Marcus R. Lentz: „Das Risiko der Wirtschaftskriminalität wird extrem unterschätzt”
Onpulson im Gespräch mit Marcus R. Lentz, geschäftsführender Gesellschafter der Lentz GmbH & Co. Detektive KG, über das Problem der Wirtschaftsspionage bei kleineren und mittleren Unternehmen, wo die Gefahren von Hackern lauern und was dagegen unternommen wird. Auch weist er darauf hin, dass viele Führungskräfte bei Hackerangriffen persönlich haftbar gemacht werden können.
Onpulson: Herr Lentz, Sie sind geschäftsführender Gesellschafter der Lentz GmbH & Co. Detektive KG.. Die von Ihnen im Jahr 1995 gegründete Detektei hat sich u.a auf die Abwehr von Wirtschaftsspionage und Datenklau spezialisiert. Sind hiervon denn auch kleine und mittelständische Unternehmen betroffen oder ist das eher ein Problem von Großunternehmen?
Marcus R. Lentz: Großunternehmen sind zwar auch betroffen; jedoch haben Großunternehmen meist eine eigene Abteilung, die sich nur mit der Abwehr von Angriffen von außen auf die Infrastruktur des Unternehmens beschäftigt und sind daher deutlich schwerer zu hacken, als kleine und mittelständige Unternehmen. Wenn ich heute einen Weltkonzern hacken möchte, würde ich das über seine ihm angeschlossenen Subunternehmen machen. Das geht wesentlich einfacher und ich komme auch zum Ziel.
Onpulson: Ist Wirtschaftsspionage ein Problem, von dem viele deutsche Unternehmen betroffen sind oder handelt es sich hierbei um ein eher seltenes Thema?
Marcus R. Lentz: Wirtschaftsspionage und der Abfluss von Daten und Know-How nehmen seit etwa 10 Jahren kontinuierlich zu. Aktuell betreuen wir mit unseren Wirtschaftsdetektiven und einigen darauf spezialisierten Forensikern zwischen 200 und 250 Auftragsmandate jährlich europaweit in diesem Bereich.
Onpulson: Lässt sich sagen, welche Branchen besonders oft von Wirtschaftsspionage betroffen sind? Wie sind hier Ihre Erfahrungen und warum gerade diese Branchen?
Marcus R. Lentz: Häufig betroffen von Wirtschaftsspionage sind Unternehmen aus der Branche des Maschinenbau und Automotive. Generell kann man sagen, dass Unternehmen, die sich mit Forschung und Entwicklung beschäftigen, im Visier sind. Hier fließt viel Know-How und Geld in die Entwicklung neuer Produkte und teils auch Einzelanfertigungen. Wenn der Wettbewerb hier die Baupläne und Konstruktionszeichnungen bekommt, kann er das für einen Bruchteil dessen, was das Unternehmen verlangen muss – da es ja die Entwicklung mit einberechnen muss – anbieten und so auch gesunde Firmen in die Insolvenz treiben.
Onpulson: Was sind aktuell die größten kriminellen Bedrohungen für Firmen?
Marcus R. Lentz: Ausgeschiedene bzw. ehemalige Mitarbeiter, die dem Ex-Chef einfach nur schaden wollen, sind das größte Problem, bzw. noch aktive Mitarbeiter mit privaten, finanziellen Problemen, die deshalb für Bestechung anfällig sind und der gesamte asiatische Raum, bzw. der Raum der russischen Föderation. Hier kann man für verhältnismäßig kleines Geld professionelle Hacker im Darknet engagieren, die praktisch alles beschaffen können.
Onpulson: Wann genau kommt Ihre Detektei zum Einsatz und wie können Sie betroffenen Firmen helfen?
Marcus R. Lentz: Durch eine wirkungsvolle Kombination, die immer auf den Einzelfall zugeschnitten wird, aus Abhörschutzmaßnahme, Observation (Beobachtung) und umfangreichen Ermittlungen. Hierfür verfügen wir über festangestellte geprüfte Privatermittler (IHK) und unseren Technischen Abschirmdienst unter fachlicher Leitung eines Dipl.-Ing. Nachrichtentechnikers mit langjähriger nachrichtendienstlicher, behördlicher Erfahrung.
Onpulson: Kommen die Unternehmen nicht meist dann auf Sie zu, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist?
Marcus R. Lentz: Leider ja. Viele Chefs kommen auch dann nur zögerlich und auf Drängen ihres Vorstandes, bzw. ihrer Anwälte auf uns zu. Das Risiko der Wirtschaftskriminalität wird extrem unterschätzt. Viele Chefs wissen noch nicht einmal, dass sie persönlich haftbar gemacht werden können, wenn sie keine hinreichenden Sicherungen – etwa regelmäßige Sweeps zum Abhörschutz – durchführen lassen und so auch ganz schnell massiven Ärger mit dem Staatsanwalt bekommen können.
Onpulson: Welche Möglichkeiten haben Unternehmen sich vorbeugend vor Wirtschaftsspionage zu schützen?
Marcus R. Lentz: Versuchen Sie wichtige Informationen nur dem Personenkreis zugänglich zu machen, der diese Information wirklich benötigt. Extrem sensible Informationen teilen Sie unter mehreren Mitarbeitern der Führungsebene auf. Jeder kennt nur einen Teil der Information und kann damit allein für sich noch nichts anfangen. Das machen Weltunternehmen wie Coca-Cola und Google auch so. Wenn das nicht geht, dann müssen Sie sehr engmaschig kontrollieren und ein mehrstufiges Kontrollsystem – am besten ein Integriertes Management System – in ihr Unternehmen implementieren.
Onpulson: Was war in Ihrer beruflichen Laufbahn der bisher interessanteste und aufregendste Fall von Wirtschaftsspionage, mit dem Sie konfrontiert wurden?
Marcus R. Lentz: Dazu darf ich mich leider aufgrund meiner absoluten Verschwiegenheitsverpflichtung nicht äußern. Aber gehen Sie davon aus, dass Sie sicherlich den ein- oder anderen aus den Medien kennen würden. Unser Ziel ist es immer, den Reputationsschaden für das Unternehmen, das uns einschaltet, zu minimieren, oder auszuschließen und den, oder die Täter zu überführen und das deutlich schneller und ‚geräuschloser‘ als Polizei und Staatsanwaltschaft dies könnten.
Onpulson: Welchen Tipp können Sie Unternehmen geben, wenn der Verdachtsfall von Wirtschaftsspionage und Datendiebstahl aufkommt?
Marcus R. Lentz: Handeln Sie schnell, beherzt und ohne zu zögern, aber weihen Sie nach Möglichkeit außer ihrem Anwalt niemanden – auch nicht im eigenen Unternehmen – ein. Diskretion beginnt immer beim Geschädigten selbst.
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