Wie Sie Führungskompetenzen entwickeln
Mitarbeiter stellen heute höhere Erwartungen an ihre Führungskräfte als früher. Entsprechend wichtig ist es, ihre Führungskompetenz zu trainieren und ihnen Führungswerkzeuge an die Hand zu geben.
„Sie müssen Ihre Mitarbeiter situativ führen – also Ihr Führungsverhalten der jeweiligen Situation und dem jeweiligen Gegenüber anpassen. Das forderte Paul Hersey, der mit Ken Blanchard den situativen Führungsstil „erfand“, bereits 1977 von Führungskräften.
So weit, so gut. Doch dies im Arbeitsalltag zu realisieren, das fiel Führungskräften schon in der Vergangenheit oft schwer. Aus verständlichen Gründen. Denn ein solches Führungsverhalten setzt voraus, dass die Führungskraft weiß,
- was die betriebliche Situation erfordert und
- wie die Person, die ihr gegenüber sitzt, „tickt“.
Außerdem muss sie die passenden Worte finden, damit ihre Botschaft bei dem Mitarbeiter ankommt. Das erfordert Menschenkenntnis und Erfahrung.
Führungskompetenz erfordert Kommunikation und Führung
Fiel es vielen Führungskräften in der Vergangenheit bereits schwer, stets das adäquate Führungsverhalten zu zeigen, so ist dies heute noch schwieriger – aus vielerlei Gründen. So stellen Mitarbeiter heute zum Beispiel höhere Erwartungen an eine Führungskraft. Anders als früher, sind sie heute zumeist nicht mehr bereit, die Befehle ihrer Vorgesetzten ohne Zögern, sozusagen blind, auszuführen. Sie erwarten vielmehr, dass ihnen ihre Führungskraft auch erläutert, warum das Erfüllen bestimmter Aufgaben und das Zeigen eines gewissen Verhaltens nötig ist. Zurecht! Denn heute prägen weitgehend Team- und Projektarbeit den Arbeitsalltag in den Unternehmen. Deshalb ist bei den Mitarbeitern ein stärkeres Mitdenken gefragt. Zudem sollen sie mehr Eigenverantwortlichkeit zeigen.
Hinzu kommt: Aufgrund der Globalisierung und des rasanten technischen Fortschritts stehen heute fast alle Betriebe unter einem massiven Veränderungsdruck. Sie müssen in immer kürzeren Zeitabständen ihre Strategien, ihre Arbeitsabläufe und ihre Art, Aufgaben zu lösen, überdenken. Hieraus erwachsen auch neue Anforderungen an die Mitarbeiter. Also müssen sich die Führungskräfte häufiger mit ihren Mitarbeitern zusammensetzen und mit ihnen darüber sprechen,
- welche Aufgaben sie künftig erfüllen sollen und
- wie sie diese erfüllen sollen.
Solche Gespräche mit Mitarbeitern zu führen, ist oft nicht leicht. Denn wenn diese neue und eventuell sogar zusätzliche Aufgaben übernehmen sollen, dann rufen sie in der Regel nicht laut „Hurra“. Sie fragen vielmehr zum Beispiel nach: „Warum gerade ich?“, „Ist das wirklich nötig?“ Dasselbe gilt, wenn eine Führungskraft von einem Mitarbeiter erwartet, dass er künftig ein anderes Verhalten zeigt und Aufgaben anders als bisher löst. Dann wird dies von Mitarbeitern oft als unberechtigte Kritik erlebt, sofern die Führungskraft nicht die richtigen Worte wählt.
Führungskräfte brauchen „Führungswerkzeuge“
Entsprechend wichtig ist es, Führungskräfte regelmäßig darin zu trainieren, diese Aufgaben professionell wahrzunehmen. Und entsprechend wichtig ist es auch, ihnen Tools an die Hand zu geben, die ihnen das Wahrnehmen ihrer Führungsaufgaben erleichtern. Ein solches Tool sind solche Persönlichkeitsanalyseinstrumente wie der Myers-Briggs-Typenindikator, das Reiss-Profil oder der HDI, die in der Personalarbeit schon vielfach zum Einsatz kommen – sei es bei der Personalauswahl oder -entwicklung.
Wie Führungskräfte dieses Tool bei ihrer Führungsarbeit nutzen können, sei im Folgenden am Beispiel des DiSG-Persönlichkeits– beziehungsweise Verhaltensprofils beschrieben, da DiSG das im deutschsprachigen Raum bekannteste und am häufigsten genutzte Persönlichkeitsanalyse-Instrument ist. Eine entsprechend hohe Akzeptanz genießt es in den Unternehmen.
Das DiSG-Persönlichkeitsprofil geht davon aus: Jeder Mensch entwickelt im Verlauf seines Lebens gewisse Verhaltenspräferenzen. Dabei lassen sich vier Grundtypen unterscheiden.
Typ D – dominant: Personen, die vor allem dem D-Typ entsprechen, gelten als entscheidungsstark, durchsetzungsfähig und risikobereit. Sie wirken oft autoritär und übernehmen gerne das Kommando.
Typ I – initiativ: I-Typen gelten als teamfähig und kommunikativ. Sie sind begeisterungsfähig und können andere Menschen mitreißen. Außerdem sind sie vielseitig interessiert.
Typ S – stetig: Solche Menschen gelten als wert-konservativ. Gewohnheiten und Routinen vermitteln ihnen Sicherheit. Sie zeichnen sich durch Ausdauer und Geduld aus. Außerdem sind sie in ihrem Fachgebiet oft wahre Spezialisten.
Typ G – gewissenhaft: G-Personen sind sehr qualitätsbewusst und streben nach Perfektion. Sie konzentrieren sich auf Fakten. Sie hinterfragen Dinge zunächst kritisch, bevor sie sich entscheiden.
Eine weitere Annahme von DiSG ist: Die vier Typen existieren nicht in Reinform. Sie sind in allen Menschen vorhanden – jedoch unterschiedlich stark. Und aus den verschiedenen Ausprägungen ergibt sich das individuelle Profil einer Person. Beim DiSG-Persönlichkeitsprofil wird also letztlich nicht ermittelt, was für ein Typ eine Person ist, sondern in welcher Ausprägung die vier Grundtypen vorhanden sind. Und aus dieser Information werden dann Antworten auf Fragen abgeleitet wie: Welche Stärken hat die Person? Welche Aufgaben liegen ihr? Und: Welchen Arbeits- und Kommunikationsstil bevorzugt sie?
Praxisbeispiel 1: Personalentwicklung
Angenommen nun ein Vertriebsleiter möchte mit einem jungen Mitarbeiter, der Key-Account-Manager werden möchte, über dessen Leistung und berufliche Zukunft sprechen. Aufgrund seiner Beobachtungen ist der Vertriebsleiter jedoch überzeugt: Dem jungen Mitarbeiter fehlt noch die erforderliche Reife und Erfahrung, um eine so verantwortungsvolle Position zu übernehmen. Er weiß aber auch: Wenn ich versuche, mit bestimmten Verhaltensweisen, die ich beobachtet habe, oder rein anhand der Vertriebszahlen dies zu begründen, endet das Gespräch im Chaos. Denn dann erwidert die Nachwuchskraft sofort: „Ja, aber …“. „Und außerdem kennen Sie meine Kunden nicht.“ Das heißt, sie rechtfertigt sich und ihr Verhalten. Und eine Folge des Gesprächs wird vermutlich sein: Die Nachwuchskraft ist sauer, weil sie sich schlecht beurteilt fühlt.
In solchen Situationen ist es oft hilfreich, zunächst ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen, das die Verhaltenspräferenzen der Nachwuchskraft beschreibt und grafisch darstellt. Denn wenn ein solches Profil vorliegt, kann der Vertriebsleiter zum Beispiel fragen: „Erkennen Sie sich in dem Profil wieder?“ Der Gesprächseinstieg erfolgt also nicht über Beobachtungen des Vertriebsleiters, sondern über ein neutrales Medium. Deshalb fällt es der Nachwuchskraft auch leichter, beispielsweise zu antworten: „Ja, auch ich denke, dass es mir recht leicht fällt, eine emotionale Beziehung zu Menschen aufzubauen. Eher schwer fällt es mir hingegen, ….“ Daraufhin kann der Vertriebsleiter erwidern: „Das deckt sich mit Beobachtungen, die ich gemacht habe. Mir fiel zum Beispiel auf, dass … Und das spiegelt sich, so mein Eindruck, auch in den Vertriebszahlen wieder.“
Das Vorliegen eines DiSG-Persönlichkeitsprofils erleichtert es Führungskräften also, in Personalentwicklungsgesprächen auch Verhaltensmuster und -weisen des Mitarbeiters zu thematisieren, die ihre Wurzeln auch in deren Persönlichkeit haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beteiligten einen eher technischen oder kaufmännischen Background haben. Denn dann fehlt ihnen oft eine passende Terminologie, um über persönliche Schwächen so zu sprechen, dass keine emotionalen Verletzungen entstehen.
Praxisbeispiel 2: Personalauswahl
Von Vorteil ist das Vorliegen eines DiSG-Persönlichkeitsprofils auch, wenn es um das Treffen und Kommunizieren von Personalentscheidungen geht. Erneut ein Beispiel. Angenommen ein Bereichsleiter steht vor der Entscheidung, welchen Mitarbeitern er die Position eines Gruppenleiters in der Produktion anvertraut. Dann kann er seine Entscheidung rein auf seine Vorerfahrung mit den Kandidaten stützen. Er kann diese aber auch bitten, dass sie DiSG-Persönlichkeitsprofile von sich erstellen lassen. Dies bietet ihm den Vorteil: Er kann anhand der Profile nochmals überprüfen, ob sich diese mit seinen Eindrücken decken. Ist dies der Fall, ist er auf der sicheren Seite.
Zeigen sich jedoch Soll-Ist-Abweichungen, dann sollte er sich fragen: War meine Einschätzung richtig? Oder wurde sie zum Beispiel davon überlagert, dass ich den Kandidaten x sympathischer als den Kandidaten y finde? Oder davon, dass er ähnlich tickt wie ich – obwohl die vakante Position eigentlich einen anderen Typ erfordert? Er kann also das Profil nutzen, um seine Entscheidung zu verifizieren.
Doch nicht nur dies. Er kann das Profil auch nutzen, um seine Entscheidung zu vermitteln und zu begründen. Dies ist oft sinnvoll. Denn angenommen es gibt vier gute Mitarbeiter, die gerne Gruppenleiter werden würden – auch weil diese etwas besser entlohnt werden. Es werden aber nur zwei Gruppenleiter benötigt. Dann ist mit der Aussage „Sie werden es nicht“ stets die Gefahr verbunden, dass der betroffene Mitarbeiter innerlich mehr oder weniger kündigt – zumindest wenn er die Begründung als nicht nachvollziehbar und eventuell sogar persönlich verletzend empfindet.
Deshalb ist es in solchen Situationen hilfreich, wenn die Führungskraft dem betroffenen Mitarbeiter anhand seines DiSG-Profils darlegen kann, an welchen Punkten sein Profil (noch) von dem Soll-Profil abweicht. Denn dann kann der Mitarbeiter das „Nein“ leichter akzeptieren, als wenn die Führungskraft zum Beispiel zu ihm sagt: „Es bereitet Ihnen Probleme, anderen Menschen klare Anweisungen zu geben.“ Oder: „Es fällt ihnen schwer, wenn’s hektisch wird, einen kühlen Kopf zu bewahren.“
Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Mitarbeiter zugleich eine Entwicklungsperspektive aufgezeigt wird. Zum Beispiel mit den Worten: „Aufgrund Ihres Profils und der Art, wie ich Sie und Ihre Arbeit aktuell erlebe, schlage ich vor, dass Sie im kommenden Jahr das Seminar x und das Training y besuchen. Außerdem sollten Sie verstärkt …. Danach setzen wir uns erneut zusammen und…“. Geht eine Führungskraft so vor, berücksichtigt sie zum einen die Erfordernisse des Betriebs, zum anderen verhält sie sich der Situation und dem Gegenüber angemessen. Oder anders formuliert: Sie praktiziert einen situativen Führungsstil.
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