In Betrieben mit Betriebsrat funktioniert die Weiterbildung besser
Mitbestimmte Betriebe tun insgesamt mehr für die Qualifizierung ihrer Beschäftigten als nicht mitbestimmte. In jedem zweiten Betrieb bemühe sich der Arbeitgeber, die Beschäftigten für aktuelle Anforderungen zu qualifizieren. Dennoch halten viele Betriebsräte die Anstrengungen ihrer Unternehmen für unzureichend.
Dies sind die Ergebnisse einer Studie von Serife Erol und Elke Ahlers vom WSI. Diese basiert auf einer Befragung von mehr als 2700 repräsentativ ausgewählten Betriebsräten Mitte bis Ende 2021. Eine langfristige Qualifizierungsplanung, die darauf abzielt, die Beschäftigten auch für zukünftige Anforderungen fit zu machen, haben nur knapp 43 Prozent der Betriebe.
Grundsätzlich gilt: Wenn es einen Betriebsrat gibt, werden Weiterbildungen häufiger angeboten und mehr Beschäftigte nehmen daran teil; insbesondere ältere, gering qualifizierte oder befristet Beschäftigte haben einen besseren Zugang. Außerdem übernehmen die Arbeitgeber dann häufiger die Kosten der Weiterbildung und sorgen für die notwendigen Freistellungen. Besonders ausgeprägt ist der positive Effekt in Betrieben mit technologischem Nachholbedarf.
Aber auch in den mitbestimmten Betrieben muss mehr getan werden: Laut Betriebsrätebefragung geben nur knapp 48 Prozent der Arbeitnehmervertreter und -vertreterinnen an, dass der Arbeitgeber die Beschäftigten bei der Weiterbildung ausreichend finanziell unterstützt. Und nur gut 38 Prozent stellen fest, dass den Beschäftigten ausreichend Zeit dafür eingeräumt wird.
Weiterbildungsgesetz wichtig, aber Bildungszeit fehlt
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse bewerten die WSI-Forscherinnen den kürzlich vorgelegten Entwurf der Bundesregierung für ein Weiterbildungsgesetz als wichtigen Schritt in die richtige Richtung: Das darin vorgesehene Qualifizierungsgeld würde von Arbeitslosigkeit bedrohte Beschäftigte durch einen teilweisen Lohnersatz finanziell absichern, während sie sich für einen zukunftssicheren Arbeitsplatz im selben Betrieb weiterbilden, so Erol und Ahlers.
Ein großes Defizit sehen die Forscherinnen allerdings: Bedauerlich sei, dass die ursprünglich vom Bundesarbeitsministerium angestrebte Bildungszeit aufgrund von Widerständen in der Ampelkoalition nicht umgesetzt wurde. Sie hätte dafür sorgen können, dass mehr Beschäftigte tatsächlich die nötige Zeit für Qualifizierungsmaßnahmen bekommen.
„Bildungszeit kann die Beschäftigten dabei unterstützen, ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten eigenständig wahrzunehmen. Insbesondere für solche Beschäftigte, die von ihren Arbeitgebern kaum Weiterbildungsangebote erhalten, kann diese Bildungszeit von großem Nutzen sein“, betonen Erol und Ahlers.
Erweiterte Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten bei Weiterbildungsmaßnahmen
Verbesserungsbedarf sehen die Wissenschaftlerinnen auch an anderer Stelle: Bislang sind die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte beim Thema Weiterbildung vergleichsweise schwach. So können sie zwar Vorschläge für Qualifizierungsangebote machen, das Management kann diese aber ignorieren. Zudem informieren viele Arbeitgeber die Interessenvertretungen erst spät oder unzureichend über Strategieänderungen, die sich auf die Qualifikationsanforderungen an die Belegschaft auswirken. Dies führt in der Praxis häufig dazu, dass sich die Arbeitnehmervertretungen bei insgesamt hoher Arbeitsbelastung auf andere wichtige Themen konzentrieren, bei denen sie mehr bewegen können.
Betriebsräte könnten aufgrund ihrer guten Kenntnisse der Arbeitsabläufe und der Potenziale der Beschäftigten eine wichtige Mittlerrolle beim Thema Weiterbildung einnehmen, so die Expertinnen. Dazu bräuchten sie aber erstens eine bessere Ausstattung, etwa durch mehr Freistellungen, und zweitens echte Mitbestimmungsrechte. Und dies am besten nicht nur bei Weiterbildungsmaßnahmen im engeren Sinne, sondern auch bei der Personalplanung und -bemessung, um ausreichende Vertretungskapazitäten sicherzustellen.
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