KMU haben trotz dauerhaftem Niedrigzins eine Finanzierungslücke
Die Finanzierungslücke bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in der Eurozone hat sich seit 2015 halbiert, bleibt jedoch trotz Niedrigzins-Phase bestehen. Die Gründe sind strengere Regulierung und mangelnde Diversifizierung der Finanzierung von KMUs, aber auch teilweise ihre Bonität.
Zwar ist die Finanzierungslücke in der Eurozone seit 2015 von 6% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 3% des BIP im Jahr 2018 gesunken, dennoch haben kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) weiterhin eine größere Nachfrage nach Krediten als der Bankenmarkt bedient.
In den USA ist die Lücke mit 2% geringer als in Europa. Angebot und Nachfrage von Finanzierung variieren allerdings auch innerhalb Europas sehr stark. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Studie des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes und TRIB Rating, dem Rating-Service von Euler Hermes Rating in Zusammenarbeit mit Moody’s für europaweit einheitliche Ratings für mittelständische Unternehmen.
In der Eurozone hat sich die Finanzierungslücke halbiert
„In der Eurozone kommen kleine und mittelständische Unternehmen leichter an Kredite als noch vor vier Jahren. Die Finanzierungslücke hat sich seither halbiert“, sagt Kai Gerdes, Chefanalyst von Euler Hermes Rating. „Allerdings haben amerikanische Unternehmen weiter die Nase vorne, und in Europa fehlen trotzdem weiterhin rund 400 Milliarden Euro (Mrd. EUR).
Das ist auf den ersten Blick angesichts des dauerhaften Niedrigzins durchaus überraschend. Die Gründe dafür dürften vermutlich sowohl an der strengen Regulierung in Europa und dem damit verbundenen geringeren Risikoappetit der Banken liegen als auch an der mangelnden Diversifizierung bei der Finanzierung der KMU.“
Alternative Finanzierungsformen gewinnen in Europa zwar zunehmend an Bedeutung, in anderen Ländern, insbesondere in den USA, sind diese jedoch wesentlich weiter verbreitet. Innerhalb Europas ist das Bild sehr heterogen. In manchen Ländern gibt es keine Finanzierungslücken und in anderen ist diese signifikant.
Größte Finanzierungslücke bei KMU in den Niederlanden, Deutschland im Durchschnitt
„In den Niederlanden ist die Finanzierungslücke mit 22% des BIP am größten“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Aber auch in Belgien (14%), Frankreich (9%) oder Italien (4%) haben es Mittelständler schwerer an Kredite zu kommen als im europäischen Durchschnitt. Deutschland liegt mit -3% in der goldenen Mitte und in Spanien decken sich Angebot und Nachfrage vollständig. Das liegt allerdings vor allen an der deutlich gesunkenen Nachfrage nach Krediten.“
In Italien ist der Zugang zu Finanzierung weiterhin relativ schwierig und die Nachfrage wie auch in Spanien erheblich gesunken. Insofern ist es wenig überraschend, das der Stiefelstaat eine etwas höhere Finanzierungslücke aufweist als der Durchschnitt. In den Niederlanden, Belgien und Frankreich liegt die große Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zum einen an der relativ hohen Verschuldung der dortigen Mittelständler. Zum anderen aber auch an einer höheren wirtschaftlichen Aktivität. Die Verschuldung der dortigen Unternehmen hat allerdings stärker zugelegt als die wirtschaftliche Dynamik.
Anhaltendes Auseinanderklaffen bei Finanzierung ist Warnsignal
„Eine Finanzierungslücke ist ein deutliches Warnsignal – nicht nur für die Mittelständler selbst“, sagt Van het Hof. „Der Mittelstand ist für die europäische Wirtschaft entscheidend, denn er macht 99% aller Unternehmen in der Region aus, die außerhalb des Finanzsektors tätig sind.
Hält diese eklatante Lücke für die Mittelständler an, könnte dies zu einem geringeren Wachstum bei Investitionen führen, wenn sie diese nicht aus eigenen Mitteln stemmen können. Das wiederum könnte in Zukunft die Wettbewerbsfähigkeit und das gesamte Wirtschaftswachstum in der Region schwächen.“Insbesondere für eher bonitätsschwache, stark verschuldete KMU ist es weiterhin schwierig an Kredite zu kommen trotz Niedrigzins. Sie sind noch stärker von Bankkrediten abhängig als noch 2015.
Starke Abhängigkeit von Bankkrediten: 70% in Europa vs. 40% in den USA
„KMU decken rund 70% ihrer externen Finanzierung über Bankkredite. In den USA macht dieser Anteil lediglich 40% aus“, sagt Gerdes. „Das häufig sehr stark spezialisierte Geschäftsfeld macht europäische Mittelständler zudem weniger flexibel und damit anfälliger für Krisen. Sie haben meist kein Rating und damit nur eingeschränkt Zugang zu alternativen Finanzierungsformen, was die große Abhängigkeit von Bankkrediten mit sich bringt.“
Im Krisenfall oder bei schlechter Bonität versiegen ihre Kreditquellen schneller als die von größeren Unternehmen. Insbesondere auch, weil europäische Banken einer strengeren Regulierung unterliegen und dadurch einen vergleichsweise geringeren Risikoappetit haben. Das erklärt, warum die Finanzierungsglücke auch im Niedrigzins-Umfeld bestehen bleibt. Ein Lichtblick für die hiesigen Mittelständler ist jedoch der – auch politisch gewollte – Zuwachs an alternativen Finanzierungsoptionen in den letzten Jahren und die dadurch stärkere Diversifizierung des Markts.
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