Purpose Brands: Mit Leitmaxime zum Erfolg im Markenmanagement
Unternehmen können deutliche finanzielle Vorteile erlangen, wenn sie sich mit den höheren Zielen und dem tieferen Sinn, das heißt mit dem „Purpose“ ihrer Organisation intensiv auseinandersetzen und diesen in einer Kernmaxime zum Ausdruck bringen. Das gilt auch für Produkte und Marken. Darauf deuten immer mehr Studien hin.
Der Purpose ist der Daseinssinn, das große Warum eines Unternehmens, seine Bestimmung, die Philosophie hinter dem Geschäftsmodell, der sinnstiftende Wesenskern, die Leitmaxime für alles Handeln. Er bestimmt dessen Identität und drückt aus, weshalb das Unternehmen existiert und was es in die Welt bringen will.
Diese Denke lässt sich auch auf das Produkt- und Markenmanagement übertragen. „Was ist der originäre Sinn und Zweck unserer Leistungen für die Kunden?“, so lautet die Frage in diesem Fall. Der entscheidende Punkt dabei ist der, von der Anbieter- auf die Nachfrageperspektive umzuschalten.
Somit geht der Fokus weg vom reinen Produktverkauf und auch weg von der Konkurrenz, mit der man sich messen will. Er geht vielmehr hin zur individuellen Erledigung von Aufgaben für möglichst gute Kunden. Damit einher gehen auch die als Customer Experiences bezeichneten Erfahrungen und Erlebnisse, die die Anbieterleistungen bieten. Hierdurch wird das Produkt zu einem Dienst am Kunden.
Purpose Brands: Google, Ikea und Amazon sind die Vorbilder
Interessant ist in diesem Kontext die „Jobs to be done“-Strategie. Entwickelt wurde sie von Harvard-Professor Clayton M. Christensen. Demzufolge stehen nicht die Leistungsmerkmale eines Produktes im Fokus, sondern dessen tieferer Sinn und damit die Frage: Mit welcher Aufgabe beauftragt der Kunde ein Produkt? Dabei geht es nicht um vordergründige Motive, sondern um die tatsächlichen Beweggründe, die oft verborgen dahinterliegen.
Was ein Kunde sich zum Beispiel beim Möbelkauf implizit wünscht: „Hilf mir, meine Wohnung heute neu einzurichten.“ Die beste Antwort darauf hat Ikea. Solche Marken nennt man „Purpose Brands“. Sie sagen klipp und klar, welche Aufgaben sie erledigen können und wodurch sie sich differenzieren. Sie kommen einem sofort in den Sinn, wenn man eine entsprechende Aufgabe zu bewältigen hat.
Zum Beispiel sieht sich Google nicht selbstfokussiert als größter globaler Suchmaschinenbetreiber, sondern „organisiert die Informationen der Welt.“ Amazon will nicht das Kaufportal Nummer eins sein, sondern „die höchste Kundenzufriedenheit der Welt“ erreichen. Tesla „treibt den Übergang zu nachhaltiger Energie voran.“
Der Online-Händler Zappos propagiert: „Deliver happiness and not just shoes.“ „Wertschöpfung durch Wertschätzung“, sagt die Hotelkette Upstalsboom. An solchen Formulierungen erkennt man genau: Es geht nicht darum, wer ein Anbieter ist und was er macht, sondern um den Impact, den er in die Welt bringen will.
Den wirklichen Job verstehen, den ein Angebot macht
Was demnach zu ergründen ist: Das tiefere Anliegen, die höhere Bedeutung und die ganz besondere Rolle, die eine Lösung im Leben der Menschen spielen kann. Was bedeutet: Weg vom Produkt, hin zum Purpose. Wir müssen den wirklichen Job verstehen, den ein Angebot macht.
Etwa so: Niemand interessiert sich für die Zusammensetzung eines Parfums, aber wir wollen alle gut riechen. Oder so: Der Kunde will keinen Staubsauger kaufen, er will ein sauberes Zuhause. Staubsauber sind kopierbar, und wenn alles gleich ist, entscheidet nur noch der Preis. Über die Reinigungswirkung hingegen eröffnet sich eine vielfältige Welt, die zu einem neuen Daseinssinn werden kann.
Zum Beispiel hat sich die Logistikmarke UPS vom United Parcel Service zum United Problem Solver, das heißt von einem Logistikanbieter zu einem Rundum-Service-Partner gewandelt. Oder nehmen wir Vitra. Diese Marke hat sich vom reinen Büromöbelhersteller zu einem Gestaltungshelfer für moderne Arbeitslandschaften weiterentwickelt.
Berater Christian Kalkbrenner erzählt: Ein Skihersteller hat analysiert, dass die Drehfreudigkeit seiner Skier nicht nur mehr Fahrspaß bringt, sondern auch der Ermüdung vorbeugt und damit die Verletzungsgefahr reduziert. Daraus leitete er den Purpose ab, ab jetzt nur noch verletzungsminimierende Sportartikel zu entwickeln.
Kein Purpose? Dann wird es wahrscheinlich ein Flop!
Wenn Menschen eine Aufgabe zu bewältigen haben, holen sie das dazu passende Konzept in ihr Leben: um voranzukommen, um erfolgreicher zu sein, um eine bessere Zukunft zu haben. Wann? Möglichst sofort. Wie? Möglichst anstrengungsfrei. Und am liebsten das Beste zum günstigsten Preis.
Dabei spielen nicht nur funktionale, sondern auch soziale und emotionale Dimensionen eine maßgebliche Rolle. Oft wollen wir nicht nur uns selbst Gutes tun, sondern auch auf andere wirken, um Fürsorge, Coolness, Lifestyle oder was auch immer zu zeigen. Menschen sind Selbstdarsteller und Inszenierungskünstler, wozu die sozialen Medien fantastische Werkzeuge bieten.
Hier noch ein paar PS, da mehr Inhalt, dort neue Features, die Verpackung größer, das Etikett bunter? Das allein reicht nicht. Wer durch die Brille des Kunden schaut und Hürden erkennt, die den Fortschritt hemmen oder Frust erzeugen, hat einen ersten Hinweis auf ein tatsächliches Innovationsfeld.
Doch längst nicht alles, was rein technisch möglich ist, ergibt für den Kunden Sinn. Keine neue Technologie ist per se interessant. Interessant ist vielmehr das, was wir durch sie erreichen. Viele neue Produkteigenschaften dokumentieren zwar Ingenieurs- und Designerkunst, sind aber für den Nutzer nicht von Belang, weil sie keinen Purpose in sich tragen. Hohe Flopraten sind dann vorprogrammiert.
Weblink zum Thema
- Buchempfehlung: „Die Orbit-Organisation. In 9 Schritten zum Unternehmensmodell für die digitale Zukunft“. Gabal Verlag 2019, 312 Seiten, 34,90 Euro. ISBN: 978-3869368993. Autoren: Anne M. Schüller, Alex T. Steffen.
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