Gehören Emotionen an den Arbeitsplatz?
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Gehören Emotionen an den Arbeitsplatz?

Britta Balogh-Coach
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Während die einen Emotionen am Arbeitsplatz als unprofessionell empfinden und ablehnen, raten Arbeitspsychologen dazu, offen mit ihnen umzugehen. Emotionen gelten heute als Treiber für Kreativität und sind Bestandteil der modernen Firmenkultur. Müssen Unternehmen daher lernen, mit Emotionen ihrer Belegschaft (besser) umzugehen?

Sie haben in einer Verhandlung schon einmal die Nerven verloren oder hatten einen Wutausbruch in einem Meeting? Ihnen gehen ab und zu die Emotionen durch und die Tränen fließen? Darf das am Arbeitsplatz sein oder gehören Gefühle dort nicht hin und müssten zu Hause bleiben?

Arbeitspsychologen raten dazu, offen mit den eigenen Emotionen umzugehen. Das ist für die Psyche gesünder als negative Erlebnisse und Stimmungen in sich hineinzufressen und sich zu verstellen. Da wo Unklarheit und Unverständnis besteht, gewinnen Missverständnisse und Konflikte an Raum und Bedeutung. Andererseits kann es nicht sein, dass die Führungskraft und Teammitglieder die Gefühlswelt aller Beteiligten auffangen und neutralisieren sollen, oder doch? Müssen Unternehmen lernen, mit Emotionen ihrer Belegschaft (besser) umzugehen?

Die meisten Menschen wünschen sich in ihrer Arbeitsumgebung einen lockeren und persönlichen Umgang und eine warmherzige Atmosphäre mit guter Stimmung. Dies ist tatsächlich erstrebenswert, denn eine solche Atmosphäre hat mit Bindung, Vertrauen, Loyalität, emotionaler Intelligenz und Höflichkeit zu tun und fördert die eigenen Fähigkeiten. Es ist der Nährboden für Entfaltung und Exzellenz. Was passiert jedoch, wenn wir unsere schlechten Tage mit ins Büro bringen? Wenn uns negative Erlebnisse, Unzufriedenheit, Frust, private Probleme und Trauer einnehmen, die Stimmung am Boden ist und dementsprechend unsere Arbeitsleistung, Konzentration und Innovation deutlich nachlassen?

Punktuell ist das sicher kaum ein Problem. Sind es jedoch Phasen, in denen wir emotional instabil sind, explosiv antworten oder es zu unserem Wesen gehört, hoch emotional zu reagieren, kann es schnell zu einem Problem für die Gemeinschaft und das Teamergebnis werden. In dem Fall wird es für die Kolleg:innen schwer, Verständnis und Empathie aufzubringen, um das Teammitglied aufzufangen.

„Wenn Du denkst, dass nur Deine größten und strahlendsten Momente zählen, wirst Du Dich meistens wie ein Versager fühlen.“ Chris Hadfield, ehemaliger Astronaut der Canadian Space Agency

Was können Sie tun, um Ihre Emotionen im Griff zu behalten?

Selbstreflexion:

Horchen Sie in sich hinein und nehmen Sie wahr, was gerade mit und bei Ihnen los ist. Was ist der Auslöser für Ihre Stimmung, Ihre Emotionen oder Ihren Ausbruch? Wie lange gärt da schon etwas? Haben Ihre negativen Gefühle mit Ihrer Arbeit selbst zu tun, sollten Sie sich fragen, was genau die innere Unzufriedenheit in Ihnen auslöst.

Betrachten Sie Ihre Emotionen als Information von vielen und blicken Sie von der Metaebene darauf. Wie schlimm ist es wirklich? Haben Sie sich verrannt? Ist es ein Muster, was immer wieder auftritt?

Eigenverantwortung übernehmen, offene Kommunikation:

Wenn Sie Ihre Emotionen eingeordnet haben, schauen Sie auf die Situation und stellen Sie fest, welchen Anteil Sie selbst an Ihrer Stimmung haben. Sammeln Sie sich, ordnen Sie Ihre Emotionen ein und teilen Sie sich Ihren Kolleg:innen und Ihrem Team mit. Vieles entspannt sich, sobald das Umfeld versteht, was Sie gerade bewegt. Für Sie selbst ist es entlastend, sich erklärt zu haben.

Es ist nicht von Nöten und nicht ratsam, Einzelheiten auszubreiten. Es reicht schon zu erklären, dass es z.B. einen privaten Vorfall gegeben hat, der gerade Ihre Gedanken einnimmt und Ihnen die Konzentration schwer macht. Bei einer guten Atmosphäre im Team werden Sie auf Verständnis stoßen und es kann sogar den Teamgeist stärken. Sich verletzlich zu zeigen und sich zu öffnen, ist ein Vertrauensbeweis. Überfrachten Sie jedoch Ihrer Gesprächspartner nicht mit Details. Das kann denjenigen oder diejenige überfordern und das Verständnis mag sich in Ablehnung und Abgrenzung verkehren.

Offenheit ist allerdings nicht als „Freihfahrtschein“ für das unbegrenzte Ausleben Ihrer Stimmungen und Emotionen zu verstehen. Im Arbeitskontext wird eine gewisse Souveränität und Selbstbeherrschung erwartet. Unkontrollierte Ausbrüche jeglicher Art überschreiten Grenzen und überfordern andere. Es gibt einen Auslöser für Gefühle und Ausbrüche. Es ist wichtig zu verstehen, dass sie in jedem selbst entstehen und daher sind Sie selbst auch dafür und für die Art und Weise wie sie Ausdruck finden verantwortlich. Achten Sie darauf, Ihre Ausdrucksweise im Griff zu behalten. Teammitglieder und die Führungskraft können dabei helfen, in einem Feedback auf No-Gos und Grenzüberschreitungen hinzuweisen.

Wie können Sie als Führungskraft mit Emotionalität am Arbeitsplatz umgehen?

Nehmen Sie Ihre Mitarbeitenden wahr und ernst, anstelle sie mit Sprüchen wie: „Jetzt machen Sie mal halblang“ zu maßregeln und abzukanzeln. Hinter einem emotionalen Ausbruch in einer Diskussion liegt meist ein ernsthaftes und legitimes Anliegen. Finden Sie heraus, worum es geht und was die Kolleg:in so emotional bewegt. Was hindert ihn sachlich zu bleiben?

Oftmals reagieren wir emotional, wenn wir uns oder unser Tun bedroht, bedrängt, unverstanden oder missachtet fühlen. Welche innere Not führt zu der gezeigten Emotion? Wie oben geschildert, können das punktuelle private Umstände sein. Es kann jedoch auch Ausdruck der Persönlichkeit und ein Dauerzustand sein. Beides erfordert einen differenzierten Umgang mit dem Betroffenen.

„Wie sind Sie heute hier?“Im Coaching nutzt man häufig diese Frage als Einstieg ins Gespräch. Damit ist nicht gemeint, wie Sie zum Termin gekommen sind, ob es einen Stau gab oder ähnliches. Gemeint ist, wie Sie in den Tag gestartet sind, was Sie bewegt, ob Sie sich wohlfühlen. Es ist ein kurzer Moment der Selbstreflexion, der den Blick von der Metaebene auf sich selbst und das aktuelle Befinden ermöglicht.

Diese Frage eignet sich für Meetings, als Auftakt für ein Einzelgespräch und ebenso für einen Austausch an der Kaffeemaschine, wenn Ihnen auffällt, dass eines Ihrer Teammitglieder in keiner guten Verfassung ist. Wenn Sie die Frage stellen, sollten Sie echtes Interesse an der Antwort haben und Ihrem Gegenüber auch Zeit einräumen. Eine schnelle Antwort zwischen Tür und Angel hilft keinem und verstärkt eher die negativen Emotionen.

Offen und empathisch

Gute Führung gelingt dann, wenn Führungskräfte offen kommunizieren, sich selbst mit ihren Freuden, Nöten und Sorgen zu erkennen geben und es darüber schaffen, dass sich Mitarbeitende trauen, in schwierigen Situationen Gefühle zu zeigen. Es ist essentiell wichtig, den Teammitgliedern zu vermitteln, dass die gezeigten Emotionen wertfrei aufgenommen werden und das Verhältnis nicht darunter leidet. Es ist eine Frage der Unvoreingenommenheit und Dankbarkeit, wenn Ihnen dieses Vertrauen entgegengebracht wird.

Verwehren Sie jedoch die Möglichkeit, Gefühle zeigen zu dürfen, bedeutet es gleichermaßen, dass auch Schwäche nicht gezeigt werden darf. Damit unterbinden Sie Vertrauen und Loyalität.

Für Sie als Führungskraft kann es schwierig werden, die Balance zwischen professioneller Distanz, Empathie und Unterstützung zu wahren. Sind die Emotionen des Mitarbeitenden ein dauerhaftes Problem und beeinträchtigen sie das Team, wäre es ratsam, auf Hilfe bei einem Psychologen/Therapeuten hinzuweisen. Sie haben die Aufgabe, Coach, Mentor und Enabler zu sein, Ihre Aufgabe ist es jedoch nicht, sich auf die psychologische Ebene zu begeben.

Haben Sie selbst Not, empathisch mit Ihren Mitarbeitenden umzugehen, sollten auch Sie an der Verbesserung arbeiten, denn Empathie und emotionale Intelligenz gehören zu den Kernkompetenzen einer Führungskraft und sind Stützpfeiler einer produktiven Arbeitsatmosphäre.

Gefahren für Arbeitserfolge im emotionsfreien Raum

Wenn Arbeitgebende den Emotionen Ihrer Mitarbeitenden keinen Raum geben, hat das schwerwiegende Folgen:

Es entsteht ein Mangel an Vertrauen, Loyalität und damit Bindung. Haben Mitarbeitende das Gefühl, ihre Emotionen und Bedürfnisse verbergen zu müssen, kann sich die Persönlichkeit und Kreativität nicht entfalten. Sie tragen nur eine Fassade zur Schau und verbergen persönliche Probleme und Sorgen dahinter. Dies führt zu Einbußen an Produktivität, Innovation und Erfolg. Die zwischenmenschliche Beziehung leidet. Eine offene und vertrauensvolle Kommunikation wird unterbunden.

Es gibt keine Fehlerkultur, denn einen Fehler eingestehen zu können, braucht Vertrauen darauf, dies angstfrei und unbeschadet tun zu können. Scham, Unsicherheit, Verletzlichkeit und schlechte Gefühle verhindern dies. Die Weiterentwicklung des Einzelnen und des Teams wird behindert, bzw. vereitelt.

Eine Studie bei Linkedin ergab, dass 41 Prozent der Befragten davon überzeugt sind, dass gelebte Gefühle im Arbeitsleben nicht gern gesehen werden. Zwei Drittel derer findet jedoch, dass sich ein offener Umgang mit Emotionen positiv auf den Zusammenhalt und die Produktivität des Teams auswirkt. Obwohl folglich die Erkenntnis da ist, dass Emotionen am Arbeitsplatz förderlich sind, sofern sie im Rahmen bleiben, werden diese jedoch durch die Sorge, sie seien unprofessionell, nicht gelebt. Dies betrifft insbesondere Frauen, die durch gezeigte Emotionen schnell in die Vorurteilsfalle laufen.

Fazit

Gefühle mit an den Arbeitsplatz zu bringen und sie zu zeigen ist somit nicht unprofessionell, sondern gehört zum Arbeitsalltag dazu. Schließlich sind wir alle keine Roboter. Emotionen sind ein wichtiger Bestandteil einer gesunden und produktiven Arbeitskultur und gehören zum psychischen Wohlbefinden.

Führungskräfte und Mitarbeitende können durch Schulungen und Coachings in den Soft Skills emotionaler Intelligenz, Empathie und Kommunikationsfähigkeit unterstützt werden, um den angemessenen Umgang mit Emotionalität zu fördern.

Arbeitgebende sollten sich Gefühlen nicht verschließen und sie nicht ablehnen, denn die Mitarbeitenden fühlen sich gewertschätzt, wenn sie sich menschlich zeigen dürfen und nicht nur funktionieren müssen. Sie sind kein Arbeitsmaterial. Durch das Ausleben von Emotionen – in einem verträglichen Maß – können Krankheiten und Burn-Out vermieden werden.

Es ist sinnvoll, die eigenen Emotionen wahrzunehmen, zu analysieren, sie einzuordnen und angemessen darauf zu reagieren. Es entlastet, den Kolleg:innen die Gründe dafür zu kommunizieren. Meist kehrt dann ein Stück Konzentration wieder zurück. Diejenigen, die sich öffnen, zeigen Vertrauen, denn sie begeben sich mit ihrer Verletzlichkeit, Wut, Enttäuschung und Sorgen in die Hand des Gesprächspartners. Dieser hat nun die Möglichkeit, emphatisch und vertrauensvoll darauf zu reagieren und beruhigend einzuwirken.

Bildnachweis: ©istockphoto.com/MangoStar_Studio

Über den Autor

Britta Balogh-Coach

Britta Balogh Britta Balogh ist seit über 22 Jahren selbstständig. Als Karrierecoach, Trainerin und Autorin unterstützt, begleitet und entwickelt sie Führungskräfte und Teams auf ihrem Berufsweg. Sie ist als Top-Coach gelistet. In Ihren Coachings und Artikeln behandelt sie Themen wie Führung, Kommunikation, Konflikte, Soft Skills und die Business Etikette In ihren Blogbeiträgen untersucht sie diese Themen und gibt Hinweise für Führungskräfte und Personalentwickler. www.balogh-coaching.de
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