- Produktionskosten,
- Vertriebskosten,
- Marketingkosten und
- erwartete Einnahmen
enthalten sind, ist für die Gründung jedes Unternehmens unerlässlich. Wer bei der Gründung nicht über ausreichend finanzielle Ressourcen verfügt, wird ohne einen wasserdichten Finanzplan auch keinen Kredit bei einer Bank bekommen.
Weiter hilft ein solcher Finanzplan die Rentabilität eines Unternehmens festzustellen. Übersteigen die Kosten die erwarteten Einnahmen um ein Vielfaches, muss die Gründung noch einmal überdacht bzw. die verschiedenen Kosten noch einmal genauer unter die Lupe genommen werden, ob es nicht doch irgendwo Einsparpotenzial gibt.
8. Fazit
Es ist ratsam, Experten wie Unternehmensberater, Rechtsanwälte und Finanzexperten hinzuzuziehen, um sicherzustellen, dass alle Aspekte, die bei einer Gründung beachtet werden müssen, angemessen berücksichtigt wurden. Verschiedene Ratgeber helfen jedoch ebenfalls bei den ersten Schritten.
Gerade in der Genussmittelindustrie warten größere Herausforderungen, um die Auflagen zu erfüllen. Gründer sollten sich davon jedoch nicht abschrecken lassen, sondern motiviert und engagiert ihren Traum verfolgen.
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