Nachhaltigkeit wird immer mehr zum Thema bei Unternehmen
Ab 2023 erwarten deutsche Unternehmen Standards in Bezug auf Transparenz in der Lieferkette und in den Geschäftsprozessen. Wer sich hier als First Mover am Markt etabliert, der sichert sich auch Wettbewerbsvorteile. Besonders für den Mittelstand birgt die flächendeckende Einführung von ESG-Kriterien Potenzial.
Wandel kann sich auszahlen. Am Status quo etwas zu ändern, kostet in der Regel Zeit, Geld und Nerven. Die Durchleuchtung der eigenen Unternehmensstrukturen, um Transparenz zu schaffen, bildet da keine Ausnahme. Genau das fordert jedoch das sogenannte deutsche Lieferkettengesetz.
Ab 2023 müssen zunächst Unternehmen mit über 3.000 Mitarbeitenden Nachhaltigkeitsrisiken in ihrer Supply Chain offenlegen. Ein Jahr später auch Betriebe mit 1.000 und mehr Angestellten. Das bedeutet jedoch nicht, dass KMUs vom Due-Diligence-Prozess befreit sind. Im Gegenteil: Arbeiten sie mit berichtenden Unternehmen zusammen, greifen die Richtlinien genauso.
Darüber hinaus entwickelt die Europäische Kommission aktuell noch schärfere Standards für die gesamte EU. So sieht der aktuelle Vorschlag etwa vor, sogar Firmen ab 250 Personen zur Analyse der gesamten Lieferkette zu verpflichten. Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Gesetzgeber in der Bundesrepublik nachzieht. Um verantwortungsvolles Wirtschaften führt kein Weg herum, besonders weil die ersten mittelbaren Zulieferer sowie Dienstleister der betroffenen Betriebe ebenso die Einhaltung von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) nachweisen müssen.
Um diese Kennzahlen zu erfüllen, erfordert es nicht zwingend große Investitionen. Gerade der Mittelstand legt bereits großes Augenmerk auf eine nachhaltige und resiliente Ausrichtung seines Geschäfts. Insofern braucht es häufig nur geringe Nachschärfungen, um die Anforderungen zu erfüllen. ESG durchdringt die gesamte Betriebsstruktur und bietet entsprechend auch das Potenzial, positive Wachstumsimpulse zu setzen. Dafür müssen nur die richtigen Entscheidungen getroffen werden.
Not zur Tugend machen
In puncto Unternehmensentwicklung lassen sich die veränderten Rahmenbedingungen vor allem als Chance verstehen. So helfen ESG-Datenmanagement Plattformen etwa dabei, intern blinde Flecken aufzudecken und Investitionen in den eigenen Betrieb effektiv zu steuern. Hier gilt es tatsächlich nachhaltige Strukturen auf- und auszubauen sowie Nachhaltigkeit zum Kerngeschäft zu machen.
Ernsthaftes Engagement schafft intern und extern Glaubwürdigkeit. Wer als Vorreiter das Tempo angibt, profitiert zudem vom First-Mover-Effekt und etabliert sich am Markt als ein für die Zukunft gerüstetes Unternehmen. Denn durch die geplanten Berichtspflichten wird sich das Netz an nachhaltigen Geschäftsmodellen weiterspinnen.
Als mittelbare Zulieferer kommen immer mehr kleine Betriebe in die Verlegenheit, etwa die Anforderungen des Lieferkettengesetzes zu erfüllen. Entsprechend wird diese „responsibility revolution“ eher heute als morgen die Wirtschaftsordnung Europas definieren. Zahlreiche Unternehmen haben bereits die Zeichen der Zeit erkannt und punkten mit Nachhaltigkeit sowie Transparenz. Beispielsweise druckt der Fischkonservenhersteller Hawesta Tracking-Codes auf sämtliche Produkte, welche Fangort und -methode offenlegen. So soll im Rahmen des Marine Stewardship Councils (MSC) ein verantwortungsvoller Umgang mit den Beständen der Weltmeere sichergestellt werden.
Resilienz durch Nachhaltigkeit
In jüngster Vergangenheit haben sich nachhaltig aufgestellte Unternehmen als krisenresistent erwiesen. Mit gutem Beispiel geht hier die Nynomic AG mit über 500 Mitarbeitenden voran, die zerstörungsfreie Messtechnik für den Agrar- und Medizinsektor herstellt. Nicht nur schont das Messverfahren selbst die Umwelt, auch Arbeitsabläufe stehen in Bezug auf die ESG-Kriterien gut dar.
Um beispielsweise Fachkräfte früh zu gewinnen, engagiert sich das Unternehmen speziell in Bachelorstudiengängen. Für bestehende Mitarbeitende gilt ein Verhaltenskodex und regelmäßige Weiterbildungen stellen die Qualifikation der Belegschaft sicher. Während der Pandemiejahre und trotz weltweiter Lieferprobleme bewährten sich die nachhaltigen Strukturen, zu denen auch die Nutzung von 50 Prozent Ökostrom gehört.
Das Resultat? Umsatzsteigerungen von über 20 Prozent in 2020 und 2021. Die Schlussfolgerung? Verantwortungsvolles Wirtschaften, konsequent umgesetzt, bringt Wettbewerbsvorteile, auch oder vor allem für KMUs.
Konstrukt mit Tiefenwirkung
Ein gutes ESG-Scoring zahlt sich nicht nur im Tagesgeschäft aus. Schon seit geraumer Zeit haben Investoren erkannt, dass nachhaltig aufgestellte Unternehmen eine ausgeprägte Resilienz bei volatilen Marktbewegungen aufweisen. Durch die hohe Transparenz treten Risikoszenarien selten unvorhergesehen ein und es ermöglicht rechtzeitiges Gegensteuern.
Außerdem verhilft ein klarer Überblick zu größerer Anpassungsfähigkeit in Krisenzeiten. Entsprechend gewinnen die Kennzahlen auch bei der Kapitalakquise zunehmend an Bedeutung. Teilweise bieten Banken sogar leicht zugängliche Finanzprodukte an, sofern Betriebe im Rahmen eines Frameworks Nachhaltigkeit nachweisen können. Gerade wenn die eigenen Strukturen verantwortungsvoll aufgebaut sind, lohnt sich eine Bewertung, um handfeste Vorteile gegenüber den Mitbewerbern zu erhalten. Voraussetzung dafür sind gebündelte Daten des eigenen Unternehmens. Sobald diese vorliegen, kann eine Softwarelösung mit wenigen Klicks das passende Reporting erstellen. Externe Experten unterstützen den gesamten Auswertungsprozess und erleichtern so eine industriespezifische und zielgerichtete Analyse.
Feel the Change
Abgesehen von den harten Faktoren der Geschäftsprozesse wirken sich auch Aspekte wie Verwaltung oder der Umgang mit den Mitarbeitenden auf ESG-Scores aus. Besonders Arbeitnehmende aus der Generation der Millennials sowie die ältere Gen-X wünschen sich Purpose. Wer hier glaubwürdige Optionen bietet, erhöht seine Chancen auf qualifizierte Bewerbende. Ähnlich motivierend wirkt die Einbindung der Belegschaft bei strategischen Entscheidungen. An der Basis sammeln die Menschen häufig wertvolle Erfahrungen im Joballtag, die sinnvolle Impulse bei der Ausrichtung des Unternehmens liefern – Wertschätzung inklusive!
Liegen die Manager-Gehälter in Relation zur Vergütung der Facharbeitenden, fördert dies zusätzlich die Kohäsion der Belegschaft. Dann heißt es im Tagesgeschäft nicht mehr „Dienst nach Vorschrift“, sondern „Nach bestem Wissen und Gewissen“. Entsprechend kann Transparenz in Verbindung mit gelebter Nachhaltigkeit die Wettbewerbsfähigkeit auf allen Ebenen steigern. Nur im ersten Schritt auf die Bottom-Line schauen, ohne sekundäre Effekte im Blick zu behalten, lässt mittelfristig Potenziale unausgeschöpft. Nachhaltiges Wirtschaften bietet unterm Strich für den Mittelstand so viel mehr als nur erfüllte Kennzahlen. „People, Planet, Profit“ können miteinander harmonieren, wenn eine konsequente Umsetzung erfolgt.
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