Nach den Krisenjahren zählt Nachhaltigkeit
Gemeinsame Werte und Überzeugungen sind die wichtigsten Treiber, um Mitarbeitende motiviert im Unternehmen zu halten. Schauen wir uns um und vergleichen: Nachhaltigkeit ist zum Trend geworden, als begonnen wurde, Unternehmen nach ihren umweltrelevanten Verfahren im Herstellprozess, Verpackungswesen und hinsichtlich ihrer Lieferketten zu messen. Auch eine nachhaltige Führungskultur geht damit einher.
Plötzlich verzichteten Konsumenten auf Nespresso & Co. und die Nutella blieb im Regal stehen – ausschließlich wegen des Aluminium-Kapselmülls bzw. der nicht vertretbaren Ökobilanz. Unsere Wirtschaft und Gesellschaft wird grüner.
Konsumenten kaufen aus Überzeugung und Verantwortungsgefühl. Aus den gleichen Gründen entscheiden sich auch Mitarbeitende für oder gegen einen Arbeitgeber. Um Beschäftigte für sich zu gewinnen und loyal ans Unternehmen und ans Team zu binden, wird auch in der Führung eine nachhaltige Strategie erwartet. Kein „Hire and Fire“ mit Fokus auf Ego und Karriere wie noch vor zehn Jahren überlebt, sondern eine glaubwürdige Verkörperung der gelebten Kultur nach außen, faire Arbeitsbedingungen, gesellschaftliches Engagement und Kommunikation auf Augenhöhe.
Ein Drittel der Erwerbstätigen suchen sich ihre Wunschfirma intrinsisch motiviert aus. In einer globalen Umfrage der Marktforscher von Nielsen aus 2018 waren schon 81% der Befragten der festen Überzeugung, dass Unternehmen grundsätzlich nachhaltiger agieren und zur Verbesserung der Umwelt beitragen sollten.
Vier von fünf Erwerbstätigen erwarten nachhaltige Haltung
Welche Chancen ergeben sich daraus für die Führung, die auf Nachhaltigkeit setzt?
Um nachhaltig in der Zusammenarbeit miteinander wachsen zu können, brauchen wir die Art von Loyalität, die über Faktoren wie psychologische Sicherheit und Vertrauen hinaus eine kulturelle Ebene schafft. Die auf das Teamergebnis mehr Wert legt als auf die Einzelleistung. Und auf der über das Zugehörigkeitsgefühl hinaus auf allen Seiten das Commitment besteht, füreinander da zu sein und einzustehen.
Auf die vielschichtigen Veränderungen reagieren Mitarbeitende sehr unterschiedlich. Ein Teil ist Feuer und Flamme, der andere Teil ist erst einmal zögerlich oder sogar vermeidend, denn Veränderungen führen oft auch zu Ängsten. Viele Menschen begeben sich dabei auf ungewohntes Terrain. In genau diesen Irritationen und Abweichungen von der gewohnten Routine besteht die Herausforderung der Führungskraft: Eine nachhaltige Führungskultur setzt Loyalität in Form der Bereitschaft voraus, dass sich Führungskräfte zuerst dieser schnelllebigen Zeit anpassen, ihren Mitarbeitenden Ängste nehmen und Orientierung bieten.
Auf Handlungsebene bedeutet es, zügig zu agieren und Mut für Innovationen zu haben, um neue Antworten auf den Wandel zu geben. Loyale Führung ist infolgedessen weniger zu kontrollieren und mehr zu koordinieren. Die klassische Hierarchie verliert gegenüber der sozialen Kompetenz an Bedeutung. Denn die aktuellen und anstehenden Veränderungsprozesse werden wir nur gemeinsam – mit der Kompetenz und der Bereitschaft jedes Mitarbeitenden – aktiv gestalten können. Nur auf diesem Weg ist es uns möglich, Widerstände zu vermeiden bzw. auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeitenden für Nachhaltigkeit, so sensibilisieren Sie sie gleichzeitig für Loyalität.
Nachfolgend sind fünf Schritte aufgezählt, anhand derer Sie in Ihrem Unternehmen einen Führungs- und Kulturwandel anstoßen können:
1. Stellen Sie Ihren aktuellen Führungsstil auf den Prüfstand
Am besten werfen sowohl Sie selbst als auch Ihr Führungskräfte-Kollegium einen forschenden Blick auf den in Ihrem Unternehmen vorrangig praktizierten Führungsstil:
- Was sagen Ihre Mitarbeitenden über den Führungsstil? Wie wird Ihre Führung von Kunden und Geschäftspartnern wahrgenommen?
- Wer bewirbt sich bei Ihnen? Wen ziehen Sie an? Wen schrecken Sie womöglich ab?
- Was sagt die Fluktuation in Ihrem Unternehmen über die Bindung Ihrer Beschäftigten aus?
- Wie hoch sind die krankheitsbedingten Fehltage?
- Welches Bild geben Sie als Arbeitgeber ab?
- Was glauben Sie, wie viele Ihrer Leistungsträger auf dem Absprung sind?
- Welches Klima herrscht in Ihrem Unternehmen?
Fassen Sie die Ergebnisse Ihrer Analyse schriftlich zusammen und diskutieren Sie diese im Führungskreis. Formulieren Sie die Aussagen Ihrer Erhebungen so klar aus, dass sie auch auf weitere Anwendungsfelder übertragbar sind. So wird es leichter, die Relevanz für andere Unternehmensbereiche einzuschätzen, die Ergebnisse mit einer klaren Zielintention in Form zu gießen und Handlungsmöglichkeiten abzuleiten. Sie werden erstaunt sein, was sich allein dadurch schon bewegt.
2. Vision für eine neue Führungskultur entwickeln
Nach der Analyse legen Sie intern gemeinsam fest, wie Sie künftig stärker in Netzwerkstrukturen führen und zusammenarbeiten, wie es die moderne Arbeitswelt erfordert. Um diesen Denk- und Verhaltenswechsel gut zu integrieren, ist es auch sinnvoll, den individuellen Bedarf Ihrer Führungskräfte zu prüfen und sie zu befähigen, das neue Vorgehen in ihr Selbstbildnis und ihr Rollenverständnis zu übertragen und eine neue Führungskultur miteinander zu leben.
Fragen in diesem Zusammenhang lauten beispielsweise: Wie wollen Sie mit Führungskräften ohne Veränderungswillen umgehen? Wie sehr können Sie es sich angesichts des Fachkräftemangels heute und in Zukunft leisten, Mitarbeitende durch eine mangelhafte, unqualifizierte Führung zu vergraulen? Seien Sie hier bitte ehrlich mit sich selbst und Ihrem Führungskreis.
3. Den Wandel der Führungskultur als Prozess verstehen und anerkennen
Sicherlich haben Sie diese Daumenregel schon einmal gehört: Eine Strategie überarbeitet man in 100 Tagen, eine neue Struktur erarbeitet man in einem Jahr, eine neue Führungskultur braucht oft drei Jahre oder sogar länger. Deshalb sollte der Punkt Führungswandel ab sofort immer ganz oben auf der Agenda Ihrer Führungskräfte-Meetings stehen.
Im Reflexionsprozess können Sie sich an nachfolgenden Fragen orientieren:
In welchen Situationen merken wir, dass sich der Führungsstil bereits verändert hat?
Woran erkennen wir, dass wir immer öfter und besser in Netzwerkstrukturen denken und arbeiten?
- Wie erkennen unsere Kunden, dass bei uns eine neue Zeitrechnung begonnen hat? Und was haben sie davon?
- Woran merken unsere Familienangehörigen, Partner:innen, Freunde, dass wir eine neue Führungskultur leben? Inwiefern wirkt sich das auch positiv auf sie aus?
- Welche unserer Führungsziele erfüllen das Prinzip der Nachhaltigkeit?
- Wie konform gehen Ihre persönlichen und beruflichen Ziele bzw. die der Führungskräfte mit dem neuen Führungsverständnis und den Leitlinien des Unternehmens?
- Auf welche Weise merken Sie bei Ihren Mitarbeitenden eine Veränderung dahingehend, dass diese sich wertgeschätzt fühlen und in ihren Aufgaben einen Sinn sehen?
4. Der royale Weg zu Loyalität: Entwickeln Sie Ihre Führungskräfte zu Sinn- und Kulturstiftern
Den nächsten Schritt bildet die Inspektion der Haltung und des Verhaltens im systemischen Sinn. Mit diesem Blickwinkel können Führungspersonen viel Positives zum Führungswandel beisteuern. Durch ihre angepasste Kommunikation an die persönlichen Bedürfnisse und Verbindungen ihrer Mitarbeitenden holen sie diese viel besser ab und ernten dadurch mehr Veränderungsbereitschaft. Die systemische Sichtweise entlastet auch die Führungskraft selbst, da sie komplexen Aufgaben gelassener und effizienter begegnet. Kurzum: Je mehr Ihrer Führungskräfte systemisch denken und über soziale und kommunikative Kompetenz verfügen, desto schneller werden Sie einen Kulturwandel in Ihrem Unternehmen herbeiführen können.
5. Ihr neuer Zielkodex: Mit Wertschätzung Ihre Wertschöpfung neu definieren
Engagement und Motivation haben sehr viel damit zu tun, wie sehr sich Ihre Mitarbeitenden mit den Zielen des Unternehmens identifizieren können. Angesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit erwarten Beschäftigte heute von „ihrem“ Unternehmen, Haltung zu (umwelt-) politischen, gesellschaftlichen, sozialen Belangen zu beziehen und einen Beitrag zur Lösung zu leisten. Wie beantworten Sie folgende Fragen?
- Wie nachhaltig sind Ihre Unternehmens-Ziele und woran messen Sie das?
- Stillen Ihre Produkte und/oder Dienstleistungen ein wirkliches Bedürfnis und kein künstlich erzeugtes? Stellen sie eine wirkliche Wertschöpfung dar?
- Sind Ihre Arbeitsweise, Ihre Produktions- und Lieferprozesse ökologisch vertretbar, d. h. schonen die Umwelt und erhalten Lebensräume?
- Sind Ihre Produkte und Dienstleistungen ethisch vertretbar, d.h., schaden sie niemandem und nutzen sie niemanden aus?
- Welchen Beitrag kann Ihr Unternehmen leisten, um Vorreiter für eine Kultur zu sein, die den Schutz der Natur ernst nimmt und Menschen mit ihrem Arbeitseinsatz höchste Wertschätzung und Respekt entgegenbringt?
Bildnachweis: ©istockphoto.com/NicoElNino
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