Viele Berater lehnen Akquise in eigener Sache ab
Viele Berater und ähnliche persönliche Dienstleister wollen mehr und lukrativere Aufträge haben. Doch zugleich erachten sie, obwohl sie Unternehmer sind, das Verkaufen als eine unehrenhafte Tätigkeit gilt. Sie haben oft ein falsches Verkaufsverständnis – und wissen nicht genau, wie es geht.
„Ich will mich und meine Leistungen nicht wie Waschmittel verkaufen. Das ist mit meinen Prinzipien nicht vereinbar.“ Solche Äußerungen hört man oft von Beratern. Warum haben viele Berater diese negative Einstellung?
Immer wieder registriert man im Kontakt mit Beratern: Sie setzen das Verkaufen weitgehend mit einem Klinkenputzen gleich – ähnlich wie bei einem Versicherungs- oder Staubsaugervertreter. Dabei lassen sie sich täglich gerne etwas verkaufen. Beim Bäcker. Im Zeitungskiosk. An der Tankstelle. Ja, sie wären sogar enttäuscht, wenn ihnen der Bäcker oder Kioskbetreiber nichts verkaufen würde. Warum daher diese negative Einstellung zum aktiven Verkauf der eigenen Leistung?
Wer gut gebucht ist, bleibt sich eher treu
Viele Berater setzen das Verkaufen unbewusst damit gleich, anderen Leuten etwas aufzuschwatzen oder diese über den Tisch zu ziehen. Und sie pochen darauf: Ihr Wertesystem verbiete ihnen dies. Welch scheinheiliges Gerede, um die eigene Unfähigkeit oder Trägheit zu kaschieren – denn faktisch ist in der Regel das Gegenteil der Fall. Gerade Berater, denen ihr Wertesystem angeblich ein aktives Verkaufen und eine aktive Marktbearbeitung verbietet, verraten dieses meist schnell – wenn in ihren Auftragsbüchern große Löcher klaffen.
Trifft dann eine Kundenanfrage bei einem Berater ein, sagen sie meist „Ja“ zum Auftrag – selbst wenn sie das Gefühl haben: Eigentlich bin ich hierfür nicht der richtige Mann oder die richtige Frau. Oder: Eigentlich bräuchte die Zielgruppe etwas anderes. Oder: Eigentlich … Denn wenn die Auftragsbücher leer sind, dann ist fast allen Beratern das eigene Hemd näher als der Rock – auch weil sie das Geld benötigen, um ihren Lebensunterhalt oder den ihrer Familie zu finanzieren. Entsprechend schnell werfen die meisten Berater bei leeren Auftragbüchern ihre hehren Prinzipien über Bord.
Deshalb gilt: Eine systematische Marktbearbeitung ist nicht ein Verrat an den eigenen Prinzipien. Nein, sie ist eine Voraussetzung, um ihnen treu zu bleiben. Denn wenn das Auftragsbuch voll ist und ausreichend Folgeaufträge in der Pipeline sind, fällt es Beratern auch leichter zu potenziellen Kunden mal zu sagen: „Diesen Auftrag lehne ich ab, weil ….“ Oder anders formuliert: Wer seine Leistungen aktiv vermarktet und verkauft, muss seltener sich selbst verraten und verkaufen.
Lieber den Markt bearbeiten als „tagträumen“
Fakt ist denn auch: Die eigentliche Ursache, warum viele Berater „Pfui Teufel“ zum Verkaufen sagen, ist, dass sie zwar hohe Honorare kassieren, aber weder Zeit noch Geld ins Verkaufen investieren möchten. Sie hoffen darauf, dass ihnen die Aufträge gleich „gebratenen Täubchen“ in den Mund fliegen. Dies ist in einem weitgehend gesättigten Markt, in dem eine immer größere Schar von Trainern und Beratern, Supervisoren und Coachs um eine begrenzte Zahl von Aufträgen buhlt, ein Tagtraum – außer der Berater hat schon viele Jahre eine aktive Marktbearbeitung betrieben und ist als Marke im Markt etabliert.
Ein weiterer Grund, warum es vielen Beratern vor dem Verkaufen graust, ist: Sie wissen nicht, wie das Verkaufen funktioniert – obwohl sie Unternehmer sind. Im Kontakt mit Beratern stellt man immer wieder fest: Die meisten halten sich zwar für große systemische Denker, faktisch denken aber nur wenige – zumindest wenn es um die Themen „Marketing“ und „Verkauf“ geht – systemisch und prozesshaft.
Zum Beispiel ist den meisten Beratern nicht ausreichend bewusst, dass sie ihren Kunden eine Leistung verkaufen, die aus Kundensicht meist zu teuer ist; des Weiteren eine Leistung, bei der die Kaufentscheidung aus Kundensicht extrem risikobehaftet ist. Denn: Die Kunden können die immaterielle Leistung Beratung vorm Kauf weder anfassen, um ihre Qualität zu prüfen, noch können sie diese bei Nicht-Gefallen – beziehungsweise, wenn sie ihnen nicht den erhofften Nutzen bringt – zurückgeben oder umtauschen. Entsprechend zögerlich sind die meisten Personen und Organisationen mit ihren Kaufentscheidungen, wenn es um Beratungsleistungen geht. Viel lieber kaufen sie sich ein neues Sofa oder einen neuen PC, denn da weiß man wenigstens, was man für sein Geld bekommt.
Die Zielkunden zur Kaufentscheidung führen
Ebenfalls nicht bewusst machen sich die meisten Berater, dass niemand ihre Leistungen spontan kauft. Der Kaufentscheidung geht ein längerer Prozess voraus, in dem der Kunde mehrere Bewusstseinsstufen durchläuft.
Bewusstseinsstufe 1: Der Berater Mayer existiert. Dies zu wissen, ist die Grundvoraussetzung, damit ein potenzieller Kunde einen Berater überhaupt kontaktieren kann.
Bewusstseinsstufe 2: Der Berater Mayer könnte mir einen Nutzen bieten, weil …. (Konjunktiv). Gelangt ein potenzieller Kunde nicht zu dieser Überzeugung, besteht für ihn kein Anlass, sich näher über einen Berater zu informieren.
Bewusstseinsstufe 3: Der Berater Mayer bietet mir einen Nutzen, weil … (Indikativ). Ohne diese Überzeugung erwägt kein Noch-nicht-Kunde ernsthaft, einem Berater einen Auftrag zu erteilen.
Bewusstseinsstufe 4: Der Nutzen, den ich aus der Leistung des Beraters Mayer ziehe, ist größer als meine Investition an Zeit, Geld, Nerven und Energie. Nur wenn ein Interessent zu dieser Gewissheit gelangt, öffnet er sein Portemonnaie – denn ansonsten würde er sein Geld besser zur Bank bringen. Dort erhält er hierfür Zinsen.
Verkaufen heißt nichts anderes, als potenzielle Kunden Schritt für Schritt zu obiger Gewissheit zu führen – und zwar nicht, indem ich ihnen als Berater das Blaue vom Himmel verspreche, sondern indem ich ihnen abgeleitet aus meiner Biografie und Vorerfahrung sowie meiner Arbeitsweise darlege, dass ich ihnen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den erhofften Nutzen biete – zu einem angemessenen Preis.
Die unternehmerischen Hausaufgaben machen
Deswegen sollten Berater, die mehr Aufträge möchten, sich überlegen: Wie mache ich meinen Zielkunden klar, dass es mich gibt? Wie vermittle ich Ihnen, dass ich Ihnen einen Nutzen bieten könnte? Wie …..? Das Ergebnis ist ein Marketing- und Vertriebssystem, in dem die Einzelmaßnahmen wie die Zahnräder eines Uhrwerks ineinander greifen und die Zielkunden Schritt für Schritt zur Kaufentscheidung führen.
Ein solches Marketing- und Vertriebssystem können nur Berater entwickeln, die zuvor exakt analysiert und definiert haben: Wem kann ich aufgrund meiner Erfahrung und Kompetenz einen Nutzen bieten? Bezogen nur auf diese Zielkunden können sie eine überzeugende Verkaufsargumentation entfalten – das heißt ihnen überzeugend darlegen, warum sie sich für sie (und nicht für einen Mitbewerber) entscheiden sollten.
Da die meisten Berater eine solche Zielgruppen- und Kompetenzanalyse nicht gemacht haben, dreschen sie in ihren Werbeunterlagen oft Phrasen und ihre Marketingaktivitäten laufen ins Leere. Und am Telefon? Da stammeln sie – aus Kundensicht – häufig wirres Zeug, wenn sich ein Noch-nicht-Kunde mal erdreistet nachzufragen: Warum sollte ich gerade Sie und nicht einen Ihrer Mitbewerber engagieren? Aus Kundensicht eine berechtigte Frage – oder?
Keine leichte Beute für „Wunderheiler“ werden
Weil viele Berater in Sachen Marketing und Verkauf so hilflos sind, sind sie oft eine leichte Beute für Werbeagenturen, die ihnen versprechen: Wenn Sie auf dieses oder jenes Zaubermittel setzen, dann fliegen Ihnen die Aufträge gleich „gebratenen Täubchen“ in den Mund.
Welche Zaubermittel gerade „en vogue“ sind, das variiert. Vor fünf Jahren hieß das Zaubermittel Blog, heute Social Media. Dies alles können hilfreiche Instrumente sein, jedoch nur, wenn sie in ein Marktbearbeitungssystem eingebettet sind, das die Kunden Schritt für Schritt zur Kaufentscheidung führt. Isoliert betrachtet sind alle Marketinginstrumente stumpf – egal, wie sie heißen. Denn mit ihnen lässt sich – zumindest beim Verkauf von komplexen Bildungs- und Beratungsleistungen – stets nur ein Teilziel im beschriebenen Kaufentscheidungsprozess erreichen.
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