Irmela Preissner-Bhaya: „Wir möchten diese Welt zu einem liebevolleren Ort machen“
Im Gespräch mit Irmela Preissner-Bhaya, Gründerin des Start-ups Voyabo, das Geschenkboxen für Paare kreiiert, die eine Date Night daheim erleben möchten. Die Boxen bestehen aus Anleitungen, Ideen und sowohl materiellen als auch immateriellen Artikeln, welche Schritt für Schritt unterhaltsam die Pärchen durch einen Abend führen. Anstelle eines langweiligen Fernsehabends oder einschleichender Routine kommen sich Paare durch Voyabo wieder näher.
Name: Irmela Preissner-Bhaya
Geburtsjahr: 1982
Position: Co-Founder und Gesellschafterin des Start-ups Voyabo
Vita: Irmela hat bereits auf vier Kontinenten gelebt und gearbeitet und über 60 Länder bereist. Passend dazu ist sie gelernte Reiseverkehrskauffrau und hat Internationales Tourismus Management in Bremen und auf Bali studiert. Nach 15 Jahren in der Tourismusbranche mit Stationen in Jakarta und Johannesburg war sie zuletzt als Produktleitung und anschließend Vertriebsleitung bei einem Veranstalter für nachhaltige Wander- und Trekkingreisen in München tätig. Nun möchte sie mit ihrem Startup Voyabo eine neue Art von “Reiseerlebnis” anbieten. Mit den Date Night Boxen erleben Paare kleine Kurztrips für ihre Beziehung im eigenen Zuhause.
Lebensmotto: It always seems impossible until it’s done – Nelson Mandela
Über das Unternehmen
Ludwigstr. 128
70197 Stuttgart
Was ist das Geschäftsmodell Ihres Unternehmens?
In Deutschland gibt es ca. 27 Millionen Paare. Nur die Hälfte ist mit der Intimität in ihrer Partnerschaft zufrieden. Trennungen und eine hohe Scheidungsquote sind die Folge. Forschungen zeigen, dass unter anderem eine Disharmonie von sexuellem Verlangen und dem Wunsch nach Zärtlichkeit bei Frauen und Männern dafür verantwortlich ist. Auch verhindert die sich einschleichende Routine die Zweisamkeit. Wo anfangs noch romantische Dinner und Date Nights regelmäßig aufregende Stunden versprachen, insbesondere in der Verliebtheitsphase, lassen sich Paare später allzu leicht durch ihren stressigen Alltag zu Fernseh- und Netflix-Abenden oder Gesprächen über die Kinder hinreißen. Der Fokus auf Romantik und Leidenschaft nimmt ab. Die Planung von ein wenig Zeit zu zweit scheint mühevoll, einen Anlass zu finden aufwendig.
Hier kommt Voyabo ins Spiel: Die Geschenkboxen enthalten alles, was ein Paar für eine Date Night daheim braucht. Sie bestehen aus Anleitungen, Ideen und sowohl materiellen als auch immateriellen Artikeln, welche Schritt für Schritt unterhaltsam durch einen Abend führen. Ziel ist es, die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Partner*innen aufeinander zu lenken, gegenseitiges Verständnis zu fördern und körperliche Nähe herzustellen.
Für den Marktstart gehen wir mit drei Date Nights an den Start: “Gemeinsame Reise”, “Vertraute Worte” und “Choc your body”.
Erst kommt die Vision, dann die Gründung. Wie sind Sie auf Ihre Geschäftsidee gestoßen?
Meine Scheidung im letzten Jahr hat mich ganz schön aus der Bahn geworfen. Das ist eine Erfahrung, die ich niemandem wünsche, denn sie raubt leider viel Energie. Mein Selbstvertrauen habe ich langsam wieder aufgebaut, indem ich mein Leben selbst in die Hand genommen habe. Ein Beispiel dafür sind Finanzen. Zuvor hatte ich auf gemeinsame Anlagen mit meinem Mann gebaut, nun wusste ich, dass ich grundlegend neu denken muss. Seitdem interessiere ich mich stark für Aktien und Immobilienanlagen.
Ein weiterer Bereich, über den ich mir viele Gedanken gemacht habe, ist, wie ich andere Paare darin unterstützen kann, zusammen zu bleiben. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass das Investieren in die eigene Beziehung nicht immer einfach ist – denn oftmals fehlt es an Zeit, guten Ideen oder Paare sind im eigenen Alltag gefangen.
Mein Geschäftspartner Sven war wiederum in einer ganz anderen Phase. Er hat während Corona geheiratet. Er wollte in seine Beziehung investieren, um das “Knistern” lange beizubehalten.
Zusammen haben wir uns die Frage gestellt – was können Paare tun, um ihre Beziehung zu stärken? Welche Möglichkeiten gibt es sinnvoll Zeit miteinander zu verbringen? Welche Produkte gibt es am Markt? Nach intensiver Recherche ist uns aufgefallen, dass ein großer Teil des Marktes nicht bedient wird. Nämlich ein Markt an Paaren, die ihre Beziehung vertiefen wollen, dabei aber von Sextoys eher abgeschreckt als angeturnt werden. Denen andere Angebote zu therapeutisch oder zu esoterisch sind. Und die unter einem schönen Paarmoment mehr als billige Stellungswürfel verstehen. Hier bieten wir eine hochwertige Alternative für die Quality time mit dem Lieblingsmenschen.
Neben einer guten Idee spielt auch die Team-Zusammensetzung oft eine entscheidende Rolle. Wie setzt sich das Team bei Ihnen zusammen?
Sven und Ich haben uns im Tourismusmanagement-Studium an der Hochschule Bremen vor über 10 Jahren kennengelernt und sind seitdem ziemlich beste Freunde. Das heißt, wir können uns aufeinander verlassen, gut die Meilensteine feiern, aber über Themen auch sehr direkt streiten.
Zusammen haben wir zur Recherche eine Vielzahl von Paaren interviewt und zu ihrem Beziehungs- und Sexleben befragt. Dabei ist uns eine wichtige Erkenntnis gekommen: Schöne Momente sind nicht eindimensional. Die Kreation von Erlebnissen, die eine Beziehung vertiefen sollen, ist komplizierter als z.B. das Aneinanderreihen von Fragen, die man sich einander stellen kann. Trotzdem können schon kleine Sachen wie Kerzen oder Komplimente einen großen Unterschied machen.
Wir sind sehr froh darüber, dass wir Claudia Huber für einer Zusammenarbeit gewinnen konnten. Sie ist Paar- und Sex-Psychologin und bereichert mit ihrem Erfahrungsschatz und Expertise die Konzepte unserer Date Nights.
Außerdem unterstützen uns einige freie Mitarbeitende und Berater*innen. Die erste Festangestellte ist zudem unsere Grafikerin, weil unsere Paarerlebnisse recht gestaltungsintensiv sind.
Wie differenzieren Sie sich von Ihren Wettbewerbern?
Unsere Boxen verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz. Sie sind nicht nur ein Kartenspiel mit Anleitungskärtchen, sie sind nicht nur ein einziges Produkt wie ein Schaumbad und sie sind auch keine Sextoy-Sammlung. Alle Date-Night-Boxen führen das Paar thematisch durch einen vorgeplanten Abend zu Hause. Sie beginnen damit, dass das Paar seine Aufmerksamkeit aufeinander lenkt. Durch Fragen, Spiele oder Impulse wird Verständnis füreinander aufgebaut. Die Boxen schaffen zudem körperliche Nähe, hören dann aber konzeptionell über der Gürtellinie auf. Wann das Paar Lust bekommen hat noch weiter zu gehen, dann natürlich gerne.
Der Ablauf der Date Night lässt außerdem Platz zur individuellen Ausgestaltung für das Paar und macht es zudem spannend für die verschiedensten Beziehungen – für diejenigen, die gern miteinander sprechen, für diejenigen die miteinander spielen, für diejenigen, die gern miteinander träumen. Homo wie hetero, die erst seit Kurzem oder schon viele Jahr(zehnt)e in einer Beziehung sind.
Was war Ihre Motivation Unternehmer zu werden?
Wir möchten diese Welt zu einem liebevolleren Ort machen. Wer bewusst lieben will, muss bekanntlich erst einmal sich selbst lieben. In diesem Bereich gibt es bereits unzählige Angebote. Mit Voyabo konzentrieren wir uns auf den zweiten wichtigen Bereich der Partnerschaften. Wir sind überzeugt davon, dass eine erfüllte Partnerschaft wie ein „Glücksmultiplikator“ auf das Umfeld des Paares wirkt. Ist man der Beziehung glücklich, dann strahlt das positiv auf die eigene Familie, auf die Arbeit, den Freundeskreis und das gesamte Umfeld aus. Kurzum: wir wollen mehr Liebe in die Welt bringen.
Wenn man wirklich etwas verändern möchte, kann man sich entweder ein passendes Unternehmen für seine Vision suchen oder eben selbst eines gründen. Sven und ich haben uns für das Letztere entschieden. So stellen wir sicher, dass wir auch eine Firmenkultur ganz nach unserer Vorstellung entwickeln können. Ihr werdet es erraten: uns ist es wichtig, eine Culture of Love zu entwickeln, die von gegenseitigem Respekt, Fairness und liebevollen Momenten geprägt ist.
Welche unternehmerischen Ziele haben Sie für die nächsten 3 Jahre?
Derzeit befinden wir uns im Markttest. Durch ein Crowdfunding haben wir das nötige Kleingeld aufbringen können, die ersten 450 Boxen herzustellen. Diese werden nun innerhalb verschiedener Vertriebskanäle verkauft. Wichtig dabei ist uns zu lernen, wie die Date-Night-Boxen bei unserer Käuferschaft ankommen.
Schließen wir den Markttest in diesem Sommer positiv ab, weiten wir unsere Produktion aus, denn die wichtigsten Saisons stehen dann bald bevor: Paargeschenke werden am ehesten in der Winterzeit gekauft – insbesondere zu Weihnachten und zum Valentinstag. Gemessen am Wettbewerb und ihren Verkaufszahlen rechnen wir mit einem Potential von einigen zehntausend Voyabo-Boxen, die wir zur Hochsaison absetzen können.
Was waren die größten Herausforderungen in der Gründungsphase?
Die Herausforderungen sind so vielseitig, dass man sie gar nicht so einfach aufzählen kann. Etwas, das uns zum Beispiel sehr beschäftigt hat, war es, eine Umsatzsteuer-ID zu bekommen. Kein Witz. Es hat ab Gründung 2,5 Monate gedauert, bis wir sie hatten – trotz mehrerer Anrufe, Briefe und Involvierung unseres Steuerberaters.
Da wir sie brauchten, um uns bei Handelsportalen und Partnerfirmen zu registrieren und Rechnungen zu schreiben, bzw. zu empfangen hat uns das im Timing ganz schön nach hinten geworfen.
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihr Unternehmen aus und wie wollen Sie diese meistern?
Corona hat keine negativen Auswirkungen auf unser Geschäft, sondern kann sich sogar positiv bemerkbar machen. In Krisenzeiten ist meist eine Intensivierung von Liebesbeziehungen zu beobachten. Denn Liebe und Sexualität sind Möglichkeiten, ein Gefühl von Sicherheit zu bewahren. Darüber hinaus bietet Voyabo ein Paarerlebnis für zu Hause. Kommt es zu weiteren Lockdowns oder Einschränkungen, ist die Funktionalität von Voyabo nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil, wahrscheinlich würde die Nachfrage nach Paarideen und -aktivitäten innerhalb der eigenen vier Wände dann steigen. Denn von Spiele-, Netflix- und Kochabenden haben viele Paare nach einem Jahr Corona nun genug.
Ein Unternehmen zu gründen und zu expandieren kostet Geld. Wie finanzieren Sie sich?
Für den Anfang haben Sven und ich Eigenkapital in unsere Gesellschaft eingebracht um die ersten Kosten für Anwälte, Gebühren und Steuerberater bezahlen zu können. Für unsere erste Produktrunde haben wir über ein Crowdfunding mehr als 7.500 EUR eingesammelt. Im Sommer folgt nun ein weiterer Zuschuss von Eigenkapital.
Ist für Sie eine Partnerschaft mit Venture-Kapitalgebern eine Option?
Dafür sind wir sehr offen, denn unser Produkt wird mit einer Erhöhung der Absatzmengen immer lukrativer. So verringern sich z.B. die Kosten für die Verpackung mit höherer Stückzahl stark. Eine Erhöhung der Auflage von z.B. 500 auf 2.000 Stück reduziert die Druckkosten schon um ca. 50%. Hier wird es spannend für Investor*innen.
Nach erfolgreichem Markttest wollen wir vermehrt weibliche Investorinnen ansprechen und unseren Business Case vorstellen. In der Vergangenheit haben wir uns Feedback von weitestgehend männlichen Investoren eingeholt, z.B. über einen Businessplan-Wettbewerb. Dort hatten wir oft das Gefühl, dass den Investoren ein Gefühl für unser Produkt fehlte – im wahrsten Sinne des Wortes. Nachfragen, ob Paare wirklich für ein Produkt bezahlen wollen, “nur” um die Beziehung zu stärken, frustrieren uns und wir könnten uns vorstellen, dass weibliche Investorinnen andere Fragen stellen.
Welchen Tipp möchten Sie an andere Gründer gerne weiter geben?
Wie immer im Leben ist es wichtig, einfach in die Umsetzung zu kommen und loszugehen – dabei allerdings offen für Änderungen zu bleiben. Denn sobald man unterwegs ist, wird sich der Weg noch ein paar Mal ändern. Ist man schon ein Stück gegangen, ergeben sich neue Ausblicke und so können weitere Wege erkannt und andere Entscheidungen getroffen werden.
Bei uns ändert sich z.B. die Zusammenstellung unserer Boxen ständig – sei es, aufgrund von Feedback oder auch durch Hinweise von unserem Anwalt. Da heißt es cool bleiben, die Veränderung annehmen, umsetzen und weitermachen.
Ist Ihr Team bereits vollständig oder suchen Sie aktuell noch freie und/oder feste Mitarbeiter?
Wir arbeiten nach einem Ansatz, bei welchem wir mehr in Prozessen denken, als in Festangestellten. Das Ziel ist es, zukünftig Schlüsselressourcen zu besetzen, wie z.B. Vertrieb und Grafik. Jedoch alles, was auszulagern geht, auszulagern. So halten wir es zum Beispiel mit dem Fulfillment und Lager. So behalten wir uns auch die Flexibilität bei, Spitzen abzufedern – denn dazu sind wir zu frisch am Markt um einschätzen zu können, wie groß die Nachfrage z.B. zum Valentinstag nach unseren Date-Night-Boxen ist.
Warum sollten Fach- und Führungskräfte sich bei Ihrem Unternehmen bewerben?
Wir finden es verdammt sexy, mit einem eigenen Produkt mehr Liebe in der Welt zu schaffen. Wer diese Vision teilt, ist herzlich willkommen, uns zu kontaktieren.
Stellen Sie sich vor, Sie treffen den Bundeswirtschaftsminster. Was würden Sie sich für den Wirtschaftsstandort Deutschland bei ihm wünschen?
Definitiv E-Administration. Es sollte wirklich viel einfacher sein, ein eigenes Business zu gründen oder mit dem Finanzamt zu arbeiten. Und es sollte auch wirklich schneller gehen als es derzeit der Fall ist.
Welche Person hat Sie in der Gründungs- und Wachstumsphase besonders unterstützt? Bei wem möchten Sie sich bedanken?
Sven und ich konnten uns sehr glücklich schätzen, dass wir eine Vielzahl von Freund*innen als Unterstützung hatten, die ihre verschiedenen Expertisen mit einbringen konnten. Allen voran die Svens Ehemann Felix, der uns als PR- und Kommunikationsexperte zur Seite stand. Auch mein Ex-Mann, mit dem ich mittlerweile gut befreundet bin, hat uns mit seinem strategischen Wissen viel unterstützt.
Weitere Personen haben uns mit der Corporate Identity, unseren Texten, beim Fehlerlesen und dem Gedankenaustausch zu allen möglichen Themen, wie z.B. IT, rechtlichen Themen oder Ausprobieren unserer Testboxen, unterstützt. Wir schulden ihnen allen eine riesen Sause, sobald Corona dies wieder zulässt.
Mit welcher Persönlichkeit würden Sie gerne einmal zum Dinner gehen und warum?
Ich würde gerne einmal mit Jeanine Hurte zum Essen gehen. Als erfolgreiche Gründerin ist sie für mich ein Vorbild. Leider sind Gründerinnen ja immer noch in der Minderheit. Ihre Ideen rund um das richtige money mindset, Selbstvertrauen und ihr female way of doing business sprechen mich sehr an und ich denke, dass ich sehr viel von ihr lernen kann.
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