Warum Konflikte im Unternehmen wichtig sind
Katalysator für Innovation

Warum Konflikte im Unternehmen wichtig sind

Porträtfoto von Miriam Engel, Gründerin von loyalworks
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Für Führungskräfte sind die aktuellen Zeiten eine besondere Herausforderung. Insbesondere dann, wenn in ihren Team Konflikte aufbrechen oder in einer Vielzahl - wie ein Kabelbrand - schwelen, heißt es aufmerksam zu sein. In diesem Artikel werden Ihnen Konflikte im Unternehmen neu beleuchtet und in einer anderen Perspektive dargestellt.

Konflikt ist die Brücke zwischen Bekanntem und Unbekanntem, zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Ordnung und Chaos. Er öffnet den Raum für Innovation und Fortschritt. Konflikt erlaubt nicht nur, sondern fordert Diversität.

 Dabei liegt der Ursprung eines jeden Konflikts ja in den grundlegenden Bindungsstrukturen des Menschen – in der Liebe-Angst-Polarität.

Definition: Konflikt

Ein Konflikt ist eine Interaktion, die mindestens von einer Seite als emotional belastend und/oder sachlich inakzeptabel empfunden wird. Sie ist durch eine Unvereinbarkeit der Verhaltensweisen, der Interessen und Ziele sowie der Annahmen und Haltungen der Beteiligten gekennzeichnet.

Harmonie ist gut und Konflikte gilt es zu meiden?

Menschen sind veranlagt, hinzustreben zu mehr Liebe, Anerkennung, Bindung, Zugehörigkeit und sich abzuwenden von Angst, Schmerz, weg von dem Gefühl, ausgestoßen zu sein, nicht zu genügen. Dieser innere Code zieht sich selbstverständlich bis ins Berufsleben und man kann fast sagen, dass jeder Konflikt, den wir erleben, letztlich auf diese Polarität zurückzuführen ist.

Da es im Berufsleben oft nicht so eindeutig ist, wer zu wem, zu welcher Gruppe gehört und welche Abteilung sich für und gegen was einsetzt, wird im Folgenden der Konflikt als solcher beleuchtet.

Ein Mensch erhält Aufmerksamkeit und Zuwendung, wenn er sich an die Gemeinschaft anpasst, ihre Regeln akzeptiert und so handelt, dass ihm Zuwendung sicher ist. Insbesondere Anerkennung erhält eine Person im Arbeitsleben besonders oft dann, wenn sie die Erwartungen der Gemeinschaft erfüllt, zum Beispiel durch bestimmte Leistungen oder durch konformes Handeln – und eben nicht in den Konflikt geht.

Auf der anderen Seite der Medaille bedeutet die Entscheidung gegen einen äußeren Konflikt meistens den inneren Konflikt. Jemand erlebt sich nicht mehr als „ganz“, spaltet im Berufsleben Persönlichkeitsanteile und Merkmale ab, die in seinem Umfeld nicht gewünscht/erlaubt sind, ignoriert den Konflikt, der tief in ihm drin dennoch weiter schwelt, wie ein Kabelbrand.

 In unserer Gesellschaft herrschen Vorurteile, Fehlinterpretationen und Missverständnisse gegenüber Konflikten:

  • Vorurteil: 
Nur das harmonische Einverständnis der Menschen bietet Zusammenhalt. Konflikt wird als Gegenteil davon wahrgenommen, als Negation des Miteinanders. Viele wollen dem Konflikt aus dem Weg gehen oder ihn aus dem Weg schaffen. Das verkennt die Doppelwertigkeit von Konflikten.
  • Fehlinterpretation: 
Viele Ratgeber empfehlen das Vermeiden von Konflikten.

Es ist ein Grundirrtum zu glauben, ein Konflikt resultiere aus einem Fehlverhalten und sei deshalb korrigierbar

Diese Denkweise ist dafür verantwortlich, dass so viele Akteure in der Politik und in der Wirtschaft angesichts vieler neuer Konflikte lediglich gute Absichten bieten. Meistens erleben wir Ratlosigkeit. Ganz im Gegenteil: Entschiedenes Wollen und der Glaube an die Erziehbarkeit der Welt, wie wir es extrem in der Politik erleben, erzeugen erst die Konflikte, die dann gelöst werden sollen.

Natürlich sind Konflikte lästig. Im Grunde will niemand etwas mit Konflikten zu tun haben. Im Extremfall zerstören sie sogar: Ehen, Eltern-Kind-Beziehungen, Arbeitsbeziehungen, Freundschaften. Viele Ratgeber empfehlen das Vermeiden von Konflikten. Man liest: „Konfliktfrei leben“ oder „Wie man Konflikte löst“ oder „Konflikte positiv bewältigen“. Alle Titel bekräftigen den Kulturkonsens, die allgemein verpflichtende Lebensweise.

Aber Hand aufs Herz: Ist ein konfliktfreies Leben möglich?

Konfliktfreiheit ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern gar nicht erstrebenswert

Begreifen wir Konflikt dagegen als Lebensform, als Daueraufgabe, die aus einem Normalverhalten resultiert, dann sieht das „Wie“, wie wir streiten, ganz anders aus. Dann erst beginnen wir, den Konflikt zu nutzen.

Beobachten Sie sich einmal selbst: Wahrscheinlich werden Sie von Konflikten ebenso abgestoßen wie angezogen. Sicherlich kennen Sie auch das „reinigende Gewitter“. Und vielleicht schätzen Sie das auch so ein: Wer keine Konflikte hat, ist langweilig. Spannungsverhältnisse sind eben dazu da, das Leben spannend zu machen.

Geschichten handeln stets von Dominanz und Unterwerfung

Keith Johnstone

Begründer des modernen Improvisationstheaters

Konflikte sind geradezu magisch anziehend, wenn andere sie haben. Während viele Menschen die eigenen Konflikte oft verschweigen oder sogar verleugnen. Das mag Realitätsausblendung sein. Teilweise stimmt es: Von den meisten Konflikten sind Sie nicht direkt betroffen – siehe den aktuellen Krieg in der Ukraine. Viele Konflikte werden medial vermittelt und machen betroffen. Mundgerecht zubereitete Konflikte, mit Sicherheitsabstand serviert, gibt es täglich in den Nachrichten. Die meiste Zeit werden Konflikte demnach beobachtet. Man beobachtet, wie andere Menschen andere Menschen beobachten, sie beurteilen und entsprechend handeln.

Ohne Konflikte wären viele gesellschaftliche Systeme gegenstandslos: Das Rechtssystem, Wahlkämpfe, wissenschaftliche Dispute wie Schulmedizin gegen Alternativmedizin. Auch Sportereignisse blieben ohne Resonanz. Prinzipiell kann man alle Lebensbereiche als Modifikationen von Konflikt auffassen. In Konflikten tritt das Grundgewebe unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens zutage. Durch sie erfahren wir mehr über uns unsere soziale Wirklichkeit.

Konflikt als Katalysator für Entwicklung und Wachstum

Die Attraktion von Konflikten ist auch in Unternehmen/Verwaltungsorganisationen riesig. Ab einer gewissen Größe ist es kaum zu vermeiden, dass Abteilungen oder einzelnen Personen Wettbewerb/Konflikt herrscht. Jeder kennt den Klatsch und Tratsch, der sich abspielt. In Unternehmen haben Konflikte manchmal sogar die Qualität von Showspektakeln… Wer gegen wen? Wer hat gewonnen, wer verloren?

Konflikte stimulieren Veränderungen. Sie wirken wie Warnblinklichter: Es muss etwas passieren! Das ist besonders wichtig für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens: Nur der Konflikt löst von den Fesseln vergangener Erfolge. Insofern ist der Konflikt die Los-Lösung.

Auf die Zusammenarbeit in Unternehmen bezogen heißt das: Konflikte zeigen die Vielschichtigkeit von Sachverhalten auf. Dadurch werden die Menschen klüger. Der Konflikt deckt die Weltsicht unseres Gegenübers auf. Im Konflikt „besuchen“ wir die Welt des anderen. Wenn wir uns wirklich interessieren, erfahren wir, was der andere wirklich will. Niemals können wir über einen Menschen so viel erfahren wie in einem Konflikt. Weil er dann für seine Weltanschauung, seine Werte, Ideale in den Konflikt geht! 
Andersherum stagnieren deshalb viele Beziehungen, wenn es in ihnen keine Konflikte mehr gibt.

Insofern sind Konflikte für Unternehmen und Organisationen produktiv im besten Sinne. Jede Innovation, jeder Fortschritt entspringt einem Konflikt. Erst wenn wir den Konflikt als positives Versprechen sehen – und eben nicht mehr die Einvernehmlichkeit, weil sie Stillstand bedeutet – dann bewegt der Konflikt uns aktiv in Richtung Veränderung und trägt das Potenzial von Erneuerung in sich. Aus dieser Sichtweise resultiert praktisch die Pflicht zum Konflikt.

Wir befinden uns immer dann in einem Konflikt, wenn eine Entscheidung fällig, aber noch nicht gefällt ist

Verstehen wir Konflikt als soziales Bindemittel des Unternehmens, bedeutet dies, ein Zeichen gegenseitiger Anerkennung. Vorausgesetzt, dass aufrichtig und zivilisiert „gestritten“ wird. Man streitet sich ja schließlich nur mit Menschen, die man als ebenbürtig wahrnimmt. Alles andere wäre Energieverschwendung. Konflikt ist das Normale. Harmonie ist die Ausnahme. Gleichzeitig wird Harmonie somit zum klugen Umgang mit Gegenstimmen.

Sie wissen etwas bzw. glauben etwas zu wissen, und dann werden Sie mit einer dissonanten Information, einer anderen Weltsicht, konfrontiert. Wenn diese Sie nicht überzeugt, können Sie sie ignorieren oder deren Überprüfung aufschieben. Wenn sie Ihnen einleuchtet, nennen Sie es Erkenntnis. Um eine Erkenntnis reicher zu sein, heißt: Um eine Gewissheit ärmer. Das ist die Chance! Das ist Ihre Chance für persönliche, berufliche, unternehmerische Weiterentwicklung.

Bildnachweis: istockphoto.com/KTStock

Über den Autor

Porträtfoto von Miriam Engel, Gründerin von loyalworks

Miriam Engel Miriam Engel ist Kommunikationswirtin, Marketingkauffrau und seit 2011 freiberuflich tätig. Sie absolvierte Weiterbildungen als Coach (NLP) und DNLA-HR-Beraterin. Fokus ihrer Arbeit ist die Führungsentwicklung und die Mitarbeiterkommunikation. Mit der Managementberatung loyalworks® berät und betreut sie Betriebe, die ihre Mitarbeiter nachhaltig binden und passende Kandidaten fürs Unternehmenswachstum gewinnen wollen.  www.loyalworks.de
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Kommentare

  1. von Jürgen Rathje am 04.04.2022 | 16:04

    Mit dem Nachsatz zu der Ansicht von Prof. Jörg Knoblauch:
    A-Mitarbeiter ziehen den Karren
    B-Mitarbeiter laufen nebenher
    C-Mitarbeiter setzen sich drauf
    A-Mitarbeiter reden über Ziele/Visionen
    B-Mitarbeiter reden über Vorgänge
    C-Mitarbeiter reden über andere Menschen
    * oder eine andere Fundstelle:
    Das Unternehmen als Bus, der Busfahrer ist der CEO,
    da gibt es die Sprinter, denen es nicht schnell genug gehen kann und den Bus überholen,
    die Jogger“ – welche in moderatem Tempo ihre Runden drehen,
    die Spaziergänger, welche keinesfalls ihr Tempo erhöhen wollen
    und die Sitzenden, welche sich gar nicht bewegen wollen,
    jede Menge Konfliktpotential
    Gesunde Grüße
    Jürgen Rathje – Unternehmensberatung Unternehmenskultur/Personalentwicklung

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