Unternehmensübernahme aus der Insolvenz: Chance auf Fachkräfte?
Unternehmensführung

Unternehmensübernahme aus der Insolvenz: Chance auf Fachkräfte?

Porträtfoto von Simon Leopold, Unternehmensberater und Geschäftsführer der ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG
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Ein Unternehmen aus der Insolvenz heraus zu übernehmen, kann eine sinnvolle Option für strategische Investoren sein. Neben Vorteilen wie dem Zuwachs von Produktionskapazitäten, der Vertiefung der Lieferkette oder dem Ausbau der Produktpalette spielt hierbei zunehmend auch das Sichern von Fachkräften eine Rolle.

Denn: Im Jahr 2022 erreichte der Fachkräftemangel in Deutschland ein Rekordniveau. Laut einer Studie des IW Köln konnten im vergangenen Jahr mehr als 630.000 Stellen aufgrund fehlender qualifizierter Bewerber:innen nicht besetzt werden.

Engpässe zeigen sich dabei besonders im Bereich Gesundheit und Soziales, im Bau sowie auch in der IT-Branche. Prognosen zufolge soll es allein im Gesundheitswesen bis 2035 an etwa 500.000 Pflegekräften mangeln.

Insolventes Unternehmen kaufen, Fachkräfte sichern – wann lohnt die Strategie?

Während Transaktionsprozesse bei gesunden Unternehmen oft viele Monate dauern, stehen in der Insolvenz häufig nur wenige Wochen zur Verfügung. Für Betriebe kann sich so kurzfristig die Gelegenheit ergeben, durch eine Übernahme die eigene Position am Markt zu stärken und auszubauen. Die in der Regel geringeren Kaufpreise können für potenzielle Übernehmer interessant sein – da es bei Firmen mit einem operativ gesunden Kern jedoch häufig mehrere Bieter gibt, kommen reine „Schnäppchenjäger“ eher selten zum Zug.

Die Kaufenden können nicht selten entscheiden, ob sie durch einen Share Deal den gesamten Betrieb übernehmen oder mit einem Asset Deal lediglich ausgewählte Unternehmensgüter erwerben. Damit das ersehnte Fachpersonal auch tatsächlich mit übernommen werden kann, müssen die Verträge entsprechend ausgestaltet werden. Es muss zu einem sogenannten Betriebsübergang kommen, bei dem die Rechte und Pflichten bezüglich der Belegschaft vom Verkäufer auf den Käufer übergehen.

Der Kauf aus der Insolvenz – eine Herausforderung

Trotz der verlockenden Aussicht, schnell qualifizierte Fachkräfte zu übernehmen, stehen Interessenten bei solchen Deals vor einigen Herausforderungen. Beim Kauf eines insolventen Unternehmens gehen schließlich auch die mit der Fortführung verbundenen Risiken auf den neuen Eigentümer über. Es muss daher geprüft werden, ob das eigene Unternehmen wirtschaftlich in der Lage ist, Sanierungsmaßnahmen umzusetzen. Auch sollte es den erworbenen Betrieb nachhaltig aus der Talsohle holen. Und es sollte ein funktionierendes Arbeitsklima für die neue Belegschaft aufbauen. Je länger der Verkaufsprozess selbst dauert, desto größer ist zudem die Gefahr, dass essenzielle Lieferanten, Kunden und die erhofften Fachkräfte abspringen.

Genau prüfen und die richtige Vertragsform wählen

Zu Anfang sollten Käufer sich daher einen möglichst genauen Einblick in das Unternehmen, die Krisenursachen und die Potenziale verschaffen. Auch wenn diese sogenannte Due-Diligence-Prüfung aufgrund des Zeitdrucks oft knapper ausfällt.

Der Kauf über einen Asset Deal mag zwar etwas kleinteiliger sein, ermöglicht hier aber die Wahl der Objekte, die in das eigene Sanierungskonzept passen. Außerdem werden dabei Schulden, Pensionsverpflichtungen, steuerliche Haftungsansprüche oder auch Schadensersatzleistungen nicht auf den Käufer übertragen. Beim Erwerb aus der Insolvenz profitieren Kaufende zudem von Besonderheiten wie einem vereinfachten Kündigungsrecht und anpassbaren Mietverträgen.

Kommt es zur Übernahme, muss die Belegschaft rechtzeitig informiert werden. Im besten Falle sichert eine gezielte Change Communication die Loyalität der neuen Angestellten. Wird der Übergang intern nicht ausreichend kommuniziert, kann eine spätere Abwanderung des erhofften Schlüsselpersonals die Folge sein.

Tipps zum Unternehmenskauf

  • Zu Beginn sollten durch intensiven Austausch beider Parteien eine Vertrauensbasis geschaffen und die Möglichkeiten einer übertragenden Sanierung ausgelotet werden.
  • Mögliche Dealbreaker wie zu unterschiedliche Preisvorstellungen oder unvollständige Unterlagen sollten besprochen und ausgeschlossen werden.
  • Das Hinzuziehen von Experten, beispielsweise Anwaltskanzleien mit einer
    Spezialisierung auf Firmen- und Insolvenzrecht oder Beratern mit Erfahrungen im Krisenverkauf, ist für ein Gelingen unbedingt ratsam.
  • Aufgrund des hohen Zeitdrucks sollte der Prozess strukturiert, proaktiv und zügig angegangen werden – so sinkt die Gefahr, dass Schlüsselpersonal vorzeitig abwandert.

Fazit: Vorbereitung ist das A und O


Wie so oft sind eine gründliche Vorbereitung sowie korrekte Herangehensweise von großer Relevanz – das gilt besonders für die Unternehmensübernahme. Im Vorhinein sollte möglichst detailliert geklärt werden, welche Ansprüche oder Ziele ich als Übernehmer verfolge und welche Risiken die Übernahme birgt: „Wiegt die langfristige Sicherung von Personal tatsächlich mögliche Gefahren durch einen unglücklich verlaufenen Unternehmenskauf auf?“ Lassen sich solche Fragen nicht im Alleingang klären, kann externe Expertise für eine nüchterne Bewertung
sorgen. Zudem können Experten bei der Durchführung des Kaufvorhabens unterstützen und eventuelle Stolpersteine im Prozess beseitigen.

Bildnachweis: ©istockphotos.com/designer491

Über den Autor

Porträtfoto von Simon Leopold, Unternehmensberater und Geschäftsführer der ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG

Simon Leopold Simon Leopold ist seit 2006 Unternehmensberater und seit 2013 Geschäftsführer der ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG. Nach Banklehre und Wirtschaftsstudium war er zunächst als Kreditanalyst für Firmenkunden und im Beteiligungscontrolling einer Regionalbank tätig. Zu seinen Schwerpunkten gehören unter anderem Unternehmensrestrukturierungen und -sanierungen, Interimsmanagement, Liquiditäts- und Finanzplanung sowie Unternehmenstransaktionen. abg-consulting.de
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