Loyalität und Machtspielchen in Unternehmen
Manipulation

Loyalität und Machtspielchen in Unternehmen

Porträtfoto von Miriam Engel, Gründerin von loyalworks
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Hierarchien gehören im Job dazu. Doch wenn Macht außerhalb von Werten und Moral ausgespielt wird, müssen Grenzüberschreitungen geahndet werden. Dieser Beitrag gibt Einsicht in manipulative Spielarten und bietet 10 kommunikative Formeln für mehr Loyalität und um sich klar zu positionieren.

Menschen, die keine Ausnahme sind, sind aller Wahrscheinlichkeit nach bereits diversen Aggressionsmechanismen im Arbeitsleben ausgesetzt gewesen. Sie wissen vermutlich, dass die typischen, häufig vorkommenden Hackordnungskämpfe um Rang und Eitelkeit, die zumindest im direkten Konfliktgespräch geklärt werden können, die weit harmloseren sind. Man nennt sie vertikale Auseinandersetzungen.

Daneben gibt es allerdings die weit diffizileren, horizontalen Auseinandersetzungen, bei denen sich Aggression nicht nur situativ äußert, sondern vor allem relational. Bei dieser Form des Konfliktes baut der Stress nicht auf einer einzigen Situation auf, sondern die ganze Beziehung zwischen zwei Meinungsseiten wird zum Träger der Aggression. Das bedeutet, dass sich ein solcher horizontaler Konflikt einerseits über längere Zeit aufbaut und damit auch länger anhält.

Das Gemeine daran sind die methodischen Steigerungsmöglichkeiten, die über die Konkurrenz hinaus sich auf der Ebene der persönlichen Nähe abspielen und den Entzug von Zugehörigkeit als Kampfmittel einsetzen. Dieses manipulative Nähe-Distanz-Spiel findet häufiger unter Frauen innerhalb einer Arbeitsgemeinschaft statt. Männer sind seltener in solche Intrigen involviert, da sie Rangordnungen spielerischer ausfechten und die meisten Problemlösungen mehrheitlich rational klären wollen.

Getarnte Aggression zur Machtausübung

Hier bewegen wir uns allerdings auf einer ganz anderen Ebene. Die getarnte Aggression ist von einer rituellen Höflichkeit verschleiert. Es wird ambivalent gelächelt. Während Männern diese Strategie der Konfliktausübung oft als bedeutungslos, wenn nicht sogar übertrieben unterwürfig vorkommt, wirken diese Signale für unreflektierte Personen als rangmindernd und geradezu als Einladung, sich jetzt erst recht durchzusetzen.

Lächel-Attacken à la „Dieses Kleid steht Ihnen ja besonders gut! Ich muss Ihnen ab nächstem Monat leider die Stunden reduzieren“ verbinden Dreistigkeit mit einem lähmenden Angriff: Das Lächeln bei gleichzeitiger Abstrafung wirken wie ein kommunikatives Nervengift und machen das Opfer wehrlos. Das nonverbale Signal wirkt stärker als die verbale Botschaft – und doch wird die Zumutung platziert.

Den Schlüssel zum Verständnis dieses Verhaltens liefern die Spiegelneuronen, denn Intuition funktioniert mithilfe des Resonanzphänomens: Ein Verhalten, das eine Person vormacht, ahmt ihr Gegenüber meist unbemerkt nach. Dieser Hang zur Resonanz führt aufgrund mangelnder Zeit, um die Gesamtsituation zu begreifen, in die Irre. Unser intellektuell-analytisches System ist langsam. Während Spiegelneuronen spontan und schnell arbeiten, dauert es viel länger, über jemanden und dessen Verhalten nachzudenken und es einzuschätzen.

Getarnte Aggression fällt deshalb immer sehr subtil aus, so dass sie schwer zu durchschauen und nur mühevoll abzustellen ist. Möchte jemand aus so einer verqueren Situation aussteigen, gibt es nur eine effiziente Form der Gegenwehr: das nicht gern gesehene, unhöfliche Unterbrechen. Schon mit der Frage: „Verstehe ich Sie richtig, dass…“, kommt man aus der Lähmung heraus und kann loyal wieder auf eine inhaltliche Auseinandersetzung zurückleiten.

Da den meisten Frauen beigebracht worden ist, andere aussprechen zu lassen, sind sie erfahrungsgemäß häufiger solchen verpackten Gemeinheiten ausgesetzt. Nimmt man sich bei der Unterbrechung noch die konkreten Namensnennung der miesepetrigen Person zu Hilfe, gelingt es meist, den Spieß umzudrehen und die Initiative zurückzugewinnen.

Sprachlicher Manipulation loyal begegnen

Eine andere Ausgestaltung der getarnten Aggression ist die der vorgeschobenen Erkrankung. Im folgendem Beispiel weiß eine weibliche, langjährig im Unternehmen tätige Führungskraft ihre Untergebenen gezielt auszuspielen, indem sie sich immer dann aus Krankheitsgründen entzieht, wenn es darum geht, schwierige Entscheidungen zu treffen, unangenehme Nachrichten zu verkünden oder schlicht, wenn sie aus eigenem Ermessen jemand anderes für kompetenter hält ohne es offen zugeben zu wollen.

Gutmütige Teammitglieder können unter so einer Federführung leicht ausgenutzt werden, immer mehr Verantwortung zu übernehmen und Überstunden zu machen. Der subtile Mix aus Mitleidserzeugung und langer Leine wirkt auf manche Menschen sogar wie der Anlauf für die nächste Stufe der Karriereleiter. Die Angreiferin maskiert sich als Opfer. Je höher der moralische Anspruch im Arbeitsumfeld ausfällt, desto besser gelingt Falschspielern dieser Maskenmechanismus.

Das gilt übrigens auch für andere Minderheiten: Ein homosexueller Entscheidungsträger kann Kritik ebenso aus dem inhaltlichen Feld auf die ethische Ebene ziehen und sich so praktisch unangreifbar machen.

Und es gilt auch für ganz besonders zart Besaitete, die schnell ein Tränchen vergießen… Wer als Führungskraft in einem Umfeld arbeitet, in dem sich möglicherweise über viele Jahre solche Verhaltensweisen etabliert haben, hat nur eine Chance: Unbeeindruckt bei der Sache bleiben. Kein Ablenkungsmanöver auf Nebenkriegsschauplätze. Klare, geschäftlich-sachliche Aussagen gepaart mit freundlicher Neutralität und stures Abarbeiten der Agenda.

Unbewusste Kommunikation

Die Tragweite bewusster Kommunikation wird leider häufig unterschätzt. Wie vielen Menschen ist ihre Art zu kommunizieren nicht bewusst?! Natürlich kommuniziert jeder ständig, ob er will oder nicht. Doch wie viel sich von dem, was und wie wir uns etwas sagen, unbewusst abspielt, ist drastisch. Wie viel wird auf Autopilot, wenig reflektiert, wenig selbstkritisch kommuniziert.

Vielen Menschen liegt das Hinterfragen der Muster ihres eigenen Kommunikationsverhaltens fern. Sie durchdenken wenig, vieles davon erst nachher und nicht vorher. Reflexe gepaart mit dem Anspruchsdenken, sofort verstanden zu werden: Diese unbewusste Kommunikation führt zu wirtschaftlichen Fehlern und zerstört manche Arbeitsatmosphäre und Karrieren.

Ein weiteres Phänomen, das uns die Ausweitung unseres  Kommunikationsvermögens erschwert, ist, dass wir uns häufig in den immer selben Kreisen mit Menschen bewegen, die immer auf dieselbe Art, mit demselben Wortstamm, kommunizieren. Dort, wo eine Seite für die kommunikative Eigenart der anderen Seite erblindet, öffnet sich die Tür für manipulative Spielchen. Deshalb ist das Beste, das wir in allen Lebensbereichen tun können, unsere Kommunikation zu erweitern, zu flexibilisieren, für verschiedene Sprachmuster und Kommunikationstugenden zu öffnen; unsere eigene Kommunikationsfähigkeit zu erhöhen.

Bewusste und gekonnte Kommunikation gegenüber Manipulationsversuchen und Ignoranz

Ignoranz macht sich dadurch bemerkbar, dass komplexe Sachlagen zu stark vereinfacht werden. Ignoranten sind „Simplifizierer“ der falschen Angelegenheiten. Wer mit sprachlichen Formeln à la „Das haben wir schon immer so gemacht“ oder „Das verstehen unsere Kunden nie“ daherkommt, will wahrscheinlich mundtot machen und eine Diskussion in seinem Sinne beenden. Was man dagegen tun kann?

10 kommunikative Formeln für mehr Loyalität

1. Hinterfragen Sie Ihren eigenen Sprachgebrauch

Können Sie sich mit unterschiedlichsten Menschen, insbesondere außerhalb Ihrer gewohnten sozialen Kreise, unterhalten? Oder geraten Sie ins Stocken? Indem Sie den einen oder anderen Tag mal in ein anderes Milieu eintauchen, werden Sie sich Ihrer eigenen, möglichen „Sprachschwächen“ gewahr. Mit etwas Neugier werden Sie neue Weltsichten und andere Kommunikationsgebaren kennenlernen.

2. Halten Sie Ihre Moralvorstellungen ein wenig im Zaum

Empörungsreflexe kann man es nennen, wenn man seine Reaktion auf mitmenschliche Eigenschaften nicht unter Kontrolle hat. Natürlich geht das jedem mal so. Doch auf Dauer entfernt das „hohe Ross“ und man bleibt mit seinen Überzeugungen allein zurück. Moral ist gut, Verurteilung ist zu viel des Guten. Das gilt für alle Seiten.

3. Nehmen Sie die Kommunikation außerhalb von Argumenten wahr

In unserer Wissensgesellschaft verlaufen sich manche in dem Irrglauben, dass sich das gesamte Leben in Sachlagen, Fakten und Argumenten darstellen ließe. Weit gefehlt! Je tiefer man in die Kommunikationskompetenzen eintaucht, desto größer wird der Umfang der Kommunikation, die eben nicht auf Worten baut, sondern sich nonverbal, körpersprachlich, räumlich abspielt. Weniger ist mehr – und trifft meistens ins Schwarze.

4. Sprechen Sie Offensichtliches aus

Das ist alles andere als üblich – und gerade deswegen so markant. Gerade dann, wenn es kommunikativ stockt, kann ein beobachtender Satz wie ein scharfes Schwert wirken: „Warum schauen Sie mich nicht an, wenn ich mit Ihnen rede?“ Das Offensichtliche auszusprechen, kann eine Situation komplett umdrehen – das Gegenteil von guter Miene zum bösen Spiel.

5. Verlassen Sie sich nicht auf Zuhörerbereitschaft

Echt schön, wenn man (an-)gehört wird. Doch leider nicht selbstverständlich. Die meisten Menschen haben ein so lautes inneres Radio laufen, dass Sie kommunikativ deutlich dagegen anklingen müssen. Doch nicht mehr Worte, sondern weniger treffende Worte sind meist der Königsweg.

6. Lassen Sie sich von Unsachlichkeit nicht aus der Bahn werfen

Wenn ein Angriff gegen Sie mit sachlichen Argumenten keine Erfolgsaussichten hat (weil sie wissen, wovon Sie reden), lässt sich vorhersehen, dass es unsachlich wird. Jetzt nicht beleidigt abbrechen! Das Spiel wird auf einer anderen Ebene weitergeführt. Das können Sie auch!

7. Ein sauberes Patt wertschätzen

Wer sagt denn, dass Sie immer für Lösungen zuständig sind? Vor allem, wenn es der anderen Seite nur um Selbstpositionierung geht? Manchmal, nur manchmal, kann es ein Zeichen von Stärke sein, jemanden sehenden Auges das Meeting an die Wand fahren zu lassen. Das wird einmal krachen. Ab dem nächsten Mal wird es besser.

8. Langsam siegen

Kurzstreckenerfolge dank Schlagfertigkeit können viele. Doch eine Kommunikation durch die langsame Aneinanderreihung von Wörtern, inklusive systematischen Pausen, bei einem, nämlich dem springenden Thema zu belassen, will gelernt sein. Das nervt Sie selbst? Probieren Sie es aus: Das ist die Musik, auf die reagiert wird!

9. Höflichkeit ist auch nur relativ

Auch unter Gebildeten gibt es grobe Klötze, das überrascht Sie nicht. Doch dass auf einen groben Klotz ein grober Keil gehört (Platon gelesen?), ist nur die halbe Wahrheit. Wie man den Maßstab der Höflichkeit verteidigt? Indem man auch mal unhöflich wird! Und dann wieder Höflichkeit fordert. Ein wenig Dialektik möge gestattet sein.

10. Nicht rechtfertigen

Der Grad ist schmal, denn in einem zivilisierten Dialog sind Begründungen angebracht. Man sollte der anderen Seite sein Verhalten erklären können. Wenn dann aber Machtspiele inszeniert werden, wird eine Argumentation schnell als Rechtfertigung oder Entschuldigung verstanden – und raus ist man. Lieber vorsichtig sein mit allem, was als Rechtfertigung ausgelegt werden kann. Entweder zurückhalten oder klar in die Offensive gehen.

Nur wer Macht hat, kann andere ermächtigen

Schon allein das Wort Macht führt häufig zu Irritationen. Macht wird von den Medien in Zusammenhang mit Skrupellosigkeit, menschenverachtender Politik, Patriarchat und Unterdrückung gezeigt. Und was Führung betrifft, wird Macht allzu schnell mit materiellen Interessen verwechselt. Wiederholende Beispiele für Machtmissbrauch verschlechtern ihren Ruf.

Menschen, die sich nur deshalb von einer Machtposition fernhalten, weil ihnen das moralisch gesehen minderwertig erscheint, sollte bewusst sein, dass – wenn nicht sie – sich jemand mit möglicherweise geringeren Standards dieser Rolle annimmt.

Macht wird erst dann zu einem Problem, wenn es keine Überprüfungs- und Kontrollinstanz gibt. Deshalb sollte der erste Schritt sein, Machtspielchen aufzudecken und aufzulösen, um sie als Gegenpol der Ohnmacht im Positiven zu nutzen: Im Sinne eines legitimen, fördernden und beschützenden Machtgebrauchs. Denn: Nur wer Macht hat, kann auch andere daran teilhaben lassen; und wer sie nicht besitzt, kann sie an niemanden weitergeben.

Im ureigenen Sinn schließt Macht die oben erwähnten Spielchen aus, und erfüllt die Aufgabe, weitere Menschen zu ermächtigen, zu „empowern“ und eine strukturelle, kulturelle und soziale Basis für erfolgreiche Zusammenarbeit zu ermöglichen. Regelmäßige Reflexion auf individueller und auf Team-Ebene, institutionalisierte Untersuchungen zum Kommunikationsverhalten und die turnusmäßige Personalentwicklung sind die Basis für mehr Loyalität, mehr Miteinander und mehr Wachstum.

Bildnachweis: ©istockphoto.com/Andrii Yalanskyi

Über den Autor

Porträtfoto von Miriam Engel, Gründerin von loyalworks

Miriam Engel Miriam Engel ist Kommunikationswirtin, Marketingkauffrau und seit 2011 freiberuflich tätig. Sie absolvierte Weiterbildungen als Coach (NLP) und DNLA-HR-Beraterin. Fokus ihrer Arbeit ist die Führungsentwicklung und die Mitarbeiterkommunikation. Mit der Managementberatung loyalworks® berät und betreut sie Betriebe, die ihre Mitarbeiter nachhaltig binden und passende Kandidaten fürs Unternehmenswachstum gewinnen wollen.  www.loyalworks.de
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