Nutzerzentrierte Webseitenkonzeption erstellen
Es ist soweit. Sie haben Ihren etwas unübersichtlich gewordenen Webauftritt analysiert, vielleicht sogar das Ergebnis eines professionellen Usability-Gutachtens erhalten oder Sie sind dabei, ein neues Produkt, eine innovative Anwendung oder ein gerade gegründetes Unternehmen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Kurz, Sie haben die Entscheidung getroffen: Ein neuer Internetauftritt muss her.
Doch wie geht es jetzt eigentlich weiter? Vielleicht denken Sie schon daran, einen befreundeten Webdesigner, Ihre Printagentur oder einen bekannten Entwickler mit der Gestaltung oder gleich mit der Programmierung des Internetauftritts zu beauftragen. Doch halt! Wer jetzt gleich mit der Webseitenproduktion loslegt, verspielt wertvolles Potenzial und gefährdet den Erfolg seiner Online-Kommunikation. Wie Sie mit einer durchdachten, nutzerzentrierten Webseitenkonzeption eine solide Basis für eine erfolgreichen Internetauftritt legen, erfahren Sie in diesem Fachartikel.
Warum eigentlich Online-Kommunikation?
Die erste Frage, die Sie sich zu Beginn eines Projektes stellen, sollte lauten: Warum brauche ich eigentlich einen Internetauftritt?“ In der Regel ist die Frage relativ leicht beantwortet und eine der folgenden Optionen sollte auch auf Ihr geplantes Webseitenprojekt zutreffen: Weil Sie Ihre Produkte, Ihr Unternehmen, Ihre Anwendung oder Ihre Informationen Ihren (potenziellen) Kunden, Kooperationspartnern, Investoren oder Lesern näher bringen möchten. Allgemeiner formuliert: Sie verfolgen ein oder mehrere Ziele mit dem Kommunikationskanal Online und richten sich damit an eine bestimmte Zielgruppe.
Für einen erfolgreichen Webauftritt müssen Sie deswegen Ihre eigenen Ziele und ihre Position am Markt klar definieren können und eine detaillierte Vorstellung über ihre Zielgruppen und deren Bedürfnisse und Erwartungen haben.
Nutzerzentrierte Webseitenkonzeption
Der nutzerzentrierte Konzeptionsprozess setzt sich aus sechs Bausteinen zusammen:
1. Analyse:
- Ziel
- Zielgruppen
- Historie
- Nutzungszahlen
- Usability
- Rahmenbedingungen
2. Entwicklung:
- Umsetzung
- CMS-Integration
3. Redaktion:
- Inhaltsproduktion
- Redaktionshandbuch
4. Test und Analyse:
- Klickdummy
- Prototyp-Tests
5. Konzeption und Gestaltung:
- Informationsarchitektur
- Interaktionskonzept
- Wireframes
- Funktionsbeschreibung
- Designentwicklung
6. Definition der Anforderungen:
- Personas
- Anforderungserhebung
- Use-Cases
- Klickstrecken
- Funktionale Anforderungen
Die Bausteine greifen stets ineinander. Auf dieser Basis lässt sich eine Online-Anwendung konzipieren, die sich an den Nutzern orientiert und deren Interessen und Informationsbedürfnis befriedigt. Der konkrete Umfang der Bausteine sollte je Projekt definiert werden. Auf diese Weise können Wissens- oder Informationslücken effektiv geschlossen und die einzelnen Bausteine aufeinander abgestimmt werden. Wichtig ist, dass genau abgewogen wird, wie wichtig jeder einzelne Baustein für das jeweilige Projekt ist.
Analyse
Eine umfangreiche Analysephase ist der Grundstein, um eine Website erfolgreich zu erstellen. Hier werden viele unterschiedliche Faktoren beleuchten, die den Erfolg der Website bestimmen. Deshalb handelt es sich bei der Analysephase um einen längeren und stetigen Prozess.
Ziele
Wie heißt es so schön: Wer etwas verbessern will, fängt am besten bei sich selbst an. Deshalb beschäftigt sich die Analysephase mit der Definition der eigenen Ziele, die mit dem Webauftritt erreicht werden sollen. Diese Ziele werden beispielsweise aus dem Geschäftsmodell, dem Leitbild des Unternehmens, den angebotenen Leistungen und Anwendungen sowie den Unternehmensvisionen abgeleitet.
Mögliche Ziele sind:
- Erhöhung der Bekanntheit
- Steigerung der Umsatzzahlen
- Neukundengewinnung
- Anstieg der Besucherzahlen
- Erhöhung der Sichtbarkeit in Suchmaschinen
Zielgruppen
Die Analysephase beschäftigt sich auch mit den Nutzern. Sind diese unzufrieden, können die eigenen Ziele nicht realisiert werden. Die Nutzer werden entsprechend Ihrer Eigenschaften und Interessen in unterschiedliche Zielgruppen zusammengefasst. Um herauszufinden, wer die Nutzer sind und wie viele unterschiedliche Zielgruppen existieren, stehen eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden zur Verfügung.
Marktrecherche
Durch eine Marktrecherche wird der Markt, das heißt das Umfeld, in dem sich ein Webseitenbetreiber aufhält, analysiert. Es handelt sich dabei um eine Momentaufnahme, die den Ist-Zustand definiert. Es empfiehlt sich daher, regelmäßig Marktbeobachtungen durchzuführen, um die bisher erlangten Erkenntnisse zu überprüfen und auf Veränderungen im Markt rechtzeitig reagieren zu können.
Statistische Daten
Die Erhebung statistischer Daten ist eine weitere, in der Praxis häufig verwendete, Methode in der Analysephase. Wie auch bei der Marktbeobachtung, empfiehlt sich ein regelmäßiger Blick in die Daten, um aktiv auf Veränderungen reagieren zu können.
Umfrage
Eine Quelle zur Erhebung von Daten stellt beispielsweise die Umfrage dar. Mit ihr werden unterschiedlichste Daten erhoben und jedem Befragten die Möglichkeit gegeben, seine Meinung zu äußern. Die Umfragen können anonymisiert werden. Auf diese Weise sind Befragungen innerhalb des Unternehmens möglich und liefern wertvolle Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge. Befragungen von Partnern, Kunden und weiteren Zielgruppen können eingesetzt werden, um wichtige Informationen aus der Sicht von externen Personen zu erhalten.
Web-Analyse
Über Web-Analyse-Tools können ebenfalls statistische Daten erhoben werden. Je nach eingesetztem Tool lassen sich unterschiedliche Daten erheben und auswerten.
Diese sind beispielsweise:
- Besucherzahlen
- Ein- und Ausstiegsseiten
- Klick-Through-Raten
- Verwendete Suchbegriffe
- Conversion-Raten
- Technische Informationen (Auflösung, Betriebssysteme, Browser)
Anforderungserhebung
Nachdem aus der Analysephase hervorgegangen ist, welche Ziele mit der Webseite verfolgt werden sollen, wie die aktuelle Situation im Umfeld des Unternehmens ist und die Zielgruppen bekannt sind, kann mit der Anforderungserhebung begonnen werden. Dabei dreht sich alles rund um die Frage: Was wollen meine Zielgruppen?
Um diese Frage zu beantworten empfiehlt es sich, Personas als Stellvertreter der Zielgruppen zu erstellen. Eine Persona repräsentiert dabei die wichtigsten Eigenschaften einer Zielgruppe und beschreibt die inhaltlichen und funktionalen Anforderungen und Bedürfnisse.
Nutzerbefragung
Für die Informationsbeschaffung kann analog der Analysephase auf unterschiedliche Methoden zurückgegriffen werden. Ein in der Praxis häufig eingesetztes Instrument stellt die Online-Befragung dar. Mit ihr sind zielgruppenspezifische Fragestellungen möglich. Darüber hinaus können schnell und unkompliziert Meinungen abgefragt und bewertet werden. Ein weiterer Vorteil ist die einfache Integrierbarkeit der Umfrage in die Webseite, der zeitlich und räumlich unbegrenzte Zugang sowie das automatisierte Auswertungsverfahren.
Use Cases und Use Flows
Ein weiterer Ansatz ist die Entwicklung und Überprüfung von Use Cases und Use Flows. Dafür wird die Perspektive der Zielgruppe eingenommen. Der Website- Betreiber setzt sich folglich die Brille der Nutzer auf. Durch die Betrachtung der Webseite aus diesem Blickwinkel erhält man wichtige Erkenntnisse, die die Bedienung, Orientierung und Zufriedenheit der Nutzer steigern. Darüber hinaus handelt es sich dabei nicht um die Einzelbetrachtung einer Seite, sondern um zusammenhängende Prozesse, die von den Nutzern auf der Webseite ausgeführt werden. Diese sind beispielsweise:
- Registrierung auf der Webseite
- Abonnement eines Newsletters
- Ausführen einer Bestellung
- Bedienung der Anwendungen auf der Webseite
- Navigation zu einem bestimmten Themengebiet
Konzeption
In der Konzeption werden die in der Analysephase und Anforderungserhebung erlangten Informationen zu konkreten Inhalten der Webseite ausgearbeitet. Es dreht sich folglich alles um die Frage: Wie werden die Nutzer auf der Webseite erreicht?
Für die erfolgreiche Konzeption einer Webseite werden Inhalte, Funktionen und Interaktionsmöglichkeiten entwickelt, mit denen die Bedürfnisse der Personas und eventuell weiterer Fokusgruppen befriedigt werden. Es handelt sich dabei um die einzelnen Bestandteile der Webseiten, die in Form von Interaktions- und Funktionsbeschreibungen, Modulen und Absatztypen beschrieben werden.
Um die einzelnen Webseitenelemente in einen entsprechenden Rahmen zu integrieren, werden Wireframes erstellt. Anhand dieser wird die Verortung von Informationsbausteinen und Funktionselementen definiert sowie das grundsätzliche Navigationsmodell visualisiert.
Die Zugehörigkeit von Inhalten in unterschiedliche Kategorien wird innerhalb einer Informationsarchitektur dargestellt. Aus dieser kann ein Navigationskonzept entwickelt und in die Wireframes integriert werden. Für die Entwicklung einer Informationsarchitektur können durch ein Card Sorting oder Tree Test wichtige Erkenntnisse über die von Nutzern empfundene Zugehörigkeit von Inhalten erlangt werden. Diese lassen sich entsprechend in das Konzept integrieren und überprüfen. Dazu werden Klickdummy-Tests eingesetzt, die in mehreren Iterationen weiterentwickelt und verbessert werden. Die Ergebnisse und Verbesserungen werden in die Funktionsbeschreibungen, Module und Absatztypen integriert und stellen die Basis für die Programmierung dar.
Redaktion
„Content is king“. Neben einem schlüssigen Navigations- und Interaktionskonzept, das heißt einer optimalen User Experience, trägt ein zielgruppengerechter und weboptimierter Inhalt wesentlich zum Erfolg einer Webseite bei. Bei der redaktionellen Arbeit geht es längst nicht mehr um das bloße Befüllen von Seiten broschüren- oder katalogartige Texten. Vielmehr geht es um die Verwendung einer zielgruppenorientierten Sprache, gute Lesbarkeit von Texten sowie eine schnelle Informationsbereitstellung und Übersichtlichkeit. Darüber hinaus fällt die Pflege suchmaschinenoptimierter Aspekte wie beispielweise die Vergabe von Keywords und H1-, H2-, H3- Überschriften in den Aufgabenbereich der Redaktion.
Damit Themen wie beispielsweise der redaktionelle Anspruch an eine Webseite, Grundlagenwissen und Informationen zur Zielgruppenansprache von den einzelnen Redakteuren in gleichem Maß auf der Webseite realisiert werden, sind diese in einem Redaktionshandbuch festgelegt. Das Redaktionshandbuch gliedert sich auf in ein Leitbild, einen Leitfaden und einen Style Guide. Es regelt alle Aufgaben und Prozesse der Redaktion, von der Inhaltserstellung über Sonderregelungen bis hin zur Freigabe.
Gestaltung
Die Gestaltung einer Webseite stellt einen wesentlichen Bestandteil bei der Erstellung einer Webseiten dar. Ist diese nicht ansprechend gestaltet oder unzureichend auf die Zielgruppen ausgerichtet, findet die Gestaltung keine Zustimmung, die Akzeptanz und Nutzung einer Webseite sinkt. Wie schaffe ich folglich eine ordentliche Gestaltung meiner Webseite? Inhaltlich sind die Informationen durch die Redaktion entsprechend aufbereitet. Durch die nutzerzentrierte Webseitenkonzeption stehen relevante Themen und Funktionen zur Verfügung. Es ist daher naheliegend und wichtig, die Gestaltung der Webseite ebenfalls nutzerzentriert durchzuführen. In mehreren Iterationen und anhand von Design und User-Experience-Tests kann das Design überprüft und weiterentwickelt werden um den größtmöglichen Nutzen für den Nutzer zu erreichen.
Konzept und Pflichtenheft
Aus den Ergebnissen der Webseitenkonzeption, Redaktion und Gestaltung der Webseite wird nun ein Gesamtkonzept abgeleitet. Es stellt das Bindeglied aus den einzelnen Bereichen dar und konsolidiert das Wissen zu einem zusammenhängenden Webseitenkonzept. Dabei gibt es vom Grob- bis zum Feinkonzept je nach Anforderung und Projektumfang unterschiedliche Detailgrade und Spezifikationen.
Für die finale Umsetzung der Webseite wird auf Grundlage der konzeptionellen Vorarbeit in der Regel ein Pflichtenheft erstellt. In diesem Dokument sind alle Elemente definiert, die für die Programmierung notwendig sind. Auf Basis des Pflichtenhefts lässt sich eine detaillierte Aufwandschätzung für die Realisierung ableiten.
Entwicklung
In der Entwicklungsphase werden die im Pflichtenheft enthaltenen Bestandteile einer Webseite umgesetzt. Es handelt sich dabei um einen mehrstufigen Prozess, bei dem unterschiedliche Technologien eingesetzt werden, um beispielsweise Schnittstellen anzusprechen und Funktionen auf der Webseite zu realisieren. Die Entwicklung stellt den letzten Schritt in der Erstellung einer Webseite dar. Durch regelmäßige Überprüfung, ob die Interessen und Bedürfnisse der Zielgruppen auf der Webseite angesprochen werden, sind Weiterentwicklungen und damit Veränderungen und Erweiterungen der Webseitenprogrammierung möglich. Es sollte daher in jedem Schritt der Entwicklung die Möglichkeit zur nachträglichen Erweiterbarkeit des Systems berücksichtigt werden.
Laufende Optimierung
Eine Webseite sollte ständig optimiert und an die sich stetig ändernden Nutzerbedürfnisse oder technische Gegebenheiten angepasst werden. Dazu ist ein kontinuierliches Controlling der Aktivitäten empfehlenswert. Dies kann beispielsweise durch eine regelmäßige Auswertung von Webtracking-Daten sowie durch Online-Nutzerbefragungen, A/B-Tests oder Usability-Evaluationen geschehen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Webseite niemals als „fertig“ zu betrachten, sondern kontinuierlich Anpassungen und Verbesserungen vorzunehmen. So wird ein nutzerzentrierter Webseitenbetrieb auch für die Zukunft gewährleistet.
Autoren: Christian Wenzel und Sascha Scholz
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