Employee Reskilling: Power Skills, die wirklich gefragt sind
2022 beherrschten vor allem COVID-19, der Fachkräftekräftemangel, das Arbeiten von zu Hause und die Digitalisierung die Schlagzeilen. Wenig überraschend, dass diese Faktoren die Arbeitswelt weiter beeinflussen, wodurch neben speziellen technischen Fähigkeiten übergreifende Power Skills gefragt sind.
Es scheint fast schon wie eine allgemein anerkannte Wahrheit: Soft Skills, die vermeintlich weichen Fähigkeiten, nehmen heute nicht nur einen entscheidenden Einfluss auf Karrieren, sondern auch auf den Erfolg von Projekten, Teams und ganzen Organisationen. Zahlreiche Umfragen, Studien und Erhebungen kommen immer wieder zu dem Schluss, dass die Bedeutung von Soft Skills gegenüber rein fachlicher Expertise steigt. Insbesondere gewinnen sozial-kommunikative Kompetenzen an Bedeutung. Trotzdem stellte der aktuelle Pulse-of-the-Profession-Bericht des Project Management Institute (PMI) kürzlich fest, das Unternehmen im Hinblick auf Weiterbildung noch immer den Auf- und Ausbau von technischen Fähigkeiten priorisieren.
In nur knapp jeder dritten Seminarstunde geht es um die Entwicklung sogenannter übertragbarer Fähigkeiten, die auch als Power Skills bekannt sind. Als Gründe dafür geben die Befragten nicht nur die Kosten für Schulungen und Zertifikate an, sondern auch ein fehlendes Bewusstsein für den Stellenwert von Soft Skills und dem lebenslangen Lernen. Dabei liegt Employee Reskilling 2023 nicht nur im Trend, sondern gilt auch als Chance, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Vier Kernkompetenzen sollten hier besondere Beachtung finden.
Kommunikationsstärke: Wenn reden Gold ist
Phänomene wie die Globalisierung der Märkte, die steigende grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Digitalisierung und Remote Work setzen die Arbeitswelt schon länger unter Druck. Dadurch verändern sich unabhängig von Region, Branche und Jobbeschreibung auch die Anforderungen von Unternehmen an ihr Personal. Neben dem sicheren und selbstverständlichen Umgang mit transformativen Technologien oder Tools und digitalen Fähigkeiten moderner Informationsbeschaffung oder
-verbreitung stehen insbesondere Aktivitäts- und Handlungsqualifikationen hoch im Kurs – allen voran die Kommunikationsfähigkeit.
Dazu gehört nicht nur Botschaften verbal wie schriftlich deutlich zu formulieren und Informationen rechtzeitig weiterzugeben, sondern auch aktives Zuhören und in global agierenden Teams ein Verständnis für kulturelle Unterschiede und deren Auswirkungen auf die Art und Weise wie Botschaften verarbeitet werden.
Kommunikation entscheidend
Dadurch wird Kommunikation zunehmend komplexer und anspruchsvoller. Zwar fördert der Einsatz von virtuellen Tools auch in dezentralen Arbeitssituationen den effektiven Austausch, ersetzt aber nicht wechselseitige, wertschätzende Gespräche – insbesondere, da sich nicht jedes Medium für jede Kommunikationsaufgabe gleich gut eignet. So kann beispielsweise die Nachricht im internen Chat „Die Projektabwicklung ist um drei Tage verzögert.“ von adressierten Teammitgliedern so interpretiert werden, dass gute Arbeit geleistet wurde.
Tatsächlich könnte die schreibende Person auf Beziehungsebene jedoch genau das Gegenteil meinen. Entsprechend schnell stellen sich bei falscher Kanalwahl Missverständnisse, Fehlinterpretationen und eine frostige Atmosphäre ein, was schlimmstenfalls nicht nur nachträgliche Abstimmungen und einen Mehraufwand notwendig machen, sondern auch mit entsprechenden Budgetverlusten einhergeht. Wer kommunikationsstark ist, holt Wissensträger nicht nur rechtzeitig ins Boot, sondern findet für den Austausch von Informationen, Zielen und Aufgaben das passende Kommunikationsmedium und sichert auf diese Weise Akzeptanz, Aufmerksamkeit und Motivation bei allen Beteiligten.
Problemlösungskompetenz: Sich neuen Herausforderungen stellen
Ein weiterer Klassiker, der sich in Sachen Power Skills regelmäßig in Stellenausschreibungen befindet, sind Problemlösungskompetenzen. Damit gemeint ist die Fähigkeit anhand von konkreten Fragestellungen selbstständig potenzielle Stolpersteine bei der Realisierung von Projekten zu erkennen und mit gut durchdachten, individuellen Ansätzen Lösungen zu entwickeln. Dabei soll der Ist-Zustand möglichst effizient gegen Widerstände in einen Soll-Zustand übergehen – nicht ganz einfach, wenn Kunden kurzfristig ihre Meinung ändern oder sich Alternativen für den Projektablauf wünschen.
Wer in einem so ambivalenten und zugleich komplexen Umfeld auch bei hohem Tempo und sich ständig veränderndem Fokus wettbewerbsfähig bleiben möchte, muss lernen neuen Begebenheiten mit wachem Verstand entgegenzutreten. Als Pluspunkte gelten hier die vielbeschworene Hands-on-Mentalität, eine positive Einstellung gegenüber Herausforderungen und die Bereitschaft persönlich Verantwortung zu übernehmen.
(Selbst-)Reflektion ist gefragt
Insbesondere in innovativen Bereichen erfordert das in der Praxis hohes Maß an Engagement und (Selbst-) Reflektion. Worum geht es überhaupt? Wo genau läuft etwas schief? Was soll erreicht werden? Um im weiteren Verlauf nicht nur Schuldzuweisungen auszutauschen, gilt es diese Fragen genau zu klären. Techniken, die Prozesse, Ursachen, Planung und Datenerfassung analysieren und bewerten, spielen in dieser Phase eine ebenso entscheidende Rolle wie der Informationsaustausch zu bereits vorhandenen Lösungsansätzen. Um im nächsten Schritt Ideen zu generieren, sind Offenheit und Unkonventionalität gefragt.
Wenn sich der Geistesblitz hier nicht einstellt, helfen etwa in Rahmen von Workshops Kreativitätstechniken wie Brainstorming, Sessions oder Design Thinking Neuland zu betreten, Hemmnisse abzubauen und der Fantasie freien Lauf zu lassen. Ein richtig oder falsch existiert hier nicht. Erst in der letzten Phase erfolgt eine Bewertung der vorliegenden Lösungsvorschläge und deren Übersetzung in eine brauchbare Strategie.
Strategisches Denken: Damit nicht alles über den Kopf wächst
Überhaupt gilt es auf Strategie-Methoden zu setzen und so vorhandene Chancen besser zu nutzen. Während in Konzernen ganze Abteilungen mit eigenem Beraterstab einen riesigen Aufwand betreiben Ziele zu definieren und Maßnahmen zu konzipieren, liegt die Strategieplanung in kleinen und mittelständischen Betrieben oft brach.
Anstatt etwa auf Tools wie die Balanced Scorcard oder die SWOT-Analyse zu setzen, werden Schwierigkeiten erst angegangen, wenn der Druck zu hoch ist. Aus Zeitmangel, Sorge vor dem erforderlichen Aufwand oder Unsicherheit über den Prozess der Strategieerarbeitung entstehen Lösungen, die Zusammenhänge ausblenden und bestenfalls Symptome kurieren. Schlimmstenfalls schafft ein so kurzsichtiges, reaktives und ereignisgesteuertes Vorgehen neue Schwierigkeiten. Entsprechend wichtig wird es in einer zunehmend schnellen und komplexer werdenden Welt, auf Mitarbeitende zu setzen, die die richtigen Fragen stellen, mögliche Handlungsoptionen logisch durchdenken und das bisher Erreichte kritisch reflektieren – ohne dabei das große Ganze aus den Augen zu verlieren.
Konkret heißt das: Menschen mit Weitsicht, Kreativität und logischem Denkvermögen, die Ziele mit System und der notwendigen Portion Hartnäckigkeit verfolgen, stehen hoch im Kurs.
Trotzdem muss ihnen im Alltag neben dem operativen Tagesgeschäft auch genügend Zeit eingeräumt werden, Strategien zu entwickeln und sich über deren Umsetzung auszutauschen. Außerdem können individuelle Workshops und professionelle Trainingsmaßnahmen helfen, gezielt Impulse zu setzen, sich möglichen Wahrnehmungsverzerrungen bewusst zu werden und eine systematische Entwicklung interaktiv voranzutreiben.
Kollaborative Führung: Von der Weisheit der Vielen
Insbesondere im Bereich Führungskräfteentwicklung braucht es vielerorts ein Umdenken. Hierarchische Top-down-Konzepte haben ausgedient. Um in einer immer vernetzteren, dezentraleren und dynamischeren Welt Erfolge zu erzielen, müssen auch Teams, Abteilungen und Unternehmen untereinander verbunden sein – und das über Ressort-, Hierarchie- und Projektgrenzen hinweg. Nicht Wettbewerbsdenken, Silomentalität oder seriell verknüpfte Arbeitsschritte sind Trumpf, sondern ein kollaboratives Mindset und interaktive Arbeitsweisen, die etwa auch mit einem demokratischen Führungsstil einhergehen.
Anforderungen definieren sich in einem solchen Kontext beispielsweise zunächst durch Kundenwünsche, Wettbewerbsanalysen oder zu lösende Probleme, bevor das Team gemeinsam entscheidet, welche Themen angegangen werden. Die Vorteile von einer so kooperativen Arbeitsweise liegen auf der Hand: Flache Hierarchien ohne „Junior“ und „Senior“ bedeuten, dass alle Mitarbeitenden unabhängig von Titel, Erfahrung und Unternehmenszugehörigkeit Ideen einbringen und eigenverantwortlich Entscheidungen treffen können. Das schafft Vertrauen und erhöht die Motivation, wodurch sich Teamarbeit insgesamt nicht nur effizienter gestaltet, sondern auch Fehlgriffe etwa durch Machspiele oder einsame Führungsentscheidungen vermieden lassen.
Voraussetzung dafür? Kollaboration muss sich ad hoc, interessengerichtet, selbst organisiert und bezogen auf die gemeinsame Wertschöpfung konstituieren. Insbesondere komplexen Projektumgebungen, in denen Ideen, Fähigkeiten und Expertenwissen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammengeführt werden, gilt es dabei nicht nur ausgewogene Gespräche zu ermöglichen und allen Perspektiven Gehör zu schenken, sondern auch die internen und externen organisatorischen Parameter zu berücksichtigen und ein Bewusstsein für gruppendynamischen Prozesse wie Groupthink, Halo-Effekt oder der Beeinflussung durch Priming zu entwickeln.
Objektives und Key Results (OKR) sind gefragt
Zudem muss das Team sich gegenseitig durch konstruktives Feedback unterstützen, eine gesunde Fehlerkultur etablieren, auf Transparenz setzen und über die richtigen Tools verfügen und beispielsweise durch die Zielsetzungsmethode Objectives und Key Results (OKR) eine gemeinsame Vision verfolgen. Nur so gelingt es im Team die täglichen Aufgaben koordiniert und konzentriert durchzuführen und trotzdem Raum für innovative Lösungen zu schaffen.
Fazit
Fest steht: Durch globale Neuentwicklungen, Trends und Innovationen durchlebt Arbeit einen rasanten Wandel. Um die dabei entstehenden Herausforderungen zu bewältigen und sie als Chancen begreifen, müssen Mitarbeitende über ein breites Spektrum an Fähigkeiten verfügen. Dabei sind vier nicht-fachliche, übertragbare Power Skills, unverzichtbar.
Setzen Unternehmen auf Kommunikation, problemlösendes und strategisches Denken sowie kollaborative Führung, stärken sie nicht nur ihre Mitarbeitenden intelligenter zu arbeiten und sich besser in einer veränderten Arbeitswelt zurechtzufinden, sondern verhelfen dadurch auch 80 Prozent ihrer Projekte zum erfolgreichen Abschluss.
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