Wie Veränderungen herbeigeführt werden können
Den Ringelmann-Effekt vermeiden

Wie Veränderungen herbeigeführt werden können

Dr. Georg Kraus
Am

Beim Versuch, Unternehmen zu High-Performance-Organisationen zu entwickeln, ist neben Erfahrung und Können stets ein Schuss Magie gefragt. Ähnlich wie beim Fußball entscheidet oft der „Spirit“ über den Erfolg.

Kennen Sie den Ringelmann-Effekt? Maximilian Ringelmann, ein französischer Agraringenieur, untersuchte 1882 die Leistung von Pferden. Er fand heraus: Die Leistung zweier Pferde beim gemeinsamen Ziehen einer Kutsche ist nicht doppelt so hoch wie die eines einzelnen Pferds.

Fasziniert von dieser Entdeckung dehnte Ringelmann seine Untersuchungen auf Menschen aus. Er ließ jeweils zwei Männer an den Enden eines Taus ziehen und maß die Kraft, die jeder einzelne entfaltete. Er kam auf eine durchschnittliche Zugkraft von 63 Kilogramm pro Person. Dann ließ er 2er-Teams an den Tauenden ziehen. Ihre gemeinsame Zugkraft betrug im Schnitt nur 118 Kilogramm, bei drei 3er-Teams 160 Kilo – das heißt deutlich weniger als 3 mal 63 Kilo.

Aufgrund seiner Versuche entwickelte Ringelmann eine Formel, um zu berechnen, wie hoch die Leistung beziehungsweise Effizienz von Gruppen ist, abhängig von der Zahl ihrer Mitglieder. Dieser Formel zufolge erbringen zwei Personen, die gemeinsam eine Aufgabe verrichten, nicht 2 x 100, sondern nur etwa 2 x 93 Prozent Leistung – und drei Personen nur 3 x 85 und 8 Personen gar nur 8 x 49 Prozent.

Ergebnis

Acht Personen erbringen folglich gemeinsam nicht einmal dieselbe Leistung wie vier einzelne Personen. Ringelmanns Erklärung hierfür: Je größer eine Gruppe ist, umso weniger wird die individuelle Leistung wahrgenommen. Entsprechend sinkt der persönliche Einsatz.

„Gurkentruppe‘“ oder „Spitzen-Team“?

Wie können wir diesen sogenannten „Ringelmann-Effekt“ vermeiden? Diese Frage beschäftigt viele Manager – selbst wenn sie den Namen Ringelmann noch nie gehört haben. Sie fragen sich immer wieder: Wie können wir in unserer Organisation die nötigen „Vibrations“ erzeugen, um Spitzenleistungen und Veränderungen zu erbringen? Oder anders formuliert: Was kann oder muss ich als Top-Manager tun, um eine positive Leistungskultur in unserem Unternehmen zu erzeugen? Genau an diesem Punkt kommt das Thema Change-Management ins Spiel. Denn bei ihm geht es letztlich darum, Wege zu organisieren, wie in Unternehmen der nötige „Drive“ erzeugt werden kann, um Veränderungen durch Spitzenleistung zu erzielen.

Das magische Dreieck der Veränderung

Was sind die Ingredienzien eines solchen Wandels? Klar ist: Damit ein Unternehmen eine High-Performance-Organisation wird, müssen die drei Zahnräder Strategie, Struktur und Kultur ohne Reibungsverluste ineinander greifen. Daher gilt es, Antworten auf die Fragen zu finden:

  • Wohin geht die Reise (Strategie)?
  • Welchen (organisationalen) Rahmen brauchen wir hierfür (Struktur)? Und:
  • Welche Menschen mit welcher Einstellung und Haltung benötigen wir hierfür (Kultur)?

Die Strategie? Sie lässt sich im Top-Management entwickeln. Und die Struktur? Sie lässt sich top-down etablieren. Doch wie sieht es mit den Menschen aus, die die Strategie und Struktur mit Leben füllen müssen? Um sie als Mitstreiter zu gewinnen und zu einer Einstellungs- und Verhaltensänderung zu bewegen, ist ein differenzierteres Vorgehen nötig – denn ihre Leistungsfähigkeit und -bereitschaft hängt von vielen Faktoren ab.

Den Kampf um die Köpfe gewinnen

Und genau das macht das Entwickeln von High-Performance-Organisationen so schwer. Beim Versuch, sie zu entwickeln, stehen Manager vor einer ähnlichen Herausforderung wie Jogi Löw beim Planen des Auftritts der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der anstehenden Weltmeisterschaft in Brasilien.

Löw kann mit seinen Assistenten basierend auf einer Analyse der Spielweise der anderen Mannschaften (d.h. sozusagen einer „Marktanalyse“) und der Kompetenzen seiner Spieler das tollste Spielsystem (sprich Strategie) für sein Team austüfteln. Er kann zudem die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen, dass sich seine Mannen während des Turniers voll auf ihre Aufgabe konzentrieren können. Doch ist damit der Erfolg garantiert? Nein, denn hiermit hat Löw nur Erfolgsvoraussetzungen geschaffen. Wie berauschend und erfolgreich sein Team tatsächlich spielt, hängt primär davon ab, inwieweit

  • er die Köpfe seiner Mannen erreicht
  • es ihm gelingt, aus den verschiedenen (Spieler-)Typen ein „Team“ zu formen, das sich ergänzt und für das gemeinsame Ziel „Weltmeister 2014 werden“ brennt.

Vor derselben Herausforderung stehen Spitzenmanager beim Versuch, ihre Unternehmen zu High-Performance-Organisation zu entwickeln. Auch dann ist neben Erfahrung und Können stets ein Schuss Magie gefragt.

Über den Autor

Dr. Georg Kraus

Dr. Georg Kraus Dr. Georg Kraus ist diplomierter Wirtschaftsingenieur und promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist unter anderem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal. www.kraus-und-partner.de
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