Wie viel Unternehmertum als Arbeitnehmer ist gefragt?
Unternehmerische Mitarbeiter

Wie viel Unternehmertum als Arbeitnehmer ist gefragt?

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„Wir brauchen unternehmerisch denkende und handelnde Mitarbeiter“ – das betonen fast alle Unternehmen. Doch können gute Manager zugleich gute Unternehmer – und umgekehrt – sein? Und verderben zu viele „Köche“, sprich Unternehmer im Unternehmen, nicht „den Brei“?

Alle reden von ihm und alle wünschen sich ihn. Zudem fehlt er in keinem anspruchsvollen Inserat, und er wird in den meisten Unternehmensvisionen heraufbeschworen: Der unternehmerische Mitarbeiter. Überall ist vom unternehmerisch denkenden und handelnden Mitarbeiter die Rede – oder kurz: vom Unternehmer im Unternehmen.

Doch was passiert, wenn ein Mitarbeiter die Aufforderung wörtlich nimmt, sich engagiert und Risiken eingeht oder gar bei der Unternehmensstrategie mitreden möchte? Dann werden ihm rasch Grenzen gesetzt, und er wird von der Geschäftsführung oder vom Vorstand zurückgepfiffen.

Der Unterschied zwischen Unternehmer und Manager

Zwischen Unternehmern und Managern besteht in der Tat ein systemischer Unterschied. Der klassische Unternehmer ist auf sich gestellt. Er trägt die Verantwortung und Risiken für sein Unternehmen und sein Handeln. Und er verfügt in der Regel aufgrund seines Naturells über besondere Voraussetzungen: Er weiß, was zu tun ist. Ein Unternehmer braucht keine Beratung. Firmen wie Siemens und Bosch wurden in der ersten Generation auch ohne Beratungsbudgets groß.

Im Unterschied dazu ist der Manager in erster Linie ein Angestellter. Er bezieht jeden Monat seinen Lohn. Er trägt das Risiko für seinen eigenen Marktwert, nie aber die volle Verantwortung für die Risiken, die er für das Unternehmen eingeht.

Was von Unternehmertum im Unternehmen zu halten ist

Was ist angesichts dieses Befunds vom Unternehmertum im Unternehmen zu halten? Alles nur Wunschdenken, ein Thema für theoretische Abhandlungen, ein Hirngespinst? Um diese Fragen zu beantworten, ist es sinnvoll, den 1985 erschienenen Klassiker „Innovation and Entrepreneurship“ von Peter F. Drucker wieder einmal hervorzuholen und zu Rate zu ziehen. In ihm legt der US-amerikanische Managementvordenker sein Konzept des unternehmerischen Mitarbeiters dar – in seiner typischen Art, praktisch und verständlich. Und auch heute noch, fast 30 Jahre später, sind seine Überlegungen relevant und aktuell.

Peter F. Drucker unterscheidet den Manager-Angestellten vom Unternehmer-Angestellten mit folgendem typologischen Ansatz:

Ein Manager befasst sich mit dem Bestehenden. Er verbessert und optimiert. Das gilt für die Produkte, die Prozesse, die Beziehungen, die Organisation. Dabei wirkt er durchaus nicht nur als „passiver“ Verwalter. Er ist aktiv, verantwortungsvoll und initiativ – aber immer im Rahmen des gegebenen Geschäfts.

Ein Unternehmer betreibt das, was Schumpeter „die kreative Zerstörung“ nannte. Er stellt alles dauernd infrage, macht den Grüne-Wiese-Ansatz und kennt das Argument „bisher hat man es immer so gemacht“ nicht. Er stellt das bestehende Geschäftsmodell auf den Kopf und kennt keine Tabus. Er passt auch nicht in Routinearbeiten. Sobald etwas funktioniert, verliert er das Interesse und sucht neue Herausforderungen. Er kreiert neue Produkte und Geschäfte und fühlt sich in einem Start-up wohler als in der Buchhaltung.

Unternehmen brauchen Manager und Entrepreneurs

Druckers Definition des Entrepreneurs sprengt die gängige Vorstellung vom Unternehmer, der selbstständig ein kleines Geschäft führt. Entrepreneurship macht Drucker auch in großen etablierten Unternehmen und im öffentlichen Verwaltungsbereich aus. „Größe“ ist für ihn kein Hindernis für unternehmerisches und innovatives Denken und Handeln.

Für Drucker macht zudem nicht eine „unternehmerische Persönlichkeit“ mit einem „Hang zur Risikofreude“ den Entrepreneur aus, sondern seine Haltung. Für den Entrepreneur ist Veränderung und nicht der Status quo das Normale, und im Wandel sieht er stets die Chance für Innovationen. Und: Jeder fähige Manager kann auch als Entrepreneur wirken.

Drucker geht es nicht darum, Unternehmer gegen Manager auszuspielen. Im Gegenteil: Die beiden Funktionen ergänzen sich zwingend. Ein Unternehmen, das nur Manager hat, verändert sich zu wenig, verpasst neue Technologiesprünge oder Umwälzungen im Kundenverhalten. Ein Betrieb mit lauter Unternehmern bringt es auf keinen grünen Zweig, weil immer etwas Neues versucht wird und Managementkenntnisse fehlen. Nur die richtige Kombination von Managern und Unternehmern garantiert den Erfolg.

Konzept des „Entrepreneurial Managements“

Auf Basis dieser Erkenntnis entwickelte Drucker sein Konzept des „Entrepreneurial Managements“. So wie der Manager mit Methoden und Tools arbeitet, soll auch der Entrepreneur systematisch vorgehen und dabei bewährte Prinzipien und Methoden anwenden.

„Entrepreneurial Management“ bedeutet demnach, systematisch Innovation zu betreiben. Drucker macht deutlich, dass Innovationen nur selten spontan aus genialen Ideen hervorgehen. Sie beruhen zu über 90 Prozent auf gezielter, organisierter Innovationsarbeit. Diese Innovationsarbeit ist gewissen Prinzipien verpflichtet. Dabei gilt es insbesondere in sieben Bereichen Anzeichen und Symptome des Wandels aufzuspüren, die auf günstige Neuerungschancen hinweisen, und diese zu analysieren.

Für Drucker ist „unternehmerisches Management“ einerseits eine Disziplin, die spezifische Konzepte und Methoden anwendet und sich erlernen lässt. Andererseits erfordert „Entrepreneurial Management“, dass die organisatorischen Voraussetzungen für erfolgreiche In­novationsarbeit geschaffen werden. Und die Unternehmensleitung? Sie hat dafür zu sorgen, dass ein Betrieb für Innovation offen und empfänglich ist und muss dazu die notwendigen Strukturen sowie Anreiz-, Kontroll- und Steuerungsinstrumente schaffen.

Konsequenzen für die Unternehmensführung

Für die Betriebsführung bedeutet Druckers Konzept des „Entrepreneurial Managements“ vor allem eines: Innovationsmanagement ist im Unternehmen als Handwerk zu etablieren, damit Innovation auch praktisch realisierbar wird (vgl. Kasten 2). Das hat weitreichende Konsequenzen für die meisten Dimensionen der Unternehmensführung. Die vier wichtigsten werden hier kurz erläutert:

1. Strategieentwicklung

In der Ausgangslage muss klar aufgezeigt werden, wie viel Wachstum das bestehende Geschäft hergibt, um danach den strategischen Gap zu bestimmen. Diese Lücke ist durch Innovationen zu füllen. Zum Erarbeiten neuer strategischer Projekte steht – für alle zugänglich – eine breite Palette von Methoden und Tools zum Thema Innovationsmanagement zur Verfügung.

Wichtig ist es, danach die Umsetzungsmaßnahmen nach bestehendem und neuem Geschäft zu trennen. Während Bestehendes zur Umsetzung in die Linie gegeben wird, benötigt das neue Geschäft besondere Sorgfalt. „Trenne Altes von Neuem“, empfahl Drucker – und genau hier können die Kompetenzen und Fähigkeiten von unternehmerischen Mitarbeitern genutzt werden.

2. Organisation

In der Organisation müssen Freiräume für unternehmerisches, kreatives Denken und Handeln geschaffen werden. Aber auch Abgrenzungen sind nötig, damit das bestehende Geschäft nicht dauernd infrage gestellt wird. Ein erfolgreiches Unternehmen schöpft das bestehende Geschäft aus und besitzt die Fähigkeit zugleich Neues zu schaffen. So arbeitet zum Beispiel in der Forschung & Entwicklung ein Teil der Mitarbeiter an Verbesserungen bestehender Produkte, während ein Think Tank Projekte auf der grünen Wiese entwickelt.

3. Personalentwicklung

Mitarbeiter haben unterschiedliche Fähigkeiten. Für deren Nutzung gilt das Prinzip auf Stärken aufzubauen. „Geborene“ Buchhalter sind nur glücklich, wenn jeden Abend Soll und Haben sowie Passiva und Aktiva übereinstimmen, und kreative Chaoten bringen nie die Buchhaltung in Ordnung. Eine Unterstützung bieten hierbei solche Analyseinstrumente wie das DISG-Persönlichkeitsprofil, mit denen mit den Mitarbeitern eruiert werden kann, wer wo am besten eingesetzt wird. Eine Evaluation der Denkstile und Verhaltenspräferenzen sowie Kompetenzen und Stärken der Mitarbeiter hilft dabei, den strategischen Aufbau von Neugeschäften abzusichern.

4. Controlling

Innovationen und neue Geschäfte müssen anders gemessen und beurteilt werden als Bestehendes. Für Start-ups sind der Kundennutzen und die relative Qualität wichtiger als Umsatz und Ergebnis. Während zwei Prozent Umsatzwachstum in einem stagnierenden Markt ein gutes Ergebnis sein kann, muss die gleiche Kennzahl für ein neues Geschäft viel höher liegen – jedenfalls höher als das Marktwachstum. Innovationscontrolling unterscheidet sich demnach grundsätzlich vom klassischen Controlling und muss getrennt geführt werden.

Unternehmer im Unternehmen entwickeln

Das Fazit der Beschäftigung mit Peter F. Drucker ist: Sein Ansatz des „Entrepreneurial Management“ zeigt, dass es sehr wohl Sinn macht, vom Unternehmertum im Unternehmen zu sprechen, denn unternehmerische Mitarbeiter sind letztlich unentbehrlich, um die Innovationsfähigkeit und damit Überlebensfähigkeit einer Organisation langfristig zu sichern.

Doch unternehmerisch denkende und handelnde Mitarbeiter fallen, ebenso wie Manager, nicht vom Himmel. Sie müssen von den Unternehmen gezielt entwickelt werden – zum Beispiel, indem die Unternehmens- oder Bereichsleitung Mitarbeiter mit einem entsprechenden Potenzial gezielt in die Strategieentwicklung integriert. Oder indem sie im Unternehmen Start-ups schafft, in denen der Führungsnachwuchs seine unternehmerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten austesten und entfalten kann. Ansonsten verpufft das Potenzial der Mitarbeiter wirkungslos.

Autor: Ignaz Furger, www.furger-partner.com

 

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