10 Praxistipps, wie Führungskräfte den Übergang in die Selbstständigkeit meistern
Gerade Manager und Führungskräfte fragen sich nach dem Aufstieg auf der Karriereleiter häufig: Was kommt jetzt oder war das schon alles? Obwohl das allgemeine Gründungsinteresse in Deutschland in den letzten Jahren zurück gegangen ist, wächst die Gruppe der Gründer über 50. Häufigstes Gründungsmotiv ist dabei die Unabhängigkeit – 10 Praxistipps.
Führungskräfte ändern mit steigendem Alter ihre Prioritäten . Wo vorher materielle Werte wichtig waren, treten zunehmend andere Ideale in den Vordergrund. Das Bedürfnis nach Erfüllung und Wirksamkeit meldet sich, die Sinnhaftigkeit des Stresses, dem man sich tagtäglich aussetzt wird in Frage gestellt und die Suche nach Alternativen beginnt.
Eine solche kann die Selbstständigkeit sein. Doch auch gestandene Führungskräfte sind gegen die Ängste, Zweifel und Unsicherheiten vor dem Schritt in die Selbstständigkeit nicht gefeit. Obwohl sie einerseits durch ihre Erfahrung einige Vorteile hat. Auf der anderen Seite bringt der Rollenwechsel vom Manager zum Unternehmer zusätzliche spezifische Hürden mit.
1. Was kommt nach der Führungskraft? Kein Schwein ruft mich an
Wer bin ich denn jetzt, da ich mich nicht mehr mit dem bekannten Namen meines Unternehmens vorstellen kann, sondern nur noch mit meinem eigenen? Der Verlust dieser angestammten Rolle nagt häufig auch am Selbstwert, denn urplötzlich ist der Kalender nicht mehr mit Meetings verplant, keiner ruft mehr an und die Meinung des vorher so wichtigen Managers ist nicht mehr gefragt. Jetzt gilt es, Ziele, Erfolg und die eigene Rolle, in die man hineinwachsen will, neu zu definieren.
2. Vom Generalisten zum Experten oder „Was kann ich überhaupt?“
Die Frage nach der Business-Idee stellt sich jedem. Die Frage, die jedoch gerade Führungskräften häufig auf die Füße fällt, ist ihrer Funktion immanent: Was kann ich eigentlich richtig gut? Wofür bin ich Experte? Viele haben das Gefühl, dass sie von allem genug verstehen, um ein Team von Experten zu steuern, die dann mit ihrer Fachkompetenz die Projekte realisieren. Doch jeder Generalist ist auch ein Experte. Es gilt, den Blick zu weiten und sich nicht ausschließlich auf Fachkenntnisse und den beruflichen Hintergrund zu fokussieren. Denn jede Person birgt so viele wertvolle Schätze in sich, die fürs Business relevant sein können, wie zum Beispiel die eigene Story, persönliche Erfahrungen und die daraus erlangten spezifischen Einsichten und Lösungen. Oft entsteht durch die Kombination von zunächst unwichtig erscheinenden Elementen die einzigartige Geschäftsidee.
3. Führungskräfte delegieren an ihr Team und was macht der Gründer?
Der macht erst mal selbst. Jeder, der sich selbstständig macht, wird früher oder später feststellen, dass der Teufel im Detail steckt. Doch wer wie Führungskräfte nicht operativ gearbeitet hat, der tut sich mitunter schwer als Einzelkämpfer und ohne Team. Vorbei sind die Zeiten, in denen man an zuverlässige Mitarbeiter delegieren konnte. Viele brillante Strategen kommen an dieser Stelle an ihre Grenzen, denn der vermeintliche Kleinkram beansprucht unerwartet viel Zeit und das Projekt „Selbstständigkeit“ geht meist viel langsamer voran als erwartet. Um dies zu vermeiden, ist es wichtig, weniger zu planen und mehr zu tun, schon bevor der Plan 100%-ig steht. In dieser Phase sollte man sich von Corporate Standards verabschieden, denn die sind als Einzelkämpfer nicht haltbar. Und das verlangt im Übrigen auch keiner.
4. Die Macht der kleinen Zahlen oder: Lohnt sich das überhaupt?
Eine Führungskraft ist es gewohnt, mit großen Zahlen zu kalkulieren. Kleine Ergebnisse sind häufig einfach zu unbedeutend, so dass auf diese gern verzichtet wird. Eine Marketing-Maßnahme, bei der nicht mindestens 1.000 Kunden gewonnen werden? Lohnt sich nicht, lassen wir weg und fokussieren uns auf die erfolgversprechenderen Aktionen. Zu Beginn der Selbstständigkeit führt diese Einstellung nicht zum Ziel. Am Anfang steht der allererste Kunde. Und danach kommen Kunde Nummer 2 und Nummer 3. Das ist es, worauf es sich jetzt zu konzentrieren gilt. Und dafür ist jede noch so manuelle und ineffizient erscheinende Methode geeignet. Die ersten Kunden sind die wertvollsten und es macht absolut Sinn, mit „Handarbeit“ klein anzufangen und in der Entwicklung sukzessive zu lernen.
5. Das Einkommen darf nicht das Wichtigste sein
Kann ich in meiner Selbstständigkeit mindestens so viel verdienen wie bisher? Das ist die falsche Frage und das Einkommen sollte niemals im Vordergrund stehen, wenn es um den Schritt ins Unternehmertum geht. Natürlich sollte das Ziel ein gutes Einkommen sein. Doch zum Start dürfen nicht nur die monetären Werte, sondern sollten vor allem auch die emotionalen eine Rolle spielen. Es gibt so vieles, was man jenseits des Einkommens gewinnt, wenn man sich selbstständig macht: Unabhängigkeit, Sinnhaftigkeit, Wirksamkeit, Erfüllung, um nur einige Punkte zu nennen. Aber auch Durchhaltevermögen ist gefragt. Die sinnvollere Frage an dieser Stelle: Wie viel Geld brauche ich tatsächlich und kann ich so viel verdienen?
6. Den Sprung aus der Führungsrolle direkt wagen?
Kann man, muss man aber nicht. Es gibt gute Möglichkeiten, sich als Führungskraft schon nebenbei auf die Selbstständigkeit vorzubereiten und damit den Einkommensdruck zu entschärfen. Viele Führungskräfte haben außerdem gute Chancen, ihre Selbstständigkeit als Freiberufler in Ihrem Fachbereich zu starten. Das ist eine gute Übergangslösung, sollte jedoch nur als Zwischenschritt betrachtet werden, um sich parallel über das definitive Business-Modell klar zu werden. Denn als Freelancer schafft man sich letztendlich ein neues Hamsterrad, tauscht seine Zeit gegen Geld und bleibt weiter in einer Abhängigkeit. Und das ist genau das, was die meisten nicht mehr wollen.
7. Marketing und Verkauf – die wichtigsten Aufgaben als Unternehmer
Nicht jeder fühlt sich zum Marketer berufen. Doch das ist einer der Hauptjobs eines Gründers. Und nein, das kann man nicht delegieren. Denn der Unternehmer selbst muss definieren, wie er sich positionieren und darstellen will. Darüber hinaus ist es wichtig, sichtbar zu werden und sich nicht hinter einem anonymen Firmennamen oder einem Produkt zu verstecken. Das Business wird nur gedeihen, wenn man das Vertrauen seiner potenziellen Kunden gewinnt. Dazu muss man seine Kunden kennen und genauestens wissen, welche Probleme sie haben und welche Lösungen sie suchen. Denn ein attraktives Angebot besteht aus einem Resultat und nicht aus Produkten oder Leistungen.
8. Das alte Netzwerk nutzt sich ab
Noch immer läuft vieles im Business über persönliche Kontakte. Die hat man sich als Führungskraft im Lauf der Karriere aufgebaut und sie können beim Start in die Selbstständigkeit auch sehr nützlich sein. Doch diese Quelle trägt nicht ewig. Irgendwann versiegt sie meist und wo Kundengewinnung durch Empfehlung im ersten Jahr überraschend einfach war, wird es oft im zweiten schwierig. Es ist daher entscheidend, von Anfang an eine Pipeline aufzubauen und sich um neue Netzwerke und Kontakte zu bemühen und – auf verschiedenen „Bühnen“ als Experte sichtbar zu werden.
9. Online und Social Media – da führt kein Weg drum herum
Viele Führungskräfte fühlen sich auf den sozialen Plattformen nicht zuhause. Wer hat schon Zeit und Interesse, sich neben dem fordernden Job z.B. in Facebook-Gruppen zu tummeln oder Meinungsführern aus der Branche auf Twitter oder LinkedIn zu folgen? In der Selbstständigkeit geht es heutzutage nicht mehr ohne Social Media und Online Marketing. Wer wird gefragt, wenn eine Lösung gebraucht wird? Google! Wo informieren wir uns über einen neuen Kontakt? Im Netz. Wo findet man heutzutage fast jeden potenziellen Kunden und wo finden die meisten Gespräche statt? Auf den sozialen Plattformen. Wer finden und gefunden werden will, muss dort mit relevanten Inhalten vertreten sein, Mehrwert bieten, sich am Austausch beteiligen und nahbar werden. Denn gerade in der zunehmend anonymer werdenden Online-Welt gilt: Nur wer vertraut kauft!
10. Geben kommt vor Nehmen, dienen vor dem Verdienen
Führungskräfte sind es gewohnt, hart zu verhandeln. In der Regel gibt es keine Leistung ohne Gegenleistung. Bei Kooperationen stellt sich an allererster Stelle die Frage: Was haben wir davon? Der Unternehmer 2.0 hingegen kooperiert. Und er gibt seinen Kunden auch kostenlose Inhalte mit Mehrwert, denen nicht unmittelbar ein Kauf folgt. Das ist ungewohnt und viele befürchten, einen potenziellen Kunden zu verlieren, wenn dieser zu viele Inhalte gratis erhält. Das Gegenteil ist der Fall. Kunden verstehen genau dadurch, was der Anbieter leisten kann, fassen Vertrauen und wollen am Ende eine Zusammenarbeit.
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