Verkäufer im Außendienst coachen
Das Coachen von Verkäufern im Außendienst stellt an deren Führungskräfte besondere Anforderungen – unter anderem weil die Außendienstmitarbeiter im Arbeitsalltag weitgehend als Einzelkämpfer agieren. Deshalb sollte die Coachingkompetenz der Führungskräfte mit System entwickelt werden.
Wie gestalten unsere Verkäufer den Kundenkontakt? Wie reagieren sie auf Kundenanliegen? Können sie den Kunden unsere Produkte schmackhaft machen und sie zur Kaufentscheidung führen? Sich mit solchen Fragen zu befassen und die diesbezügliche Kompetenz ihrer Mitarbeiter zu entwickeln, zählt zu den zentralen Aufgaben der Führungskräfte im Vertrieb, denn hiervon hängen weitgehend Umsatz und Ertrag der Unternehmen ab.
Am einfachsten sind das Coachen der Vertriebsmitarbeiter und das gezielte Entwickeln von deren Kompetenz beim Telefonverkauf und beim Verkauf im Fach- und Einzelhandel. Denn: Hier können die Führungskräfte das Verhalten der Verkäufer im Kundenkontakt Tag für Tag live beobachten und ihnen ein Feedback geben.
Außendienstler lieben ihre Freiheit
Anders ist dies bei den Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen weitgehend über Außendienstmitarbeiter vermarkten und vertreiben – wie zum Beispiel viele Finanzdienstleister und Pharmaunternehmen, aber auch Hersteller von Industriegütern. Sie kämpfen beim Sichern der Qualität in ihrem Vertrieb oft mit dem Problem, dass ihre Verkäufer im ganzen Bundesgebiet, wenn nicht gar europa- oder weltweit im Einsatz sind und im Arbeitsalltag weitgehend als Einzelkämpfer agieren.
Entsprechend schwierig können die Unternehmen oft das Verhalten ihrer Außendienstmitarbeiter steuern; häufig können sie nur die Ergebnisse ihrer Arbeit kontrollieren. Entscheidender ist jedoch: Viele Außendienstler sind „freiheitsliebende Geister“. Sie opponieren deshalb schnell, wenn sie das Gefühl haben: Meine Freiheiten werden von der Zentrale beschnitten.
Dessen ungeachtet ist gerade beim Außendienst ein systematischer Kompetenzauf- und -ausbau nötig. Denn häufig sind die Außendienstmitarbeiter die zentralen, wenn nicht gar einzigen Ansprechpartner der Kunden beispielsweise in einer Region. Entsprechend stark hängt neben dem Image auch der Vertriebserfolg der Unternehmen vom Verhalten sowie der Kompetenz ihrer Außendienstmitarbeiter ab. Hinzu kommt: Als „Einzelkämpfer“ müssen die Außendienstmitarbeiter ihren Arbeitsalltag selbst strukturieren und ihr Verhalten selbst steuern können, da ihre Vorgesetzten bei Mängeln, wenn überhaupt, nur zeitversetzt korrigierend eingreifen können.
Außendienstschulung verschlingt viel Zeit und Geld
Das haben die meisten Unternehmen mit einer großen Außendienstmannschaft erkannt. Deshalb investieren sie viel Zeit und Geld in das Schulen ihrer Außendienstmitarbeiter. Dabei kämpfen sie häufig mit dem Problem: Weil ihre Außendienstmitarbeiter oft bundes- oder gar europaweit im Einsatz sind, können sie diese nicht allzu oft zu Schulungen in ihren Zentralen einbestellen. Denn dies wäre aufgrund der langen Anreisen mit zu hohen Kosten verbunden. Außerdem sind die Außendienstmitarbeiter an Schulungstagen nicht bei Kunden. Das bedeutet: Sie verdienen bei einer provisionsabhängigen Bezahlung auch kein Geld. Deshalb opponieren sie oft gegen zu viele Schulungstage.
Auch deshalb haben heute die meisten Unternehmen mit einem großen Außendienst eine elektronische Lernplattform für ihre Mitarbeiter. Doch das Weiterqualifizieren der Vertriebsmitarbeiter mit elektronischen Lernmedien stößt rasch an seine Grenzen – vor allem weil sich mit ihnen primär kognitive Lerninhalte vermitteln lassen. Die verkäuferische Kompetenz der Mitarbeiter hingegen lässt sich mit ihnen nur bedingt erhöhen und schon gar nicht lässt sich mit ihnen das Verhalten der Außendienstmitarbeiter im Kundenkontakt trainieren.
Führungskräfte sollen ihre Mitarbeiter coachen
Deshalb entschieden viele Unternehmen in den zurückliegenden Jahren: Unsere Führungskräfte im Vertrieb – zum Beispiel unsere Bezirksdirektoren und Gebietsleiter – sollen ihre Mitarbeiter coachen. Davon erhofften sie sich folgende Vorteile:
- Die verkäuferische Kompetenz der Außendienstmitarbeiter wird mit System erhöht.
- Bei ihnen stellt sich mit der Zeit die im Kundenkontakt nötige Verhaltenssicherheit ein. Und:
- Weil das Coachen durch die unmittelbaren Vorgesetzten erfolgt, können bei der Kompetenzentwicklung zum Beispiel stärker die Besonderheiten einer Region oder die Spezifika gewisser Kundengruppen berücksichtigt werden.
Das war und ist eine kluge Entscheidung. Die Praxis zeigt jedoch: Den meisten Führungskräften im Außendienst fällt das Coachen ihrer Mitarbeiter schwer. Eine zentrale Ursache hierfür ist: Viele Unternehmen verfahren beim Vorbereiten ihrer Führungskräfte auf ihre Coachingfunktion ähnlich wie beim Vorbereiten ihrer Verkäufer auf ihre Verkäuferaufgaben: Sie schicken die Führungskräfte auf ein zwei- oder dreitägiges Seminar. Danach werden sie auf die „Kunden“, sprich Mitarbeiter, losgelassen.
In solchen Kompakt-Ausbildungen erfahren die Führungskräfte zwar, warum ein Coachen der Mitarbeiter wichtig ist. Sie lernen meist auch die relevanten Coachingmethoden und -instrumente kennen. Doch damit sind die Führungskräfte – und das übersehen viele Unternehmen – noch nicht für ihre Arbeit als Coachs qualifiziert. Denn wenn eine Führungskraft zugleich Coach ihrer Mitarbeiter sein soll, dann benötigt sie ein anderes Selbstverständnis als eine klassische Führungskraft. Sie sollte es zum Beispiel auch als eine ihrer Kernaufgaben begreifen, Lern- und Entwicklungsprozesse bei ihren Mitarbeitern anzustoßen und zu begleiten – damit die Zahlen auch mittel- und langfristig stimmen. Und dies setzt wiederum ein verändertes Führungsverhalten voraus. Statt sich primär mit den Zahlen, d.h. den Ergebnissen der Arbeit ihrer Mitarbeiter zu beschäftigen, sollte sich die Führungskraft mit dem Verhalten ihrer Mitarbeiter im Vertriebsalltag und Kundenkontakt befassen, das zu den besagten Zahlen führt.
Führungskräfte sollten ihr Verhalten reflektieren
Konkret heißt dies: Die Führungskräfte sollten sich häufiger mit ihren Mitarbeiter zusammensetzen und mit ihnen beispielsweise darüber sprechen:
- Vor welchen (neuen) Herausforderungen stehen Sie bei Ihrer Arbeit?
- Welche Veränderungen könnten eine Lösung des Problems bewirken?
- Inwiefern können Sie Ihre guten Ressourcen hierfür nutzen?
- Was sollten wir trainieren?
- Was brauchen Sie zudem, um das Ziel zu erreichen?
Welche Hürden sehen Sie und wie können wir sie bewältigen?
Außerdem sollten sie ihre Mitarbeiter häufiger zu Kunden begleiten, um anschließend das Verkäuferverhalten im Kundenkontakt gemeinsam zu reflektieren, daraus entstehende Coachingziele zu definieren und diese bei den nächsten Terminen zu bearbeiten.
Formal tun dies viele Führungskräfte bereits. Doch häufig habe sie ihre Rolle als Coach noch nicht verinnerlicht. Deshalb verfallen sie beim Coachen schnell in ihr altes Führungsverhalten. Das heißt, sie geben ihren Mitarbeitern vor, was diese künftig tun sollen, statt Lernprozesse bei ihnen anzustoßen. Und statt ihre Mitarbeiter zu ermutigen und zu motivieren, weisen sie diese lehrerhaft auf alle gemachten Fehler hin, was zu einem Gefühl der Bevormundung führt – auch weil die Führungskräfte ihren Mitarbeitern nicht ausreichend vermitteln, was das Ziel des Coachens ist: Nicht die Außendienstmitarbeiter noch stärker zu kontrollieren. Das Ziel lautet vielmehr: Die Außendienstmitarbeiter sollen individuell beim Entwickeln ihrer Kompetenz unterstützt werden, so dass sie künftig noch erfolgreicher arbeiten und folglich auch mehr Geld verdienen – ein Punkt, der gerade beim stark erfolgsabhängig bezahlten Außendienst ein starker Motivator ist.
Die Coachingkompetenz mit System entwickeln
Dass die Coachingkompetenz der Führungskräfte mit System entwickelt werden sollte, ist inzwischen zahlreichen Unternehmen bewusst. Deshalb bilden immer mehr Unternehmen ihre Führungskräfte berufsbegleitend zu Vertriebs- oder Salescoachs aus. Das heißt, die Führungskräfte im Außendienst werden über einen längeren Zeitraum – zum Beispiel zwölf oder 15 Monate – für ihre Coachingaufgabe qualifiziert und zwar in modular aufgebauten Ausbildungen. Das erforderliche Coaching-Knowhow wird ihnen in wohldosierten Häppchen vermittelt. Und die Coachingkompetenz der Führungskräfte? Sie wird weitgehend anhand von konkreten Aufgaben und Fragestellungen, vor denen sie im Arbeitsalltag stehen, entwickelt. Dabei wird prozessbegleitend auch ihr Führungsverhalten reflektiert, so dass sich mit der Zeit ihr Selbstverständnis als Führungskraft wandelt und bei ihnen die erforderliche Verhaltenssicherheit beim Coachen entsteht.
Vermittelt wird den Führungskräften in den Ausbildungen auch, dass sich nicht nur ihre Coachingkompetenz Schritt für Schritt entwickelt. Auch das Erhöhen der verkäuferischen Kompetenz ihrer Mitarbeiter ist ein Prozess. Deswegen gilt es auch hierfür Entwicklungspfade zu definieren, bei denen durch eine Vielzahl aufeinander aufbauender Maßnahmen eine nachhaltige Verhaltensänderung erreicht wird. Wie dies in der Praxis aussehen kann, sei an einem Beispiel illustriert.
Die Kompetenz der Verkäufer mit System erhöhen
Angenommen ein Unternehmen möchte, dass seine Verkäufer im Außendienst künftig bei Kundenbesuchen genauer die Umsatzpotenziale der (Noch-nicht-)Kunden ermitteln und diese Potenziale stärker ausschöpfen. Dann könnte der Entwicklungspfad wie folgt aussehen.
Schritt 1: Vorgespräche. Die Führungskraft stellt ihren Mitarbeitern zunächst die geplante (Vertriebs-)Offensive vor und erläutert ihnen die damit verbundenen Ziele. Danach erörtert sie mit ihnen, welchen Entwicklungsbedarf sie zum Erreichen der Ziele noch bei sich sehen.
Schritt 2: Maßnahmenplanung. Die Führungskraft entwickelt (im Dialog mit den Mitarbeitern und/oder der Zentrale) einen Maßnahmenplan zum Erreichen der Ziele. Zudem vereinbart sie mit jedem Mitarbeiter individuelle Entwicklungsziele und Unterstützungsmaßnahmen.
Schritt 3: Kick-off-Workshop. In einem Workshop stellt die Führungskraft den Verkäufern den Maßnahmenplan nebst den damit verbundenen Zielen vor. Anschließend werden erste Übungen und Rollenspiele durchgeführt, in denen die Verkäufer das Vorgehen und Verhalten im Kundenkontakt simulieren.
Schritt 4: Training on the Job 1. Die Führungskraft begleitet die Verkäufer bei Kundenbesuchen und gibt ihnen anschließend Feedback. Außerdem trainiert sie mit jedem Verkäufer abhängig vom erkannten Bedarf nochmals das gewünschte Verhalten. Zudem vereinbart sie mit ihm Entwicklungsziele, die beim nächsten Training on the Job erreicht sein sollen.
Schritt 5: Training on the Job 2. Die Führungskraft begleitet die Verkäufer erneut bei Kundenbesuchen und gibt ihnen Feedback. Danach trainiert sie mit ihnen abermals das gewünschte Verhalten. Außerdem definiert sie mit den Verkäufern neue, individuelle Entwicklungsziele, die bis zum nächsten Training on the Job erreicht sein sollen. Sie vereinbart mit ihnen auch Maßnahmen, damit das bereits gezeigte neue Verhalten zur Routine beziehungsweise zum Standard wird.
Schritt 6: Review der Gesamtmaßnahme. Nachdem alle vereinbarten Entwicklungsmaßnahmen stattgefunden haben, analysiert die Führungskraft (mit ihren Mitarbeitern), inwieweit sich das Verhalten der Verkäufer tatsächlich geändert hat und die Ziele der Gesamtmaßnahme erreicht wurden. Abhängig davon entscheidet sie, an welchen Punkten ein Nachjustieren sinnvoll oder nötig wäre.
Nur wenn das Coachen in einen solchen Gesamtkontext eingebettet ist, stellt sich in der Regel der angestrebte Erfolg ein. Denn die Verkäufer erhalten nicht nur einzelne Impulse, inwieweit sie ihr Verhalten ändern sollten. Sie werden vielmehr in dem Prozess, ihre bisherigen Verhaltensmuster durch neue zu ersetzen, gezielt begleitet.
Auch die Führungskräfte profitieren vom Coaching
Das Coachen beziehungsweise Unterstützen der Mitarbeiter beim Weiterentwickeln ihrer Kompetenz erfordert seitens ihrer Führungskräfte gerade in der Startphase eine hohe Investition an Zeit – Zeit, die ihnen, so ein häufiger Einwand der Führungskräfte, im Arbeitsalltag aufgrund der Vielzahl ihrer administrativen und steuernden Aufgaben oft fehlt. Deshalb sollte den Führungskräften in der Coaching-Ausbildung vermittelt werden, wie wichtig das Wahrnehmen dieser Funktion für den mittel- und langfristigen Erfolg des Unternehmens ist. Außerdem sollten sie darin trainiert werden, ihren Arbeitsalltag so zu strukturieren, dass sie ihre Coachingfunktion erfüllen können. Vermittelt werden sollte ihnen zudem, dass das systematische Entwickeln der Kompetenz ihrer Mitarbeiter mittelfristig zu einer Arbeitsentlastung von ihnen führt. Denn je professioneller ihre Mitarbeiter ihre Aufgaben wahrnehmen, umso seltener müssen sie korrigierend eingreifen. Außerdem steigt, wenn ihre Mitarbeiter professioneller im Markt agieren nicht nur deren Umsatz und Provision – auch ihr Einkommen steigt, denn im Vertrieb orientiert sich die Vergütung der Führungskräfte meist stark an der Performance der Mitarbeiter. Deshalb lohnt sich die Investition von Zeit auch für sie.
Gerade Unternehmen, die ihre Produkte weitgehend über Außendienstmitarbeiter vertreiben, sind darauf angewiesen, dass ihre Verkäufer aus einer inneren Motivation heraus agieren – unter anderem, weil sie sich mit dem Unternehmen und seinen Produkten identifizieren. Das setzt auch einen wertschätzenden Umgang mit den Verkäufern voraus, der jedem von ihnen das Gefühl vermittelt: Ich werde auch als Individuum wahr- und ernstgenommen.
Ein systematisches Coaching leistet hierzu einen Beitrag, weil es jeden Mitarbeiter dort abholt, wo er steht und Unterstützung benötigt. Zudem trägt es zur Qualitätssicherung im Vertrieb bei. Denn jeder Verkäufer erhält ein konkretes Feedback über sein Verhalten im Vertriebsalltag und Kundenkontakt. Folglich kann er dieses (unterstützt durch seine Führungskraft) auch gezielt verbessern – unabhängig davon, ob er in der Finanzbranche, Pharma-, Investitions- oder Konsumgüterindustrie arbeitet.
Autorin: Iris Hartmann, Salestrainerin und Salescoach-Ausbilderin, www.ifsm-online.de
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