Strategieentwicklung: 5 fundamentale Veränderungen für Unternehmen
Die Corona-Krise begräbt die bisher bekannte Vorgehensweise bei der Strategieentwicklung in Unternehmen. Wo sich Märkte so radikal verändern, stoßen bewährte Vorgehensweisen an ihre Grenzen. Wie können Unternehmen in der neuen Unsicherheit dennoch planen? Indem sie Entwicklung von Strategien neu denken. Das sind die fünf Prämissen, die Strategieentwicklung in und nach Corona prägen werden.
1. Das Ende der Prozessoptimierung: Warum das große Ganze wieder relevant wird
Prozesse bestimmen die Welt von Unternehmen. Je effizienter ein Prozess, desto geringere Kosten und mehr Wertschöpfung. Auf diese Prozessverbesserungen haben gerade in der letzten Boom-Dekade viele Unternehmensstrategien abgezielt. Sie waren oftmals die Aneinanderreihung einer Vielzahl von operativen Projekten. Doch wo der Markt nicht mehr funktioniert oder vollständig verschwunden ist, reicht eine beständige Prozessverbesserung auch nicht mehr aus. Es ist eher grundsätzlich zu fragen: Welchen Beitrag kann das Unternehmen leisten, um (neue) Probleme seiner Kundinnen und Kunden in einer VUCA-Welt zu lösen? Welche Vision gibt es, um in zwei, fünf und zehn Jahren noch am Markt zu bestehen? Welche globalen Ziele gilt es zu definieren? Welchen Rahmen muss das Top-Management schaffen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu befähigen, diese Ziele zu erreichen?
2. Dirigieren statt Kommandieren: Strategieentwicklung erfolgt künftig mitten im Unternehmen
Hat das Management in den vergangenen Jahren eine Strategie entwickelt, sind dabei oft nicht nur Vision, Ziele und Rahmen herausgekommen – sondern Lösungen gleich mitgeliefert worden, die dann von den nachgelagerten Führungsebenen im Unternehmen entsprechend umzusetzen waren. Das war schon bisher problematisch, denn allzu häufig waren die in bester Absicht erdachten Maßnahmen in der Praxis deutlich schlechter umsetzbar, als es im Board-Room einst geplant wurde. Weil dem Top-Management die Detailkenntnis fehlte, um wirklich zielführende Lösungen zu entwerfen. Aufgrund der weiter steigenden Komplexität und rasanten Veränderungsgeschwindigkeit wird darum künftig ein kleines Gremium im Elfenbeinturm kaum noch allein die Antworten geben können, die ein Unternehmen benötigt, um effektiv durch die neue unsichere Welt zu navigieren. Strategieentwicklung wird darum in der Zukunft alle relevanten Know-how-Träger im Unternehmen über alle hierarchischen Ebenen hinweg mit einbeziehen. Das Top-Management wird weniger selbst die richtigen Ideen entwickeln. Seine Aufgabe ist die Orchestrierung des Zusammenspiels aller diversen Akteure in der Strategieentwicklung.
3. Multi-disziplinäre Teams liefern Input: Grenzen von ‚Extern‘ und ‚Intern‘ verschwimmen
Strategieentwicklung war bisher häufig das Heiligste, dem (kaufmännischem) Top-Management und wenigen auserkorenen Beratern vorbehalten. Doch neben einer Einbindung aller hierarchischen Ebenen, wird die Entwicklung von Unternehmensstrategie künftig auch interdisziplinär stattfinden müssen. Denn ohne Technologie- und Digitalexperten, Innovations- und Marktforscher, Cyber-Security- und Blockchain-Spezialisten, globalen Risiko-Analysten und Politik-Kennern, ja sogar Ärztinnen und Ärzten, ist sie künftig kaum noch denkbar. Dass Unternehmen nicht all diese Ressourcen intern selbst (in entsprechender Qualität) vorhalten können, liegt auf der Hand. Darum wird die Einbindung externer Unterstützer weiter zunehmen und die Grenzen zwischen intern und extern werden zunehmend verschwimmen.
5. „Keine Experimente“ hat ausgedient: was nicht funktioniert, wird korrigiert
Das Haltbarkeitsdatum von Strategien und Teil-Strategien nimmt beständig ab. Was heute noch gilt, kann morgen bereits veraltet sein. Darum können Strategie-Planungsprozesse heute nicht mehrere Monate dauern und danach als abgeschlossen gelten. Vielmehr gilt es, neue Rahmenbedingungen schnell zu verinnerlichen, sich daraus ergebende Herausforderungen zu beschreiben, Lösungen zu skizzieren und dann auszuprobieren, Zeit zu kaufen – und Lösungen anzupassen, wieder anzupassen und erneut anzupassen. Dazu bedarf es eines adaptiven Denkens und Handelns und eine große Offenheit für experimentelles Arbeiten. Das Top-Management hat die Herausforderung, eine solche Haltung im Unternehmen zu verankern.
6. „Werte“ sind nicht mehr nur PR: sie bilden das Fundament aller strategischen Überlegungen
Wo Geschäftsmodelle von heute auf morgen kippen können, gibt es für Unternehmen und die dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer weniger Möglichkeiten, Identität zu bewahren. Wer sich gerade mit dem qualitativ hochwertigen Auto identifiziert hat, das aber trotzdem keiner mehr kaufen will – der stürzt zwangsweise in die Identitätskrise. Was aber Anker ist, sind grundsätzliche Werte (und Kompetenzen), auf denen Unternehmen aufbauen. Die vor allem das „Wie“ der Arbeit beschreiben – und oftmals zu einem neuen „Was“ führen können: Vom Autobauer zum Mobilitätsanbieter, vom Verpackungshersteller zum Anbieter hygienischer Logistiklösungen, etc. Gerade in der jetzigen Zeit werden Unternehmen sich intensiver prüfen müssen, was eigentlich für sie selbst dieses „Wie“ ist und welche Werte sich dahinter verbergen. Strategien werden künftig darauf aufbauen müssen, wenn sie eine Chance auf Akzeptanz im eigenen Unternehmen haben wollen.
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