Wieso Mittelstand und Banken von Fintechs profitieren
Hierzulande begegnen mittelständische Unternehmen und Banken den Fintechs noch oft genug mit Skepsis oder Unkenntnis. Dabei können digitale Finanzdienstleister für beide ein hilfreicher Partner sein. Denn diese sind schnell, flexibel und helfen in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben.
„Fintechs, was soll das eigentlich sein?“ Diese Frage stellt sich wohl manches kleinere Unternehmen in Deutschland. Laut einer Befragung der 2018 gegründeten Fintech-Initiative unter insgesamt 100 deutschen Mittelständlern kennen zwei von drei Unternehmern schlicht keine Fintechs oder können gar mit dem Begriff selbst nichts anfangen. Und nur knapp die Hälfte derer, die Fintech-Firmen kennen, haben schon einmal mit einem digitalen Finanzdienstleister kooperiert.
Was die Befragung aber auch zeigte: Fast alle Unternehmer, die schon einmal mit Fintechs gearbeitet haben, würden es wieder tun. Und die, die noch keine Erfahrung damit haben? Hier können sich 85 Prozent vorstellen, mit den neuen Playern auf dem Finanzierungsmarkt zusammenzuarbeiten. Dies zeigt: Interesse und Bereitschaft sind sehr wohl vorhanden. Was fehlt, sind Aufklärung, Verständnis und praktische Erfahrungen.
Fintechs haben den Bedarf erkannt
Wie in vielen anderen Bereichen, ist die Digitalisierung auch in puncto Finanzierung ein wesentlicher Treiber. Und das hat die Fintech-Unternehmen auf den Plan gerufen. Sie nutzen die Möglichkeiten des digitalen Wandels, um neue Produkte, Modelle und Dienstleistungen im Finanzsektor anzubieten. Cloud Computing, Plattformlösungen und andere moderne Technologien, die von Banken nur wenig oder gar nicht genutzt werden, sind ihre Werkzeuge. Dadurch entstehen ständig neue alternative Kreditmodelle und flexible Lösungen. Diese ergänzen den klassischen Bankkredit im Unternehmensbereich immer mehr.
Fintechs – das Ende der Banken?
Nach einer Studie von Prof. Dr. Mark Mietzner von der Zeppelin Universität Friedrichshafen ist die Bank immer noch der wichtigste Finanzier für mittelständische Unternehmen. Hier lägen weiterhin 36 Prozent ihrer Verbindlichkeiten. Außerdem belaufe sich das hochgerechnete Volumen der Kredite auch 2016 immer noch auf 490 Milliarden Euro. Es lässt sich also keineswegs von einem Ende der Banken sprechen.
Allerdings zeigt die Studie auch einen eindeutigen Trend: Der Anteil der Bankkredite von Mittelständlern sank im Zeitraum 1997 bis 2015 von 36,8 auf 22,6 Prozent, liegt seit 2013 sogar in Summe hinter dem Eigenkapitalanteil. Und das, obwohl laut der Analyse die Banken immer stärker von besicherten Krediten abrückten und höhere Risiken eingingen. Das lässt sich als Versuch der etablierten Kredithäuser interpretieren, sich den Bedürfnissen der Mittelständler anzupassen.
Was können Fintechs für mittelständische Unternehmen leisten?
Es ist jedoch fraglich, ob Banken allein mit Risikobereitschaft an die Schnelligkeit von Fintech-Dienstleistern heranreichen können. Denn es sind eher die schlanken Abläufe und geringen Prozesskosten der digitalen Finanzierer, die sie grundlegend von den Bankhäusern unterscheiden. Und genau das macht Fintechs für den Mittelstand so reizvoll. Denn bei schnellem und kurzfristigem Finanzierungsbedarf, zum Beispiel im saisonalen Geschäft, muss alles mit Highspeed ablaufen. Die digitalen Prüfsysteme der Fintech-Unternehmen erlauben hier eine effektive und schnelle Entscheidung über die Finanzierung. Damit werden Fintechs zu zusätzlichen und flexiblen Partnern, die helfen können, Investitionen möglichst schnell zu stemmen.
Die Mischung machtʼs: Fintech meets klassische Bank
Das etablierte Bankhaus ist aber deswegen längst noch kein Auslaufmodell. Gerade bei lang geplanten Investitionen und besicherten Krediten spielen die Geldinstitute weiterhin eine wichtige Rolle. Auch, weil viele kleinere Unternehmen höhere Sicherheiten und längere Laufzeiten zwischen 36 und 60 Monaten bevorzugen. Letztendlich geht es gar nicht um die Frage: Fintech oder klassische Bank? Vielmehr kommt es heute auf einen vielseitigen Finanzierungsmix im Sinne einer größeren Unabhängigkeit an. Und der schließt neben Haus- und Geschäftsbank sowie Eigenkapital auch alternative Finanzierungsmöglichkeiten wie Factoring, Beteiligungen oder kurzfristige Kredite durch Fintech-Dienstleister mit ein.
So haben einige Mittelständler die Gelegenheit bereits erkannt und sich von eingleisigen Finanzierungsmethoden verabschiedet. Sie haben den Markt, ihr Branchenumfeld und ihren Bedarf genau beobachtet und sich finanziell entsprechend flexibel aufgestellt. Denn die heutigen, globalisierten Märkte erfordern ein unmittelbares Reaktionsvermögen. Und das wiederum erfordert leicht und schnell verfügbares Kapital.
Fintech: eine Chance für Banken
Financial Technology ist eine sinnvolle Unterstützung für das klassische Bankwesen – das wird immer offensichtlicher. Denn die etablierten Finanzinstitutionen stehen unter Druck: Gesetzliche Regulierungen werden stetig verschärft. Bankinterne Prozesse werden immer komplexer, Bearbeitungen verzögern sich, Kosten steigen. Immer mehr Unternehmen nutzen deshalb zunehmend auch andere Finanzierungsmöglichkeiten.
Zwar seien die Geldhäuser immer noch das wichtigste Finanzierungsinstrument von KMUs, doch ihre Bedeutung sinke kontinuierlich. Aus diesem Grund sollten sich Banken nach Prof. Mietzners Ansicht den Fintechs hin öffnen. Ein ernstzunehmender Rat. Denn ist die anfängliche Scheu überwunden, können klassische Geldinstitute von einer Partnerschaft nachhaltig profitieren:
- Ihre Effektivität kann gesteigert, Grenzkosten können gesenkt werden.
- Innovative Technologie kann bei geringem Eigenaufwand übernommen werden.
- Neue Leistungen und Finanzierungsmodelle können angeboten werden.
- Ihr Geschäftsmodell bleibt konkurrenz- und zukunftsfähig.
Fintech und Co. – ein Ausblick
Möchte man eine Prognose für die zukünftige Finanzierungsstruktur in den Unternehmen wagen, so geht diese in Richtung immer stärkerer Diversifizierung. Neben den steigenden Eigenkapitalanteilen und den rückläufigen klassischen Krediten wird es wohl eine immer größere Nachfrage nach alternativen Finanzierungen geben – gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen. Factoring und unbesicherte, schnelle Kredite werden deshalb in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Hinzu kommen Themen wie Leasing, Mezzanine-Kapital und Pay-per-use bei Mobilien. So wird die Finanzierung letztlich immer individueller und progressiver – angepasst an die Entwicklung des jeweiligen mittelständischen Unternehmens.
Doch vorher: Überzeugungsarbeit im Namen der Fintechs
Bis allerdings auch kleinere Unternehmen ohne Vorbehalte und mit bestem Wissen auf Fintech-Angebote zugreifen, ist es noch ein gutes Stück Weg. Diesen möchte die 2018 ins Leben gerufene Fintech-Initiative mit den Unternehmen gemeinsam gehen. Der Verbund hat sich das Ziel gesetzt, aufzuklären und Vertrauen zu schaffen. Workshops, Info-Veranstaltungen und ein Fintech-Kompetenzzentrum sind geplant. Dies sind wichtige und richtige Schritte, gerade wenn man die eingangs erwähnte Befragung unter Mittelständlern bedenkt. Es braucht einen solchen Ansprechpartner, um Überzeugungsarbeit zu leisten. Das Beste an der Initiative: Sie ist offen für alle. Vom Partner aus der Fintech-Branche über die Bank und den Unternehmensberater bis hin zu den Unternehmen selbst mit ihren Erfahrungen in der digitalen Finanzierung – jeder kann mithelfen, die künftige Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands sicherzustellen.
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