Zwei Drittel der Führungskräfte sprechen nicht über eigene Fehler
Führungskräfte und Angestellte sind vom großen Wert einer positiven Fehlerkultur in den Unternehmen überzeugt. Dennoch zeigen sich erhebliche Versäumnisse – insbesondere was die Fehlerkompetenz und Vorbildfunktion der Vorgesetzten betrifft. Wie sehen diese konkret aus?
Zusammenfassung der Studie
- Oberstes Gebot für ein gutes Fehlermanagement: Der offene Umgang mit Fehlern
- Laut 50 Prozent der Führungskräfte gefährdet eine mangelnde Fehlerkultur die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen
- 82 Prozent der Führungskräfte in der Finanzbranche kehren ihre Fehler ganz oder teilweise unter den Teppich
So haben 64 Prozent der in der Studie „Fehlerkultur Report 2023“ der Unternehmensberatung EY befragten Führungskräfte in den vergangenen beiden Jahren eigene Fehler gar nicht oder nur teilweise zugegeben. Besonders alarmierend ist der Wert in der Finanzbranche. Hier haben 82 Prozent der Führungskräfte ihre Fehlschläge vollständig oder teilweise unter den Teppich gekehrt.
Zum Umgang mit Fehlern in ihrem Unternehmen wurden rund 1.000 Führungskräfte und Angestellte aus den Branchen Maschinenbau, Transport und Logistik, Automobilhersteller und -zulieferer sowie Banken und Versicherungen befragt. Durchgeführt wurde die Studie von EY in Kooperation mit der ESCP Business School und der Hochschule Hamm-Lippstadt.*
Führungskräfte haben Schlüsselrolle inne
„Der Hang, eigene Fehler zu verschweigen, ist umso gefährlicher, als Führungskräfte bei der Etablierung einer positiven Fehlerkultur eine Schlüsselrolle spielen“, mahnt Nelson Taapken, EY Partner im Bereich People Advisory Services. Eine positive Fehlerkultur bedeutet laut dem Experten für Transformation und Führung, dass Betriebe Fehler proaktiv und konstruktiv managen, anstatt sie zu verschweigen oder zu sanktionieren. Dies habe einen starken Einfluss auf die Profitabilität des Unternehmens, seine Innovationskraft und die Qualität der Produkte und Services.
Auch die Befragten wissen um die große Bedeutung einer positiven Fehlerkultur und deren Förderung durch die Führungskräfte: Auf einer Skala von 1 bis 10 vergeben sie hohe Werte von 8,1 bis 9,3 für die Relevanz eines proaktiven und konstruktiven Umgangs mit Fehlern durch Vorgesetzte. Besonders relevant sind aus Sicht der Angestellten das Zugeben eigener Fehler (63 Prozent), das direkte Beheben von Fehlern (52 Prozent) sowie die Ermutigung zu einem regelmäßigen Austausch über Fehlschläge (49 Prozent).
„Oftmals reichen schon kleine, aber konsequent vorgelebte Verhaltensänderungen aus, um einen großen Unterschied zu machen“, so Taapken. Insgesamt kläre die „Demut“ der Führungskräfte 47 Prozent der Fehlerkultur im Unternehmen auf. Demut bei Führungskräften zeige sich in der Bereitschaft, sich selbst richtig einschätzen zu wollen, wertschätzend gegenüber anderen zu sein und in der Offenheit, von anderen lernen zu wollen.
Mangelnde Fehlerkultur gefährdet Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit
Auch die Gefahr einer mangelnden Fehlerkultur ist den Befragten bewusst: Jeweils die Hälfte der Führungskräfte sorgt sich um die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens bzw. befürchtet, dass Fehler sich zu Skandalen ausweiten. 44 Prozent prophezeien eine Demotivation der Mitarbeitenden. Zudem geben die Befragten an, dass sie eine konstruktive Fehlerkultur als wichtig für die Attraktivität eines Arbeitgebers betrachten, was in Zeiten des Fachkräftemangels an Bedeutung gewinnt.
Als Hindernisse für den konstruktiven Umgang mit Fehlern sehen Führungskräfte vor allem alte Gewohnheiten (50 Prozent), Angst vor Gesichtsverlust (48 Prozent) und fehlendes unternehmerisches Denken der Mitarbeiter (38 Prozent). Die Hauptgründe, aus denen Führungskräfte nicht zu ihren eigenen Fehler stehen: Sorge vor Karrierenachteilen (43 Prozent) und Angst vor Jobverlust (34 Prozent). Analysiert nach Branchen zeigt sich, dass die Sorge vor Karrierenachteilen insbesondere in der Finanzwirtschaft und der Fertigung hoch ist (jeweils 58 Prozent).
New Work wirkt positiv auf die Fehlerkultur, ist jedoch nur schwach ausgeprägt
Zudem zeigt die Studie, dass moderne Arbeitsbedingungen (z.B. Hybrid Work und New Work) einen positiven Einfluss auf die Fehlerkultur im Unternehmen haben. Sowohl Führungskräfte als auch Angestellte erklären, dass sich die Fehlerkultur durch ihre Einführung verbessert hat.
Allerdings: New Work ist in den untersuchten Unternehmen auch nach der ausgeprägten Diskussion in den Pandemiejahren nur sehr schwach ausgeprägt. So erklären lediglich 28 Prozent der Befragten, dass sie in ihrem Unternehmen dabei unterstützt werden, sich im Hinblick auf eine flexible Arbeitswelt weiterzuentwickeln.
Umstellung auf moderne Arbeitsmethoden
41 Prozent geben an, dass in ihrem Unternehmen gemeinsam flexible Arbeitsarrangements entwickelt werden und 46 Prozent erklären, dass die Teammitglieder gegenseitig ihrer Arbeit vertrauen. „In allen untersuchten Punkten von Hybrid Work und New Work ebenso wie für die Fehlerkultur insgesamt gibt es noch viel Luft nach oben“, erklärt Taapken. Firmen sollten die Chancen einer konsequenten Umstellung auf moderne Arbeitsmethoden nutzen und dabei auch die Fehlerkultur systematisch weiterentwickeln.
Um die Fehlerkultur im eigenen Unternehmen zu verbessern, wünscht sich auch die Hälfte der Befragten den intensiveren Einsatz innovativer und agiler Methoden bzw. ein Vergütungssystem, das Innovationen fördert und Fehler nicht bestraft. Noch stärker gefragt sind von 53 Prozent der Befragten Innovationsprogramme, die Mitarbeitende ausdrücklich zum Ausprobieren und Experimentieren ermutigen. Ebenfalls gewünscht werden Trainings für Führungskräfte (48 Prozent) und Mitarbeitende (45 Prozent). Nicht besonders beliebt hingegen sind die sogenannten Fuckup Nights, bei denen bei einem Event über persönliche berufliche Fehlschläge berichtet wird: 54 Prozent der Befragten geben an, dass es in ihrem Unternehmen dieses Format nicht gibt und es auch nicht geben sollte.
*Konzipiert wurde die Studie in Kooperation mit Prof. Dr. Christoph Seckler, Assistant Professor of Entrepreneurial Strategy an der ESCP Business School und Prof. Dr. Sebastian Fischer, Professor für „Wirtschaftspsychologische Methoden“ an der Hochschule Hamm-Lippstadt.
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