Zugehörigkeit im Team: Eine Herausforderung für Newcomer in Unternehmen
In jedem Unternehmen gibt es Strukturen im Team, Dynamiken, unausgesprochene Rituale und eine Vielfalt von Menschen: Gleichgesinnte, Kontrahenten und Indifferente. Jeder Newcomer stört erst einmal die etablierte Gemeinschaft. Manche sind willkommen, andere werden ausgegrenzt. Haben Sie es geschafft und die Zugehörigkeit erlangt, stellt sich das Gefühl der Wertschätzung ein.
Zu unseren urmenschlichen Bedürfnissen gehört es, einer Gruppe angehören zu wollen. Evolutionsbedingt war es sogar überlebensnotwendig. Trotz aller heutigen Individualität leben und arbeiten wir in Gemeinschaften. Wir gehören einem Team an, bewegen uns in Sportgruppen und in bestimmten Gesellschaftskreisen. Ein Leben lang gehen wir immer wieder neue soziale Gemeinschaften ein und investieren in diese. Dafür sind wir bereit, unser Verhalten den Gepflogenheiten anderer anzupassen.
Um in eine neue Gruppe aufgenommen zu werden, sollte man erst einmal verstehen, wie diese funktioniert, auf welche Strukturen zu achten ist und sich dann ihren Gepflogenheiten anpassen. Kontraproduktiv sind hier Prahlerei mit den fachlichen Kompetenzen, Herausstellung großer Erfolge oder Zurschaustellung der Statussymbole und des finanziellen Backgrounds. Von einem Newcomer wird erwartet, dass er/sie sich einfügt und bewährt. Das galt vor Jahrtausenden schon – es gilt auch heute noch.
Was ist daher zu tun, damit der Einstieg gelingt und wann öffnen wir uns? Immer dann, wenn wir einen Menschen als interessant, spannend und bereichernd wahrnehmen. Die meisten Leser werden jetzt zudem anmerken: „Wenn die Person authentisch – sie selbst – ist.“
Authentizität im Team und als Führungskraft
Was bedeutet Authentizität?
Der Begriff Authentizität kommt ursprünglich aus der Welt der Historiker und Archäologen. Sie bezeichnen einen Fund, Gegenstand oder ein Ereignis als authentisch, wenn sie diese als „echt“ identifizieren können. Heute, im Zeitalter von Fake News, Influencern und einer unbezwingbaren Menge an Informationen, ist es wesentlich schwieriger, etwas oder jemanden als „echt“ einschätzen und anerkennen zu können. Am ehesten öffnen wir uns, wenn uns der Newcomer als ehrlich, ungekünstelt und bodenständig vorkommt.
Wann bezeichnen wir jemanden als authentisch?
Ihre Authentizität tritt durch Ihre innere Haltung, Ihre Sprache, Körpersprache und Kommunikation nach außen. Ist alles im Einklang, wird man Sie als authentisch wahrnehmen. Passt Ihre Persönlichkeit ins Team, wird man Sie offen empfangen. Spielen Sie jedoch eine Rolle, wird sich dies an der einen oder anderen Stelle offenbaren und ein Störgefühl bei den Teammitgliedern hervorrufen. Dann tritt Skepsis und Vorsicht an die Stelle von Offenheit und Unvoreingenommenheit. Möglicherweise passen Ihre Ausdrucksweise, Gestik und Mimik nicht zueinander und Sie entlarven sich darüber. Um sich Ihrer Wirkung bewusst zu sein, sind Achtsamkeit und Wahrnehmung sehr wichtig.
Für Neuankömmlinge sind gerade unausgesprochene Werte und Teamregeln, Gepflogenheiten und Rituale schwer zu erkennen. Das sollte jedem klar sein. Es ist völlig legitim danach zu fragen. Das Team macht es dem Newcomer leichter, wenn es diesbezüglich transparent kommuniziert und nachsichtig über den einen oder anderen Fettnapf hinwegsieht. Hingegen verstoßen Sie bewusst gegen Konventionen der Gruppe und des Unternehmens, werden Sie schnell zum Außenseiter. Loyalität ist einer der Grundpfeiler einer funktionierenden Gemeinschaft, das heißt auch einem Unternehmen gegenüber.
Authentizität und Führungsstil
Treten Sie als Führungskraft eine neue Aufgabe in einem neuen Unternehmen an, ist es ratsam, einige Vorbereitungen zu treffen. Sie sollten möglichst bereits im Vorfeld Einblick in die Unternehmenskultur erhalten haben. Sonst fordern Sie diese so früh wie möglich an.
Gehen Sie zur Vorbereitung auf Ihren neuen Job in die Selbstreflexion und seien Sie sich im Klaren über Ihre Wertevorstellung, Ihre innere Haltung und Ihre Mission, denn das prägt Ihren Führungsstil und drückt sich in Ihrer Persönlichkeit und Kommunikation aus. Hilfreich ist es, gleich zu Beginn einen gemeinsamen Workshop anzusetzen, um einen Blick auf die Teamdynamik werfen zu können, Teamregeln, den Umgang miteinander und das gemeinsame Ziel zu klären. So holen Sie alle in Ihr Boot. Das ist zudem die Gelegenheit, Ihre persönliche Botschaft zu verkünden. Passen Ihre Worte, Körpersprache, Botschaft und Ziele zusammen, werden Sie als authentisch wahrgenommen und Sie haben einen großen Schritt zur Teamgewinnung getan.
Die Gratwanderung: Zwischen Selbstbewusstsein und Offenheit
Die Angst vor Ablehnung mindert Ihr Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein, was zu einem unsicheren Auftreten führt. Unsicherheit öffnet viele Türen: u.a. zur Manipulation, Geringschätzung, Fehleinschätzungen und zur Ausgrenzung. Gehören Sie hingegen dazu, erhalten Sie Anerkennung und Wertschätzung.
Daher ist der Eintritt in eine neue Gruppe oftmals eine Gratwanderung, denn Selbstbewusstsein ist gefragt, aber nicht zu viel. Offenheit, Unvoreingenommenheit und Entgegenkommen finden Anklang und bieten gleichzeitig eine offene Flanke für Manipulation und Vereinnahmung. Es ist die Kunst, eine feine Balance zu finden, zwischen Eingliederung und Selbstbestimmtheit, zwischen Individualität und Gruppendynamik.
Tipps für den Umgang in neuen Gruppen:
- Seien Sie offen und gehen Sie aktiv in den Beziehungsaufbau, aber seien Sie auch gewahr, dass nicht jeder neue Teammitglieder mit offenen Armen aufnimmt. Daher stecken Sie Ihre Erwartungen nicht zu hoch.
- Übernehmen Sie Aufgaben und bringen Sie sich in die Gemeinschaft ein, ohne zur Abladestation zu werden. So punkten Sie schnell.
- Intuitiv gehen wir auf Menschen zu, die uns sympathisch erscheinen. Nehmen Sie zunächst zu diesen Kontakt auf. Sie können als Brücke und Vermittler dienen, damit Sie, z.B. beim gemeinsamen Mittagessen, andere Kollegen kennenlernen.
- Beobachten Sie die Kollegen, das Team und die Dynamik und preschen Sie nicht sofort vor. Auch wenn Sie als High Performer engagiert worden sind, heißt es nicht, dass Sie der/die Wortführer und Macher sind. Fachliche Brillanz oder Reichtum sind keine Gewähr für Anerkennung. Halten Sie sich lieber zunächst etwas bedeckt und machen Sie auf keinen Fall leere Versprechungen.
- Lernen Sie Ihr Team oder Ihre Teamkollegen erst einmal kennen und üben Sie sich in Geduld, bevor Sie mit noch so sinnvollen und in Ihren Augen offensichtlichen Änderungsvorschlägen kommen.
- Fingerspitzengefühl ist gefragt!
Die Gefahr der Beeinflussung durch Manipulation
Manche Teammitglieder nutzen die Gelegenheit, die eigene Position zu stärken, indem sie Neue manipulieren. Das kann auf sehr charmante Art und Weise geschehen oder auch durch Ausgrenzung, wie: „….Sie sind doch sicher auch einverstanden, wie wir alle anderen auch…“ Hier findet Ausgrenzung durch „Wir“ und „Sie“, bzw. durch „die Anderen“ und „Sie“ statt. Ein klares Signal, dass Sie bisher nicht dazugehören. Angst wird geschürt mit „wenn nicht…dann“. Wenn Sie nicht mitmachen, dann gehören Sie nicht dazu, oder Sie werden wieder ausgestoßen. Sind Sie aufmerksam, können Sie an der Wortwahl ganz gut die Absicht erkennen und sich schützen.
Schwieriger ist es mit der charmanten Variante durch eine Person, die glaubwürdig wirkt, gutes Benehmen hat und Sie mit Komplimenten umgarnt. Das passiert zunächst ein-, zweimal. Beim nächsten Kontakt wiederholt sich das Ritual, doch dann kommt ganz beiläufig, auf dem Weg aus der Tür: „Sie sind doch sicher auch meiner Meinung, dass wir…sollten?“ Und fast automatisch steuern Sie Ihr „Ja“ dazu bei. Diese Variante der Manipulation ist eine viel größere Falle als die Suggestivfragen, die Sie recht leicht entlarven können.
Was können Sie tun, um Manipulation abzuwehren?
Seien Sie wach- und aufmerksam. Hören Sie genau hin. Bleiben Sie freundlich und offen, aber sobald ein Zweifel, ein Unwohlgefühl aufkommt, nehmen Sie Abstand und wehren die Vereinnahmung mit „Ich überlege es mir“ ab.
Hilfreich ist auch, zunächst eine Bestätigung und Bejahung auszusprechen: „Sie haben sicher recht/das ist interessant…., aber ich würde gern darüber nachdenken/noch etwas zurückhaltend sein/ mir ein Bild davon machen /eine Einschätzung dazu gewinnen…“
Sollten Sie in die Falle gegangen sein und bemerken, dass Sie nicht zum ersten Mal manipuliert worden sind, dann gehen Sie die Fälle durch, die Ihnen präsent sind und überlegen, an welcher Stelle Sie eingeknickt sind. Was wurde getriggert? Was sind Ihre Sorgen, was ist Ihr Antreiber (z.B. mach es allen recht, ich bin harmoniebedürftig etc. ). Hören Sie in sich hinein und werden Sie zu einem aufmerksamen Beobachter Ihrer selbst. Das ist ein Prozess der Wahrnehmung und Achtsamkeit, der in vielen Belangen hilfreich ist. Es lohnt sich, daran kontinuierlich zu arbeiten. Dadurch werden Alarmsignale schneller erkennbar und schützen Sie vor ungewollten Commitments.
Alles richtig gemacht aber dennoch werden Sie ausgegrenzt
Sie können alles richtig gemacht haben und trotzdem fühlen Sie sich nicht dazugehörig. Sie werden links liegen gelassen, nicht zum Mittagessen mitgenommen, fühlen sich bei Meetings außen vor oder in eine bestimmte Rolle gedrängt. Es findet kein informeller Plausch statt. Warum lässt man Sie nicht in den Inner Circle?
Männerdomäne
Es könnte z.B. daran liegen, dass Sie die einzige Frau in einer männerdominierten Führungsebene sind. Sprechen Sie Ihre Beobachtung und Empfindungen direkt an, ohne jeden Vorwurf. Sie werden vermutlich auf betretenes Schweigen, bzw. Beteuerungen stoßen, dass es nicht persönlich gemeint ist.
Dahinter steckt, dass die Männer sich gut kennen und wissen, wie Sie miteinander umgehen und was Sie sich erzählen können. Sie als Frau werden eher als Störfaktor wahrgenommen, denn nun muss Mann sich disziplinieren, aufpassen, welche Witze gerissen und Schoten erzählt werden, höflich und zuvorkommend sein. Das heißt, die Mittagspause ist nicht mehr entspannt, sondern anstrengend und ein Stück Vertrautheit und Lässigkeit geht verloren. Männer und Frauen pflegen bekanntermaßen verschiedene Rituale und haben bestimmte Vorstellungen und Gepflogenheiten.
Sie, als Frau können versuchen, eine Brücke zu schlagen, indem Sie großzügig sind und nicht jedes Wort und jede Geste auf die Goldwaage legen.
Signalisieren Sie, dass Sie zwischen Fachgespräch und beruflichen Entscheidungen und Smalltalk unterscheiden können. Das bedeutet nicht, dass Sie sich komplett an die Männer anpassen und die Ihnen wichtigen Umgangsformen über Bord werfen. Natürlich können und sollten Sie Ihre Grenzen setzen, nur am besten auf eine lässig-charmante Weise.
Dies ist nur ein Beispiel für den Umgang mit sogenannter „extremer Minderheit“. Darunter versteht man Subgruppen, die weniger als zehn Prozent der Anwesenden ausmachen: Eine einzelne Frau, ein einzelne Ausländer etc. Das heißt, die Person wird nicht als Mitglied der Gemeinschaft gesehen, sondern als Vertreter einer Kleinstgruppe. Diese Menschen werden oft nach Ihrer Meinung gefragt nicht unter dem Aspekt eines Teammitgliedes, sondern um eine Einschätzung von außen, aus der besonderen Position heraus zu erhalten. Auch dies ist Ausgrenzung.
Erwarten Sie nicht, dass die neuen Kollegen den ersten Schritt machen, sondern ergreifen Sie selbst die Initiative. Der Smalltalk an der Kaffeemaschine, ein fröhliches Grüßen, Bitte und Danke brechen das Eis. Fragen Sie einfach, ob Sie sich zum Mittagessen zu den Kollegen dazusetzen können.
Fazit: Die Gruppe verstehen
Um in einem Team eines Betriebes oder in einer Gesellschaftsgruppe aufgenommen zu werden, sollten Sie verstehen, wie die jeweilige Gemeinschaft funktioniert. Eine Anpassung an die Gepflogenheiten, Rituale und die Gruppendynamik ist unumgänglich. Fühlen Sie sich zugehörig, haben Sie Ihren Platz und Rolle gefunden, dann können Sie auf die Gemeinschaft einwirken und Akzente setzen. Das Gefühl der Zugehörigkeit ist essenziell für Ihre Motivation, Leistung und Ihren Erfolg.
Foto/Thumbnail: ©istockphtot/izkes
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