Die Stegreifrede als Königsdiszplin der Rhetorik
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Die Stegreifrede als Königsdiszplin der Rhetorik

Gerhard Reichel
Am

Heinrich von Kleist bezeichnete Stegreifreden als „lautes Sprechdenken“ und Heinz Erhardt war überzeugt: „Wird man unerwartet gebeten, eine Rede zu halten, so erschrecke man nicht, sondern fasse sich. Aber kurz!“ Die Stegreifrede ist die Königsdisziplin der Rhetorik, weil sie, ohne jede Vorbereitung, aus dem Augenblick heraus gehalten werden muss.

Wir machen es ständig und oft: Mit Blicken, einer Bewegung, einem Fingerzeig … oft weiß unser Gegenüber alleine durch Kleinigkeiten, wie beispielsweise einem Schulterzucken oder einem Stirnrunzeln, was wir meinen. Unsere Kommunikation hängt von vielerlei bewussten und unbewussten Faktoren ab: Schon ein kleines Wort kann eine große Gewichtung bekommen, wenn es der Gesprächspartner deutet. Oder wenn dieses durch eine unbewusste Bewegung ins Gegenteil verkehrt wird. Begrüßt ein Verkäufer zum Beispiel einen Kunden mit den Worten „Schön, Sie zu sehen“, blickt ihn dabei aber nicht an, sondern wendet sich in diesem Moment einem wartenden Kollegen zu, stimmen das Gesagte und das, was der Kunde als Botschaft empfängt, nicht überein.

Außendienstmitarbeiter vergraben sich zudem gerne – irgendwelche Fachbegriffe murmelnd – hinter ihren Präsentationsunterlagen. Das Wissen darum, wie Botschaften vermittelt werden und wie sie evtl. beim Gegenüber ankommen, kann der Verkäufer, wenn er sich einmal ganz genau beobachtet und bereit zur Selbstreflexion ist, umgekehrt aber auch gut für sich nutzen, um im Gespräch gekonnt zu navigieren. Ziel muss es sein, den Kunden fachlich aufzuklären und emotional zu überzeugen. Dazu sind meistens keine grundsätzlichen Umwälzungen in den bisherigen Gesprächsabläufen notwendig, sondern nur ein paar neue und bewusste Sprachmuster, die der Verkäufer spielend einfach in das alltägliche Kundengespräch einbauen kann. [asa]3923241070[/asa]
Sind diese Stepps erst einmal integriert, können Unsicherheiten und unerwartete Einwände des Kunden vermieden werden – und das alles nur mit ein paar kleinen Worten. Der Verkäufer gibt dem Kunden die Sicherheit und auch das stabile Gefühl, bei ihm am besten aufgehoben zu sein. So einfach kann es sein!

1. Gerade in der Einfachheit liegt ein gewisser Charme

Wie wir bereits erfahren haben, gibt es in der zwischenmenschlichen Kommunikation enorm viele Missverständnisse. Das, was der Verkäufer sagt (oder glaubt zu sagen), muss noch lange nicht das sein, was beim Kunden ankommt. Drei unterschiedliche Filter prägen unser Bewusstsein bei der Kommunikation:

  1. Tilgung – wir blenden Teile der Information aus
  2. Verzerrung – wir interpretieren Informationen im Satz um
  3. Generalisierung – wir übertragen eine einzelne Erfahrung auf alle zukünftigen ähnlichen Erfahrungen

Diese drei Prozesse veranschaulichen, wie der Mensch mit Informationen umgeht, noch bevor er etwas ausgesprochen hat. Unabhängig von der Branche und dem zu verkaufenden Produkt bzw. der Dienstleistung, die vertrieben werden soll, muss es dem Verkäufer durch eine gute Kommunikationsstrategie gelingen, dem Kunden erst einmal Sicherheit zu vermitteln. Verkäufer – gerade technischer Produkte – sollten deshalb nicht allzu viele fachspezifische Begriffe nennen, das verunsichert die meisten Kunden nur. Erklären Sie die Sachlage mit einfachen Worten aus dem alltäglichen Sprachgebrauch, sodass es Ihr Kunde auch versteht. Womöglich lockert sich die Situation und damit auch der Kunde, wenn Sie erst einmal etwas Persönliches fragen und dann ganz beiläufig zum Produkt kommen – so integrieren Sie Ihre Analyse und Empfehlung spielend in den Gesprächsablauf. Bei einem Verkaufsgespräch helfen bei der Analysephase oder Einwandsbehandlung folgende Fragen, mit denen Sie Ihrem Kunden Schritt für Schritt näher kommen:

  • Was erwarten Sie von mir/unseren Produkten/unserem Unternehmen …?
  • Was verstehen Sie unter …?
  • Haben Sie schon einmal erlebt, dass …?

Mit diesen Fragen lernen Sie die Welt des Kunden besser kennen und geben ihm die Sicherheit, sich nicht nur für den Umsatz, sondern für ihn als ganzen Menschen zu interessieren. Natürlich ist dies meist, je nach Kunde, etwas unterschiedlich – doch im Laufe der Zeit merkt man sehr schnell, ob ein Kunde nur möglichst schnell alle Fakten (bestes Produkt, Kosten, Abwicklung) wissen oder gerne mehr drum herum (Erfahrungen anderer Kunden, Alternativen) erfahren will. Falls Sie merken, dass der Kunde schon einige Vorinformationen hat, können Sie ihn natürlich auch gerne mit detaillierten und fachspezifischen Ausführungen beeindrucken. Der Profi unter den Verkäufern zeichnet sich eben genau dadurch aus, dass er dem Kunden genau so viel Wissen zumutet, wie dieser – oft unbewusst – verlangt und vor allem vertragen kann.

2. Das macht man nicht bei der Kommunikation

Es gibt Sprachmodelle, in die wächst man hinein. Natürlich weiß man als Kind noch nicht, dass es sich um eines handelt, aber die Wirkung reduziert sich deswegen lange nicht. „Das macht man nicht“, ist eines dieser Muster, die einem deutlich sagen „Oje, jetzt hast du Mist gebaut.“ Doch was steckt dahinter? Und wie können Verkäufer dieses Wissen für die Kommunikation mit Kunden nutzen? So klein das Wort auch ist, hat es eine große Wirkung! Durch die Verwendung des Wortes „man“ wird eine subjektive Äußerung zu einer vermeintlich objektiven und allgemein gültigen. Das Beispiel „Das macht man nicht“ zeigt, dass der Sprecher dieses Satzes eine Norm generiert und dem Hörer damit suggeriert, dass er sie nicht erfüllt, dass er den Ansprüchen der Gesellschaft nicht genügt.

In Gesprächen wird „man“ häufig unbedacht verwendet. Achten Sie im Gespräch einmal darauf, wenn jemand über seine Wünsche oder Ängste spricht. „Man hat ja schon so viel Schlechtes von diesen Produkten gehört“ oder „Man hat das damals ja nicht gewusst“. Allein durch die Verwendung dieses kleinen Wortes, wird die Verantwortung von einem selbst weggeschoben. Achten Sie darauf, wann Ihr Kunde zu dem Wort „man“ greift. Fragen Sie gezielt nach: „Wo haben Sie das genau gelesen?“ oder „Wer hat Ihnen davon erzählt?“. Versichern Sie Ihrem Kunden, am besten anhand eigener Fakten und Tatsachen (Beweise in Form von Fachartikeln, Testberichten oder O-Tönen begeisterter Kunden), dass der grauen Masse MAN konkrete menschliche Beispiele gegenüber stehen. Achten Sie aber auch darauf, welche Botschaften Sie vermitteln und vermeiden Sie, wo es geht, die Verwendung von „man“. Wenn Sie über Ihre Empfehlungen sprechen, dann sollte man (NEIN bielmehr: Ihr Kunde) das auch hören.

Im Verkauf ist es besonders wichtig, den Kunden mit einer hohen Zuverlässigkeit in der Kommunikation Ruhe und Sicherheit zu vermitteln. Kommunikativ starke Verkäufer schüchtern ihre Kunden nicht mit möglichst viel Fachjargon ein, sondern punkten mir einer soliden Argumentation und überzeugen Kunden vor allem emotional. Diese wissen, dass sie, was die Beratung und den Verkauf anbelangt, in guten Händen sind. Das schafft wiederrum die beste Ausgangsbasis für eine langfristige begeisternde Kundenbeziehung.

Über den Autor

Gerhard Reichel

Gerhard Reichel Gerhard Reichel ist Geschäftsführer des "Institut für Rhetorik" und bietet Trainings für Rhetorik, Dialektik, Schlagfertigkeit und erfolgreich Verhandeln.
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