Die Mitarbeiter in die Strategieentwicklung integrieren
Viele Unternehmensstrategien erreichen die Köpfe und Herzen der Mitarbeiter nicht – vor allem, weil diese nicht an ihrer Entwicklung mitgewirkt haben. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Strategieumsetzung. Das lässt sich durch ein Integrieren der Mitarbeiter in die Strategieentwicklung vermeiden.
Die meisten Unternehmensstrategien entstehen mit der Unterstützung externer Berater im kleinen Kreis des Topmanagements. Doch die Praxis zeigt: Ein Großteil der so entwickelten Strategien funktioniert nicht oder nur mangelhaft. Sie mögen inhaltlich zwar gut durchdacht sein, schaffen aber massive Probleme in der Umsetzung. Der Grund: Sie erreichen weder das Herz noch den Kopf der Mitarbeiter. Sie werden daher zu wenig oder gar nicht verstanden. Die Folge sind Missverständnisse und Widerstände, die mit grossem Aufwand ausgeräumt werden müssen, um die Ziele zu erreichen.
Wie lässt sich die Sache besser anpacken? Die Antwort liegt auf der Hand: Unternehmen finden zu einer erfolgsträchtigen Strategie, wenn sie sich auf die Erfahrung und das Know-how ihrer Mitarbeiter stützen, denn:
- Wer kennt die Märkte besser als die eigenen Vertriebsmitarbeiter?
- Wer kennt die Kundenwünsche besser als die eigenen Serviceleute? Und:
- Wer ist mit den Produkten intimer vertraut als die eigenen Techniker?
Dabei geht es nicht nur darum, Ideen und Meinungen einzuholen, sondern die Mitarbeiter direkt an der Entwicklung der Strategie zu beteiligen – d.h. diese in die Strategieentwicklung zu integrieren. Dadurch wird die Strategie zur Strategie der Mitarbeiter. Folglich setzen sie diese mit einer höheren Motivation um – mit dem positiven Nebeneffekt, dass im Unternehmen zugleich auf breiter Basis strategische Kompetenz aufgebaut wird.
Das interne Know-how ausschöpfen
Bei einer integrierten Strategieentwicklung wird der Prozess der Strategieentwicklung in strukturierter Form in enger Abstimmung mit der Unternehmens- oder Bereichsführung durchlaufen. Die beteiligten Mitarbeiter bearbeiten die Aufgabenstellungen in selbstständig durchgeführten Projekten und erstellen so eine Entscheidungsgrundlage.
Der Ablauf folgt dem Strategieentwicklungsprozess: Leitbild – Analyse – Optionen – Grundstrategien – Massnahmen – Umsetzung. Nach jeder Phase werden die Ergebnisse verabschiedet und zur weiteren Bearbeitung an das Team gegeben. Je nach Bedarf und Erfahrung begleiten und unterstützen interne oder externe Fachleute die Arbeitsgruppen.
Die Erfahrung zeigt: Dieses Vorgehen setzt ein enormes Potenzial an Know-how im Unternehmen für das Unternehmen frei. Eine Voraussetzung für das Gelingen dieses nachhaltigen Verfahrens ist, dass die strategische Planung als eigenständiger Geschäftsprozess des Unternehmens grundsätzlich die Mitarbeit der Schlüsselpersonen einschliesst.
Dabei muss es nicht immer um das Entwickeln einer unternehmensweiten Gesamtstrategie gehen. Es können auch strategische Einzelaufgaben von interfunktionalen Teams erarbeitet und beim jährlichen Strategie-Review-Meeting der Geschäftsführung zur Entscheidung vorgelegt werden. Bei Annahme der Ergebnisse werden diese in die Mittelfristplanung integriert.
Unternehmerisches Denken fördern
Setzt eine Firma auf diesen integrierten Ansatz, dann widmen die Schlüsselpersonen etwa 10 bis 20 Prozent ihrer Arbeitszeit strategischen Problemstellungen. Sie entwickeln sich zu unternehmerisch denkenden und handelnden Personen, wie sie sich jedes Unternehmen wünscht. Für das Top-Management – d.h. zum Beispiel die Geschäftsführung oder den Vorstand – bedeutet dies allerdings nicht, dass es entlastet wird.
Seine Aufgabe ist es, die strategischen Leitlinien zu definieren, klare Aufgaben zu stellen, die richtigen Schlüsselpersonen zu finden sowie einzubinden und zu beauftragen. Zudem muss es sich immer wieder in die Lenkungsausschusssitzungen einbringen und die Richtung bestimmen. Die Vorgaben in Form von strategischen Leitlinien beinhalten das Leitbild und die Leitplanken innerhalb derer die strategischen Ideen und Optionen zu entwickeln sind. Außerdem zählt es zu den Aufgaben des Top-Managements, die finanziellen Ziele und die Vorgaben zum Wachstum des Unternehmens einzubringen.
Change-Management wird überflüssig
Das klassische Change-Management geht von der Annahme aus: Menschen wollen sich nicht verändern; sie setzen Veränderung Widerstand entgegen und dieser muss erst überwunden werden. Als Folge dieser Annahme wird es als unumgänglich betrachtet, Machtpromotoren, Change Agents, Pilotprojekte und Kommunikationsstrategien einzusetzen, um die nötige Veränderungsenergie zu erzeugen.
Überzeugungsarbeit kostet jedoch viel Zeit und Aufwand und erreicht das Ziel meist nur partiell. Sollen die Mitarbeiter über eine wirklich fundierte Kenntnis der Strategie verfügen, reicht es nicht, dass die in der Unternehmensleitung formulierte Strategie nach unten kommuniziert wird. Denn: Gehört bedeutet nicht verstanden, und verstanden keineswegs automatisch einverstanden – weshalb ein Projekt-Verantwortlicher nach einem langwierigen Change-Prozess in einem Unternehmen zum ernüchternden Fazit kam: „Die Geschäftsleitung benötigte 19 Wochen, um die neue Strategie zu erarbeiten, und die Mitarbeiter benötigten 20 Minuten, um sie falsch zu verstehen.“
Wenn die Mitarbeiter eine Strategie selbst mitentwickeln, möchten sie diese auch realisieren, weil sie sie bereits verinnerlicht haben. Nur wer von einem Projekt überzeugt ist, leistet bei dessen Umsetzung seinen Beitrag zum Ganzen. Außerdem gilt: Menschen fühlen sich für eigene Entwicklungen auch verantwortlich.
Das bedeutet, dass beim Auftreten von Schwierigkeiten die Verantwortung nicht einfach an das Top-Management delegiert wird. Folglich sind weder zusätzlich Fremdmotivationen noch extra Anreize erforderlich. Durch die Integration der Mitarbeiter wird ein Change-Management weitgehend überflüssig, da die Veränderung von innen heraus geschieht. Es entsteht Lust an Veränderung, und Barrieren werden leichter überwunden.
Schlüsselpersonen bei der Strategieentwicklung
Jedes Unternehmen weist Funktionen auf, die näher an strategischen Aufgaben liegen, und solche, die wenig damit zu tun haben, und manche Mitarbeiter sind aufgrund ihres Charakters geeigneter als andere, strategische Ideen zu entwickeln.
Für eine integrierte Strategieentwicklung infrage kommen in erster Linie Personen aus dem Vertrieb und dem Service – allgemein all jene, die in intensivem Kundenkontakt stehen. Und es ist Sache der Personalentwicklung, Mitarbeiter aus anderen Abteilungen in den Prozess einzubinden, vor allem sogenannte High Potentials – d.h. junge Mitarbeiter, die das Potenzial zur Führungskraft haben. Als Faustregel kann gelten: Circa zehn bis 15 Prozent der Mitarbeiter sollten in die Strategiediskussion eingebunden werden.
In einem guten Strategieteam finden sich Vertreter aller Hierarchiestufen: Die tragenden Verantwortlichkeiten in der Aufbauorganisation sollten vertreten sein. Dadurch wird sichergestellt, dass nicht an der Organisation vorbeigearbeitet wird.
Funktionsbereiche: Alle funktionalen Bereiche sind angemessen zu beteiligen, damit sie die unterschiedlichen Aspekte und Sichtweisen einbringen. Die Marktsicht muss mit der Leistungserstellungssicht abgeglichen werden.
Produktbereiche: Alle Produktaspekte müssen in Betracht gezogen werden.
Regionen: Die für ein global ausgerichtetes Unternehmen strategisch wichtigen Regionen und ihre Markt- beziehungsweise Kundenbedürfnisse sollten einbezogen werden.
Generationen: Ein gutes Team besteht sowohl aus erfahrenen als auch jungen Mitarbeitern.
Das Team bei der Strategieentwicklung
Eine heterogene Zusammensetzung des Projektteams unterstützt den Austausch von Wissen und fördert die gemeinsame Entwicklung. Dabei geht es darum, unterschiedliche Erfahrungen und Sichtweisen zusammenzubringen – denn ein Konsens ist erst dann ein wirkliches Einverständnis, wenn er aus einem Dissens entsteht.
Eingefahrene Denkstrukturen geben hingegen nur wenig Raum zur Veränderung. Deshalb sollten die Teams zu je 50 Prozent aus Fachleuten und aus Personen aus anderen Bereichen zusammengesetzt sein. Denn die Praxis zeigt: Große Innovationen werden nicht nur in Fachteams entworfen, sondern vor allem auch von Querdenkern und Laien initiiert.
Autor: Ignaz Furger
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