Die richtige Kalkulation einer Beratungsdienstleistung
Marketing & Vertrieb

Die richtige Kalkulation einer Beratungsdienstleistung

Bernhard Kuntz
Am

Berater geraten bei keinem anderen Thema so ins Schwitzen wie bei der Kalkulation und dem Verkaufen ihrer Preise – vor allem, weil sie in der Regel keine handfesten Kaufargumente haben und ihre Preise nicht begründen können.

„Gäbe es für meine Leistungen doch so eine Gebührenordnung wie für Rechtsanwälte, Architekten und Steuerberater. Dann hätte ich für meine Preisgestaltung wenigstens eine Orientierung.“ Diesen Wunsch hegen viele selbstständige IT- und Unternehmensberater, Coaches und Managementtrainer* insgeheim, wenn sie mal wieder ein Angebot formulieren. Denn für ihre Leistungen gilt: Sie werden im Markt zu völlig verschiedenen Preisen angeboten. Entsprechend unsicher sind viele Berater, wenn es um das Fixieren ihrer Preise geht. Zumal sie im Kollegenkreis oft registrieren: Während Berater Müller volle Auftragsbücher hat, obwohl er 1.600 Euro/Tag verlangt, findet Berater Mayer, obwohl er die (scheinbar) selbe Leistung für den halben Preis anbietet, keine Kunden.

Ein weiterer Grund, warum viele Berater bei der Preisgestaltung unsicher sind, ist: Sie haben ihre Preise nie betriebswirtschaftlich kalkuliert, sondern nach der Maxime „Mal‘ schauen, was der Markt hergibt“ fixiert. Würden sie ihre Preise nüchtern kalkulieren, kämen sie rasch zum Ergebnis: Mein Tageshonorar muss mindestens 800 Euro betragen. Das sei an einem Rechenbeispiel illustriert.

Tagessatz von mindestens 800 Euro

Angenommen Sie möchten als „Einzelkämpfer“ pro Monat ein zu versteuerndes Einkommen von 4.000 Euro erzielen. Dann sollte Ihr monatlicher Umsatz circa 8.000 Euro betragen. Denn Sie müssen auch ein Büro mieten und Ihr Auto finanzieren – außerdem als Selbstständiger allein für Ihre Alterssicherung und Krankenversicherung sorgen. Auch das Marketing kostet Geld – zum Beispiel das Pflegen Ihrer Internetseite, das Drucken von Prospekten, das Versenden von Werbebriefen. Und als echter Profi wollen Sie zumindest zwei, drei Mal pro Jahr auch ein Fachseminar besuchen, damit Ihre Kompetenz nicht austrocknet. Schnell kommen Sie so auf einen Betrag von 8.000 Euro, den Sie pro Monat erzielen müssen.

Ein Monat hat im Schnitt aber nur 18 Arbeitstage. Und hiervon gehen nochmals circa acht für administrative Tätigkeiten, für die Produktentwicklung sowie Marketing- und Akquiseaufgaben drauf. Also verbleiben zehn Tage, an denen Sie als Berater arbeiten und den monatlichen Gesamtumsatz von 8.000 Euro einfahren können. Folglich sollte Ihr Tageshonorar mindestens 800 Euro betragen.

Dass Sie als Selbstständiger so kalkulieren müssen, ist vielen (Mitarbeitern Ihrer) Kunden nicht bewusst. Als Angestellte rechnen sie schlicht hoch: „Der verlangt 800 Euro pro Tag, und der Monat hat 22 Arbeitstage. Also verdient er im Monat über 17.000 Euro.“ Und selbstverständlich setzen sie den Umsatz mit dem Netto-Einkommen gleich. Dass dem nicht so ist, sollten Sie erst gar nicht versuchen, ihnen zu erklären: Sie glauben es Ihnen ohnehin nicht. Außerdem begeben Sie sich dann freiwillig in die Defensive. Arbeiten Sie lieber daran, Ihren Kunden zu vermitteln, dass Sie Ihr Honorar wert sind.

Was „teuer“ ist, ist relativ

Generell gilt: Was „hochpreisig“ ist, ist relativ. Denn für die verschiedenen Trainings- und Beratungsthemen sind auch verschiedene Preise „üblich“. So zahlen Unternehmen für Seminare, in denen es um das Vermitteln von Arbeitstechniken geht, in der Regel weniger als für Führungsseminare. Auch von Branche zu Branche sind die Preisniveaus verschieden. So sind im Einzelhandel niedrigere Tagessätze als in der Industrie und bei Dienstleistern wie Banken üblich. Und für das Schulen ihrer Produktionsmitarbeiter nehmen Unternehmen meist weniger Geld in die Hand als für das Weiterbilden ihrer Verkäufer.

Deshalb lassen sich keine allgemein gültigen Aussagen darüber machen, welche Preise ein Trainer oder Berater verlangen und am Markt durchsetzen kann. Mit Vorsicht zu genießen sind jedoch Aussagen, wie sie ein Beraterverband vor einiger Zeit traf: Ab einem Tagessatz von 1.500 Euro sei es schwer, das gewünschte Honorar durchzusetzen. Denn für manche Marktsegmente gilt: Schon ein Tageshonorar von 800 Euro erfordert eine sehr überzeugende Verkaufsargumentation. Für andere Marktsegmente hingegen: Wenn Sie dort „nur“ einen Tagessatz von 1500 Euro fordern, nehmen Ihre Zielkunden Sie nicht ernst. So zum Bespiel, wenn Sie die oberen Führungskräfte von Konzern coachen möchten. Oder wenn Ihre Zielkunden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind, die selbst hohe Tagessätze haben.

Sie können jeden Preis verlangen, wenn …

Obige Ausführungen zeigen: Der Preis, den Sie für Ihre Leistungen verlangen, ist aus Kundensicht stets eine relative Größe. Oder anders formuliert. Sie können jeden Preis verlangen – solange für Ihre Leistung die erforderliche Nachfrage besteht und Sie den Preis argumentativ verkaufen können. Hierfür ein Beispiel: Ein Präsentationstrainer aus Baden-Württemberg fordert für seine Präsentationsseminare ein Tageshonorar von 3.200 Euro – und erhält es. Doch nicht nur dies: Seine Kunden vergüten ihm zudem bei jedem Seminar die Vor- und Nachbereitung mit einem halben Tagessatz, also 1.600 Euro. Und das, obwohl Seminare zum Thema Präsentieren tendenziell eher schlecht bezahlt werden. Der Grund: Der Trainer ist von Haus aus Elektroingenieur und hat sich auf die Mitarbeiter von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen spezialisiert, die häufig neue technische Lösungen fachfremden Kollegen oder gar dem Vorstand präsentieren müssen. Eine weitere Zielgruppe von ihm sind die Vertriebsingenieure von Herstellern komplexer technischer Investitionsgüter. Ihnen vermittelt er, wie sie Kunden die Problemlösungen ihres Unternehmens bildhaft und leicht verständlich erläutern (und verkaufen).

Noch ein Beispiel: Ein anderer Anbieter berät Zulieferer von Industrieunternehmen, wie sie höhere Preise bei ihren Industriekunden durchsetzen. Er verlangt für einen Beratungstag 5.200 Euro. Zudem lässt er sich das Vorbereiten der Beratungen pauschal mit 2.600 Euro vergüten. Und dieses Honorar bekommt er. Der Grund: Viele Industrieunternehmen haben die Preise ihrer Zulieferer so stark gedrückt, dass letztere aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise ihre Preise, wenn sie noch profitabel arbeiten möchten, schlicht erhöhen müssen. Der Berater hat also bei seinen Zielkunden einen brennenden Punkt erwischt. Deshalb ist es ihnen fast egal, was der Berater kostet. Hauptsache, er löst ihr Problem.

Kaufargumente für die Kunden entwickeln

Welche Preise Sie erzielen können, hängt also auch davon ab, inwieweit Sie bei Ihren Zielkunden das Gefühl erzeugen können: „Genau diesen Berater will/muss ich haben.“ Und dies ist wiederum abhängig von Ihrer Kompetenz und davon, inwieweit sich diese in Ihren Selbstaussagen und Ihrer Selbstvermarktung widerspiegelt. Und hier fängt das Problem an. Für kompetent erachtet sich jeder Berater. Viele können ihre Kompetenz ihren potenziellen Kunden aber nicht überzeugend darlegen – denn sie haben aus ihrer Biografie keine nachprüfbaren Argumente abgeleitet, warum Unternehmen gerade sie und keinen Mitbewerber engagieren sollten.

Anders ist dies bei einem auf die Finanzbranche spezialisierten Management-Trainer und -Berater aus München. Er schreibt auf seiner Website unter der Überschrift „8 Gründe, warum Sie mich kontaktieren sollten“:

„Es gibt viele Managementtrainer und -berater. Deshalb nenne ich Ihnen einige Gründe, warum Sie mich zumindest kontaktieren sollten:

  1. Als ausgebildeter Bankkaufmann und studierter Betriebswirt weiß ich, dass sich alles rechnen muss – auch Training und Beratung.
  2. Als langjähriger Mitarbeiter einer renommierten Privatbank habe ich erlebt, wie viel Kompetenz, Leidenschaft und Liebe zum Detail nötig ist, um anspruchsvolle Kunden zu begeistern.
  3. Aufgrund meiner 12-jährigen Führungserfahrung kenne ich die Feinstrukturen von Geldinstituten und weiß, wo es in ihrem Führungsalltag oft klemmt.
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  8. Ich arbeite nur für Banken, Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften. Entsprechend groß ist meine Branchenkompetenz.

Wollen Sie weitere Gründe erfahren? Dann rufen Sie mich an.“

Der Berater nennt seinen (Noch-nicht-)Kunden also ganz klare, aus seiner Biografie abgeleitete und somit nachprüfbare Gründe, warum sie ihn engagieren sollten. Und mit ihnen begründet er auch seinen Preis – 2500 Euro pro Trainings- und 3000 Euro pro Beratungs- oder Coachingtag.

Kennzeichnend für Berater, die eine so klare Kauf- und Preisargumentation haben, ist: Sie haben ihre Stärken analysiert und ihre Zielgruppen klar definiert. So gibt es zum Beispiel in fast jeder Branche Trainer- und Beratergurus, die außerhalb der Branche „kein Mensch kennt“. Auch unter ihren Berufskollegen sind sie weitgehend unbekannt, da sie sich zum Beispiel in den Branchenblättern nicht präsentieren. Hieran haben diese Anbieter, die in der Regel sehr profitabel arbeiten, auch kein Interesse. Denn ihre Zielgruppe sind nicht ihre Berufskollegen, sondern zum Beispiel Logistikunternehmen, Druckereien, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Ingenieurbüros.

Den Ruf „Experte für …“ aufbauen

Ab einem gewissen Preisniveau sind Honorare nicht mehr rational begründbar. Sie sind nur noch ein Ausdruck dessen, dass der betreffende Berater in den Augen seiner Zielgruppe für ein Thema „der Experte“ ist, weshalb viele Kunden für sich entscheiden: „Wenn wir schon einen Berater ins Haus holen, dann diesen.“

„Der anerkannte Experte für …“ zu werden, das sollte ein Ziel Ihrer Selbstvermarktung sein. Sie müssen ja nicht gleich zum weltweit anerkannten „Guru“ avancieren. In jeder Stadt gibt es einen Bäcker, der anerkanntermaßen die besten Brote oder Kuchen backt. Also könnte Ihr Ziel auch lauten: „Ich will der anerkannt beste Berater für kleine und mittlere Unternehmen in Buxtehude und Umgebung werden.“

Und wäre es nicht erstrebenswert, sich in Ihrer Zielgruppe einen solchen Namen aufzubauen, dass Sie statt 160 Beratungstage pro Jahr für 800 Euro eventuell 80Beratungstage für 1.600 Euro verkaufen können? Dann ist zwar Ihr Umsatz und vermutlich auch Gewinn unterm Strich weitgehend derselbe. Der Vorteil einer solcher Selbstvermarktungsstrategie ist aber: Je weniger Zeit Sie in Trainings oder Beratungen verbringen, umso mehr Zeit bleibt Ihnen für

  • Ihre Weiterbildung,
  • das Weiterentwickeln Ihrer „Produkte“ und
  • die Pflege der Beziehung zu Ihren Kunden.

Sie haben auch mehr Zeit, um Artikel oder Bücher zu schreiben und Vorträge zu halten, die Ihren Ruf festigen. Sie können also Ihren Kompetenzvorsprung vor Ihren Mitbewerbern immer weiter ausbauen. Außerdem können Sie darauf hinarbeiten, dass ein Thema immer stärker mit Ihnen assoziiert wird. Das hat den Vorteil, dass potenzielle Kunden häufiger aus eigener Initiative bei Ihnen anrufen. Zudem haben Sie, wenn Sie selbst bei (Noch-nicht-)Kunden vorsprechen, ein anderes Entree als ein „No-name“.

Und ebenfalls wichtig ist: Wenn Ihr Markt einmal partiell einbricht, können Sie immer noch Ihre Preise leicht senken und Kollegen, die im niedrigeren Preissegment arbeiten, aus dem Markt drängen. Dagegen können sich diese nur schwer wehren. Denn sie verfügen nicht über Ihre Kompetenz. Und da sie bereits im „Niedriglohn-Sektor“ arbeiten, können sie ihre Preise nicht noch weiter senken.

Über den Autor

Bernhard Kuntz

Bernhard Kuntz Bernhard Kuntz ist Inhaber der PRofilBerater GmbH, Darmstadt, die Bildungs- und Beratungsanbieter beim (Online-)Marketing unterstützt. Er ist Autor u.a. der Bücher „Die Katze im Sack verkaufen“, „Fette Beute für Trainer und Berater“ und „Warum kennt den jeder?“.  www.die-profilberater.de  
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