Strategieentwicklung in Krisen- und Marktumbruchzeiten: 10 hilfreiche Tipps
Unternehmensführung

Strategieentwicklung in Krisen- und Marktumbruchzeiten: 10 hilfreiche Tipps

Dr. Georg Kraus
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Beim Entwickeln von Strategien für die Zeit nach der Corona-Pandemie stecken die Top-Entscheider in den Unternehmen aktuell häufig in einer Zwickmühle. Einerseits können sie über die Rahmenbedingungen nach der Krise nur spekulieren; andererseits wollen nicht nur ihre Mitarbeiter von ihnen wissen, wie es weiter geht.

Momentan Strategien zu entwickeln, ist äußerst schwierig, denn: die Unternehmensführer können bei ihren strategischen Entscheidungen auf fast keine validen Daten stützen. Das erschwert ihre Arbeit in der aktuellen Krisen- und Marktumbruchsituation.

Hinzu kommt: Ihre verunsicherten Mitarbeiter erwarten von ihnen gerade in Krisensituationen Halt und Orientierung. Auch dies gilt es bei der Strategiearbeit zu bedenken. Hier einige Tipps, wie Sie bei der Strategieentwicklung in einer so diffusen Entscheidungssituation wie der aktuellen als Unternehmens- und Menschenführer agieren sollten.

1. Machen Sie sich Ihre Funktion in der Krisen- und Marktumbruchsituation bewusst

In der aktuellen Situation müssen die Top-Entscheider in den Unternehmen die Weichen in ihren Organisationen in Richtung Erfolg stellen – das heißt die nötigen strategischen Entscheidungen treffen. Zugleich müssen sie als Leader verunsicherten Mitarbeitern Halt und Orientierung bieten. Hierzu zählt auch, dass sie ihnen sagen „So geht es (vorläufig) weiter“ und die Zuversicht ausstrahlen: „Wir schaffen es, wenn …“ Seien Sie sich dieser Doppelfunktion bewusst. Reflektieren Sie vor öffentlichen Auftritten und Verlautbarungen, was dies für Ihr Verhalten bedeutet.

2. Entwickeln Sie für sich Szenarien und einen Fahrplan, wie es weitergehen könnte

Machen Sie sich aufgrund Ihrer Leader-Funktion, bevor Sie zum Beispiel ein offizielles Strategiemeeting anberaumen, alleine oder im engsten Kollegenkreis bewusst, wie sich der Markt Ihres Unternehmens mittel- und langfristig entwickeln könnte. Ziehen Sie auch das Best- und Schlechtstmögliche in Betracht. Leiten Sie hieraus mögliche Szenarien ab. Reflektieren Sie, was diese für Ihr Unternehmen bedeuten und welche Chancen und Risiken sowie Herausforderungen und Aufgaben hieraus erwachsen, so dass Sie selbst die nötige erste Orientierung haben.

3. Lassen Sie Strategieworkshops eventuell durch neutrale Experten moderieren

In einem so diffusen und von rascher Veränderung geprägten Umfeld wie dem aktuellen können Entscheidungen, bei denen viele Einflussfaktoren zu berücksichtigen sind, meist nicht im Konsens getroffen werden, denn: Aufgrund ihrer Biografie und Funktion in Ihrer Organisation schätzen die Teilnehmer zum Beispiel von Workshops die Ist-Situation, die Risiken und Chancen und somit auch Handlungsmöglichkeiten verschieden ein. Deshalb sind Konflikte vorprogrammiert. Entsprechend groß ist die Gefahr, sich in endlosen Was-wäre-wenn-Diskussionen zu verlieren.

Wer heute der Superstar ist, hat beste Chancen, morgen tief zu fallen.

Hermann Simon

Unternehmensberater und Autor

4. Machen Sie in Meetings den Teilnehmern die Komplexität der Entscheidungssituation bewusst

Verdeutlichen Sie zum Beispiel vor einem Strategieworkshop mit den Führungskräften in Ihrem Unternehmen, den Teilnehmern an einigen Beispielen,

  • wie komplex die aktuelle Entscheidungssituation ist und
  • dass sie sich bei der Strategieentwicklung weitgehend auf Annahmen stützen müssen.

Schildern Sie durchaus auch plastisch den Worst Case – nicht um die Teilnehmer zu erschrecken, sondern ihnen aufzeigen, wie groß momentan der „Möglichkeitsraum“ ist. Vermitteln Sie ihnen, dass aufgrund der Ist-Situation die beschlossene Strategie nur eine vorläufige sein kann, die regelmäßig überprüft und gegebenenfalls modifiziert wird.

5. Stellen Sie Ihren Kollegen realistische Szenarien vor und lassen Sie diese debattieren

Stellen Sie als Leader Ihrer Organisation anschließend die aus Ihrer Warte realistischsten Szenarien vor, nebst den Annahmen, auf denen sie basieren, und skizzieren Sie den Handlungsbedarf, der hieraus resultiert. Stellen Sie diese Szenarien danach zur Diskussion und geben Sie Ihren Mitstreitern die Möglichkeit, sofern diese ihnen nicht plausibel erscheinen, Alternativszenarien und -strategien zu entwerfen.

6. Verständigen sie sich auf ein, zwei realistische Szenarien und lassen Sie diese ausarbeiten

Verständigen Sie sich, sofern möglich, danach über die vermutlich realistischsten Szenarien. Versuchen Sie hierfür eine möglichst objektive Entscheidungsbasis zu schaffen – zum Beispiel, indem sie sich gemeinsam fragen:

  • Was spricht für oder gegen die Szenarien?
  • Auf welchen Annahmen und Voraussetzungen basiert der potenzielle Erfolg der verschiedenen strategischen Optionen und Handlungsoptionen? Und:
  • Welche Investitionen erfordern ihre Realisierung?

Seien Sie sich dabei bewusst: Auch die scheinbar objektivste Entscheidungsbasis beruht auf Annahmen. Lassen Sie die realistischsten Szenarien (eventuell in Arbeitsgruppen) ausarbeiten und hieraus mögliche Maßnahmenpläne ableiten.

7. Nehmen Sie in dem Entscheidungsprozess Ihre Leader-Rolle aktiv wahr

Da in einem diffusen Umfeld strategische Entscheidungen oft nicht im Konsens getroffen werden können, muss im Bedarfsfall irgendwann eine Person sagen „So machen wir es…“ bzw. „In diese Richtung marschieren wir, selbst wenn damit die Risiken A, B und C verbunden sind“. Dies ist nicht nur Ihre Aufgabe als Unternehmensführer, Ihre Mitarbeiter erwarten von Ihnen in Krisen- und Konfliktsituationen auch, dass Sie das Ruder in die Hand nehmen und den Kurs vorgeben.

8. Treffen Sie die strategischen Entscheidungen in Ruhe und nicht überhastet

Setzen Sie sich aber, weil alle Augen auf Ihnen ruhen, nicht selbst unter einen zu hohen Entscheidungsdruck. Bedanken Sie sich vielmehr zum Beispiel gegen Ende Strategiemeetings bei den Teilnehmern für die Unterstützung und sagen Sie dann: „Ich teile Ihnen bis Mitte nächster Woche meine Entscheidung mit“, denn: Wenn es um strategischen Entscheidungen für die Zeit nach der Krise geht, ist in der Regel keine sofortige Entscheidung nötig.

Anders war dies unmittelbar nach dem Lockdown als es oft die Liquidität des Unternehmens zu sichern galt: In dieser Akut-Situation musste vieles über Nacht entscheiden werden. Bei mittel- und langfristigen strategischen Entscheidungen ist es jedoch meist zielführender, mit der endgültigen Entscheidung einige Tage zu warten, denn: Ein Vertagen eröffnet Ihnen und Ihren Kollegen die Chance, die Implikationen der Entscheidung nochmals mit Personen, die eine andere Sicht auf den Entscheidungsgegenstand haben, zu diskutieren, und so eventuelle (kollektive) „blinde Flecken“ in ihrem Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess zu entdecken.

9. Hinterfragen Sie vor der vorläufig endgültigen Entscheidung nochmals Ihr Bauchgefühl

Ein Vertagen der Entscheidung ermöglicht es Ihnen und Ihren Kollegen auch, nochmals zu reflektieren, warum Sie gewisse Entscheidungen präferieren. Das ist gerade in Marktumbruchsituationen wichtig. Fragen Sie sich zum Beispiel: Welche Motive, Hoffnungen veranlassen mich zu meiner Präferenz? Welche Glaubensätze stecken dahinter, die eventuell keine Relevanz mehr haben? Dies ist Entscheidern, wenn es zum Beispiel in einem Workshop heiß hergeht, oft nicht bewusst. Mit etwas zeitlichem Abstand wird ihnen dies jedoch klar. Das veranlasst sie häufig dazu, ihr klares Ja oder Nein zu gewissen Optionen zu relativieren. Deshalb können Entscheidungen mit etwas zeitlichem Abstand oft eher im Konsens getroffen werden – was für deren Tragfähigkeit und Umsetzung wichtig ist.

10. Überprüfen Sie die Beschlüsse regelmäßig; halten Sie nicht an schlechten Entscheidungen fest

Führen Sie sich als Team, nachdem Sie entschieden haben, nochmals vor Augen, auf welchen Annahmen Ihre Entscheidungen beruhen – zum Beispiel darüber, wie sich Ihr Markt entwickelt. Vereinbaren Sie anschließend Termine, in denen Sie gemeinsam überprüfen, inwieweit

  • Ihre Annahmen richtig waren und
  • die von Ihnen initiierten Maßnahmen zielführend sind.

Das erleichtert es auch den Mitstreitern, die andere Lösungen präferierten, sich mit den Entscheidungen zu arrangieren, weil sie wissen: Wenn diese sich als falsch erweisen, werden sie entweder über Bord geworfen oder neu justiert.

Foto/Thumbnail: ©Syda_Productions/Depositphotos.com

Über den Autor

Dr. Georg Kraus

Dr. Georg Kraus Dr. Georg Kraus ist diplomierter Wirtschaftsingenieur und promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist unter anderem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal. www.kraus-und-partner.de
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