Wie junge Unternehmensnachfolger die Digitalisierung in Angriff nehmen
Der Chef des Wohnwagen- und Wohnmobilanbieters Caravan Center Bocholt ist ein typischer Vertreter der neuen Nachfolgergeneration, die eine offene Unternehmenskultur mit flachen Hierarchien und einem hohen Maß an Eigenverantwortung pflegt. Viele der neuen Firmenlenker stehen derzeit aber auch vor einer enormen Aufgabe: Sie müssen die Digitalisierung in Angriff nehmen, um die Zukunftsfähigkeit ihres Familienunternehmens zu sichern.
In die Firma des Vaters einzusteigen, galt vor zehn Jahren noch als wenig attraktiv. Mittlerweile können sich jedoch immer mehr Unternehmerkinder diesen Weg vorstellen. Das bestätigt eine aktuelle Umfrage der Stiftung Familienunternehmen unter mehr als 1.600 Nachkommen von Firmeninhabern. Mehr als 70 Prozent erklärten, dass sie spätestens mit 40 Jahren Verantwortung im Familienbetrieb übernehmen möchten. Vor zehn Jahren waren es gerade einmal halb so viele. Dabei gehen die Befragten mit dem Thema Nachfolge wesentlich flexibler um als die Generation ihrer Eltern. So entwickelt sich der klassische Patriarch, der das Unternehmen allein führt, zum Auslaufmodell. Die Familienunternehmer von morgen sind Teamplayer, die kein Problem damit haben, die Firma zusammen mit weiteren Familienmitgliedern oder angestellten Führungskräften zu leiten.
Das Unternehmen auf einen Blick
Caravan Center Bocholt GmbH & Co. KG
Harderhook 29
46395 Bocholt
Anzahl Mitarbeiter: über 60
Geschäftsmodell: Vermietung von Wohnwagen und Reisemobilen sowie der Handel mit Freizeitfahrzeugen
Website: www.caravan-center-bocholt.de
Social Media: Facebook; Instagram
Erfolgreiches Führungstrio beim Caravan Center Bocholt
Ein Beispiel hierfür ist das junge Führungsteam des Wohnwagen- und Wohnmobilanbieters Caravan Center Bocholt: Die drei Kinder von Firmengründer Alfons Thielkes sind in den letzten Jahren nach und nach in die Firmenleitung eingestiegen. Der Älteste, Christian Thielkes, war zunächst im Vertrieb tätig. 2013 erwarb der gelernte Automobilkaufmann einen 30-prozentigen Anteil am Unternehmen und hatte bis zum Tod des Vaters 2017 gemeinsam mit dem Firmengründer die Geschäftsführung inne. Seither ist er allein dafür verantwortlich. Seine Schwester Anna-Maria Thielkes leitet den Servicebereich, und Benedikt Thielkes ist für die Werkstattorganisation verantwortlich. Die kaufmännische Leitung obliegt dem Prokuristen Simon Böing, einem Freund der Familie. Das Modell funktioniert, auch weil die Geschwister ihre Bereiche eigenständig leiten. Schon Alfons Thielkes hatte großen Wert auf Selbstständigkeit und Eigenverantwortung gelegt. Diese Tradition führt das neue Führungstrio nun fort.
Ablösung von Altsystemen und Insellösungen
Gleichzeitig müssen die neuen Firmenlenker aber den digitalen Wandel gestalten, der in vielen Familienunternehmen derzeit ansteht. Vor dieser Herausforderung stand auch Christian Thielkes vor einigen Jahren. „Als ich in das Unternehmen eingestiegen bin, war unsere IT-Infrastruktur nicht auf dem aktuellen Stand. Das konnte man nicht nur daran erkennen, dass wir vielfach noch Nadeldrucker im Einsatz hatten. Auch die implementierten Systeme waren unseren Anforderungen und dem Wachstum des Betriebs nicht mehr gewachsen. Durch den Einsatz verschiedener Einzelsysteme für Buchführung, Warenwirtschaft und Personalabrechnung sowie zahlreicher Excel-Tabellen und einer nicht verknüpften Dokumenten-Management-Software konnte es passieren, dass ein Fahrzeug in fünf verschiedenen Systemen gleichzeitig erfasst war. Und für eine Integration der Anwendungen fehlten die entsprechenden Schnittstellen“, erinnert sich der junge Firmenchef.
Nach dieser Bestandsaufnahme war klar, dass die IT-Systeme des Betriebs dringend modernisiert werden mussten – mit einer Lösung, die alle Geschäftsbereiche zentral steuert und verwaltet. Diese Anforderung wurde durch das schnelle Wachstum des auf den Verkauf, die Vermietung und die Reparatur von Wohnmobilen und Wohnwagen spezialisierten Unternehmens noch verstärkt. „Als wir binnen kürzester Zeit 150 neue Kunden hinzugewonnen hatten, war für uns klar, dass wir handeln mussten. Um unseren Kunden auch in Zukunft den geforderten Service bieten zu können, brauchten wir schnellere und effizientere Abläufe. 2015 wurde daher die Business-Management-Lösung Sage X3 eingeführt und im Zuge dessen Prozesse wie Fahrzeugbestandsaufnahme, Warenwirtschaft und Buchhaltung nach und nach digitalisiert“, so Thielkes.
Dabei profitierte der Nachfolger von einem entscheidenden „Heimvorteil“: Als Sohn des Firmengründers in der Branche groß geworden, war er mit den Kunden und deren Anforderungen vertraut. Ihm war klar, worauf bei der Modernisierung der betrieblichen Abläufe zu achten ist, damit die neuen digitalen Systeme die Kundenanforderungen auch wirklich optimal adressieren.
Change-Management: Kommunikation ist das A und O
Heute läuft kein Prozess mehr so ab wie noch vor fünf Jahren. Eine solche Umstellung erfordert allerdings ein Change-Management, das die Mitarbeiter bei Veränderungen begleitet. Ein Wechsel in der Geschäftsführung – etwa in Form eines Nachfolgeprozesses – oder auch die digitale Transformation eines Betriebs sind zwei Beispiele dafür. Beide Prozesse hat das Caravan Center Bocholt durchlaufen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem eine kontinuierliche Kommunikation, um Orientierung zu bieten und mögliche Bedenken und Ängste auszuräumen.
Auch Thielkes hat die Erfahrung gemacht, dass zu viel gleichzeitige Veränderung für Unruhe in der Belegschaft sorgt. Wichtig sei zudem, Fehler zuzulassen und Experimente zu ermöglichen, die auch einmal schief gehen können. „Eine ausgeprägte Fehlerkultur, der Austausch auf Augenhöhe, eine freundschaftliche Arbeitsatmosphäre, flache Hierarchien und der persönliche Kontakt zu Kunden und Lieferanten: All diese Dinge waren unserem Vater immer extrem wichtig – und auch wir Geschwister stehen voll dahinter. Diese Firmenkultur beizubehalten, hat zudem dazu beigetragen, dass wir unsere Mitarbeiter bei der Digitalisierung problemlos ins Boot holen konnten“, so Thielkes.
Zukunftsfähig durch Digitalisierung
Auch für ein weiteres Wachstum sieht Thielkes sein Unternehmen gut gerüstet: „Es ist ein enormer Fortschritt, dass jetzt alle Informationen an einem zentralen Ort verwaltet werden und man sich nicht mehr durch verschiedene Systeme klicken muss. Das macht alles schneller und effizienter – für die Mitarbeiter und letztlich auch für unsere Kunden.“ Und letztlich waren der digitale Wandel eine wichtige Maßnahme, um den Wohnwagenanbieter zukunftsfähig zu machen. Denn wie für viele andere mittelständische Betriebe ist die digitale Transformation auch für das Caravan Center eine entscheidende Voraussetzung für die dauerhafte Sicherung seiner Existenz. Wer die Nachfolge eines Familienunternehmens übernimmt, muss bereit sein, dieses Thema voranzutreiben.
Foto/Thumbnail: ©Caravan Center Bocholt
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