Wie Sie erfolgreich Teams entwickeln
In den meisten Unternehmen ist heute Teamarbeit betriebliche Realität – zumindest in der Mehrzahl der Bereiche. Das spiegelt sich im Design moderner Teamentwicklungsmaßnahmen wider. Sie zielen heute zumeist darauf ab, die Leistung bestehender Teams zu optimieren.
„Die Arbeitsstrukturen und -beziehungen in den Unternehmen haben sich die zurückliegenden Jahren verändert“, sagt Rainer Flake. Neben der Projektarbeit sei heute auch die Teamarbeit in weiten Teilen der Unternehmen „gängige Praxis“, betont der Geschäftsführer der WSFB-Beratergruppe Wiesbaden. Und dies wirke sich auch auf die Zielsetzungen und Designs der Teamentwicklungsmaßnahmen aus. Eher selten würden Trainingsanbieter heute noch mit Anfragen konfrontiert, bei denen der Auftrag laute: Aus einer Gruppe von Einzelkämpfern soll ein Team formiert werden. Statt dessen laute der Auftrag meist, die Performance bestehender Teams solle gesteigert werden.
Die Teams, die heute an Trainingsmaßnahmen teilnehmen, haben also häufig bereits – geht man von den vier Stufen der Teamentwicklung „Forming“, „Storming“, „Norming“, „Performing“ aus – die ersten zwei, drei Stufen durchlaufen. „Es klemmt aber noch beim Performing“, erklärt Hubert Hölzl, Führungskräftetrainer und Teamentwickler aus Lindau. Das heißt, der gemeinsame Output stimmt noch nicht. Und das Team entfaltet noch nicht die gewünschte Wirkung.
Die Wirksamkeit des Teams erhöhen
Die Ursachen hierfür können vielfältig sein. Zum Beispiel, dass das Team beim „Norming“ – als es unter anderem die Regeln für die Zusammenarbeit definierte – gewisse Dinge vergaß. Oder dass die Arbeitsbedingungen und -anforderungen sich so stark verändert haben, dass die einmal getroffenen Vereinbarungen nicht mehr zeitgemäß und tragfähig sind. Oder dass ein, zwei Neue ins Team kamen, die andere Werte und Vorstellungen von der Zusammenarbeit haben – was zu Reibungen, sprich Effizienzverlusten führt. In all diesen Fällen geht es nicht um ein klassisches „Teambuilding“ – das heißt das Neuformieren eines Teams. Vielmehr soll die Zusammenarbeit verbessert und die Wirksamkeit erhöht werden – „und zwar ausgehend von den realen Herausforderungen, vor denen das Team beziehungsweise Unternehmen gerade steht“, betont Holger Schlichting, Geschäftsführer des Beratungsunternehmen Praxisfeld in Remscheid.
Das wirkt sich auch auf das Design der Maßnahmen aus. „Völlig out“ als Teambildungs- und -entwicklungsmaßnahmen sind nach Einschätzung aller befragten Experten solche Survivaltrainings, wie sie vor circa einem Jahrzehnt Mode waren. „Einen solchen Schnickschnack können und wollen sich die Unternehmen heute nicht mehr leisten“, betont Stefan Bald, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Sie kommen heute, wenn überhaupt, nur noch im Vertrieb zum Einsatz. „Und dort haben sie zumeist primär eine Incentive-Funktion.“
Neue Instrumente zur Bildung eines erfolgreichen Teams
Auch der High-Ropes-Anlagen-Boom ist abgeebbt. Nur noch selten verbringen Teams einen oder gar zwei Tage in einem Hochseilgarten, konstatiert Holger Schlichting. Das heißt nicht, dass diese Anlagen nicht mehr genutzt werden: Sie werden anders genutzt. Großer Beliebtheit erfreuen sie sich noch, wenn es um das Entwickeln eines „Teamspirits“ geht. So besuchen zum Beispiel Jahr für Jahr alle neuen Azubis der Bausparkasse Schwäbisch Hall im Rahmen ihrer zweiwöchigen Einführung einen Hochseilgarten – „damit in der neuen Gruppe persönliche Beziehungen entstehen und die Berufsstarter auch emotional bei Schwäbisch Hall ankommen“, erklärt Werner Ollechowitz, Bereichsleiter Personal bei der Bausparkasse. Ähnlich ist es bei der Deutschen Bahn. Auch wenn in Unternehmen neue Traineeprogramme starten, ist es durchaus üblich, dass die jungen Männer und Frauen, die den Förderkreisen angehören, gemeinsam einen solchen Parcours besuchen.
Wenn es aber um das Entwickeln oder genauer gesagt Weiterentwickeln von Teams geht, dann setzen die Unternehmen zunehmend auf andere „Instrumente“. So bietet zum Beispiel Festo didactic Teamseminare an, bei denen die Teilnehmer gemeinsam kochen. Und andere Anbieter offerieren Seminare, in denen die Teilnehmer entweder zusammen ein großformatiges Bild malen oder ein Theaterstück einstudieren. Das Ziel hierbei stets: Aus den Verhaltensmustern, die die Teilnehmer beim Lösen der Teamaufgabe zeigten, sollen in der „Reflektionsphase“ zunächst Rückschlüsse auf das Verhalten im Arbeitsalltag gezogen werden. Und in der anschließenden „Transferphase“? In ihr werden Vereinbarungen getroffen, um die Zusammenarbeit zu verbessern und die Performance zu steigern.
Mitarbeiter sind heute selbstkritischer
Als Begründung für diesen „Umweg“ wurde in der Vergangenheit meist genannt: Wenn die Teilnehmer zunächst ihr Verhalten zum Beispiel beim gemeinsamen Bauen eines Iglus oder Lenkdrachens reflektieren, dann nehmen sie, wenn „Knackpunkte“ angesprochen werden, nicht sogleich eine Verteidigungshaltung ein – anders ist dies, wenn unmittelbar ihr Verhalten am Arbeitsplatz thematisiert wird. Zunehmend scheinen die Unternehmen aber nicht mehr bereit zu sein, solche „Umwege“ zu gehen – oder sie erachten diese nicht mehr als nötig. Auch aus folgendem Grund: Die (jungen) Mitarbeiter der Unternehmen heute sind – verallgemeinert und überspitzt formuliert – andere Typen als die Mitarbeiter vor fünfzehn, zwanzig Jahren. Sie sind nicht mehr solche „Betonköpfe“, wie dies die Mitarbeiter früher zum Teil waren. Sie fragen sich auch nicht mehr, wenn sie mit einer neuen Anforderung oder Aufgabe konfrontiert werden, sogleich: Ist das mit meiner Stellenbeschreibung vereinbar? „Die jungen Leute heute sind deutlich teamfähiger und offener für neue Aufgaben, als dies die Mitarbeiter früher waren“, betont Stefan Bald. Doch nicht nur dies. „Sie sind auch kritikfähiger und flexibler in ihrem Verhalten.“
Für die Unternehmen bedeutet dies: Sie müssen weniger Überzeugungsarbeit leisten, wenn es um notwendige Verhaltensänderungen geht. Auch weil die meisten Mitarbeiter heute verinnerlicht haben: Letztlich werden wir sowohl als Individuum, als auch als Team daran gemessen, welchen Beitrag wir zum Erreichen der Unternehmensziele leisten. „Bewusst ist dies heute eigentlich fast allen Mitarbeitern“, betont Rainer Flake. „Unklar ist ihnen zuweilen nur: Was bedeutet dies für unsere Alltagsarbeit? Und wie müssen wir uns verhalten und kooperieren, um die gewünschten Resultate zu erzielen?“
Im Fokus stehen reale Herausforderungen des Teams
An diesem Punkt setzen denn auch fast alle „modernen“ Teamentwicklungsmaßnahmen an. In ihnen wird, zumindest wenn die Teilnehmer bereits Teamerfahrung haben, zumeist darauf verzichtet, beispielsweise durch ein gemeinsames Floß-Bauen ein „künstliches Referenzerlebnis“ zu schaffen, wie Stefan Bald betont. Statt dessen Bearbeiten die Teilnehmer gemeinsam eine Aufgabe oder Herausforderung, vor der sie im Arbeitsalltag tatsächlich stehen. Und danach wird unter Anleitung eines Trainers oder Beraters reflektiert: Wie gingen wir vor? Welche Verhaltensweisen haben wir gezeigt und inwiefern waren diese zielführend? „Und daraus werden konkrete Schlüsse für die künftige Zusammenarbeit gezogen“, betont Hubert Hölzl.
Im Zentrum der Trainings beziehungsweise Teamentwicklungsmaßnahmen stehen also reale Herausforderungen, mit denen die Teams im Arbeitsalltag konfrontiert sind. Dies gilt insbesondere, wenn auf der Top-Ebene von Unternehmen ein High-Performance-Team entwickelt werden soll. Dann muss der externe Berater laut Aussagen von Dr. Kai Dierke, Managing Partner der Top Management-Beratung Dierke Houben Associates, Zürich, gleich zu Beginn ein „glasklares, geschäftsfokussiertes Agenda-Setting“ betreiben. Er muss also zum Beispiel den teilnehmenden Vorständen oder Bereichsleitern sehr deutlich vor Augen führen, worum es in dem Prozess geht – zum Beispiel darum, „dass Ihre Organisation die von den Kapitalgebern vorgegebene Umsatzrendite von 15 Prozent erzielt“. Oder darum, „dass Ihr Unternehmen mehr Innovationskraft entfaltet“. Und hierfür muss auch systematisch „die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Ihren Bereichen deutlich verbessert werden“.
Entwicklungsmaßnahmen für das Team
Ein klares Agenda-Setting betrieb auch Roman Forrer, Geschäftsführer der Satya-Gruppe, Neuheim (CH), als der Vorstand der Bausparkasse Schwäbisch Hall vor circa zweieinhalb Jahren bei ihm anfragte, ob er bereit sei, eine Teamentwicklungsmaßnahme auf der Vorstandsebene durchzuführen. Der Anlass hierfür: Der Finanzdienstleister wollte ein neues Leitbild einführen, und der Vorstand hatte erkannt „Wenn wir von unseren Mitarbeitern Einstellungs- und Verhaltensänderungen erwarten, dann müssen wir bei unserem Verhalten beginnen.“
Forrer sagte auf die Anfrage nicht unmittelbar ja. Vielmehr formulierte er Bedingungen – unter anderem:
- In die Maßnahme müssen auch die beiden Führungsebenen unter dem Vorstand einbezogen werden. Forrers Begründung: Ein Vorstand darf kein Elfenbeinturm-Dasein führen. Er muss in der Organisation Wirkung entfalten. Und dies geschieht weitgehend über die Menschen, mit denen die Vorstandsmitglieder im Alltag am engsten kooperieren – das heißt über die Führungskräfte auf den Ebenen F1 und F2.
- Der Vorstand muss bereit sein, sich auch selbst dem Feedback der Mitglieder der Führungsebene F1 und F2 zu stellen. Forrers Begründung: Wenn der Vorstand wünscht, dass bei Schwäbisch Hall eine von Vertrauen geprägte Feedback-Kultur entsteht, dann müssen auch die Vorstandsmitglieder offen für kritische Rückmeldungen ihrer Kollegen und „Untergebenen“ sein.
Laut Forrer war der Vorstand „vom Wunsch erfüllt‚ etwas zu bewirken“. Deshalb akzeptierte er diese Forderungen. Entsprechend ging es in dem Workshop „zur Sache“, zu dem sich der Unternehmensberater im Februar 2009 mit allen Vorstandsmitgliedern traf. In ihm wurde unter anderem ermittelt, wo und warum zuweilen die Zusammenarbeit im Vorstand hakt. Außerdem wurden Motiv-Struktur-Analysen der Vorstandsmitglieder erstellt. Ermittelt wurde folgendes „Was motiviert die Vorstände und treibt sie an?“ „Welche Denk- und Verhaltensmuster sind bei ihnen überproportional stark ausgeprägt?“ Oder salopp formuliert: Wie „ticken“ sie als Person?
Über ihre Persönlichkeitsprofile tauschten sich die Vorstandsmitglieder anschließend im Kollegenkreis aus, um zu ermitteln, inwieweit gewisse „Reibungsverluste“, die es zuvor zwischen den Vorstandsbereichen gab, ihre Wurzeln eventuell auch in der Persönlichkeit der Vorstände haben. Danach vereinbarten sie Regeln für den künftigen Umgang miteinander. Forrer: „Einfach war dieser Prozess für die Vorstände nicht.“
Vorstand stellt sich Feedback der Führungskräfte
Doch damit nicht genug: Im März 2009 fand ein Workshop mit allen Führungskräften der Ebene F1 statt. Dort berichteten die Vorstände laut Forrer „ungeschminkt“ im Plenum von ihrem Workshop: Welche Defizite wurden auf der Vorstandsebene konstatiert? Was sind die Ursachen hierfür? So viel Offenheit überraschte die Führungskräfte nicht nur. Sie zerstreute auch weitgehend die im Vorfeld von einigen Führungskräften geäußerten Bedenken, inwieweit es möglich sei, mit dem Vorstand offen über Defizite im Bereich Führung und Zusammenarbeit zu sprechen. Und restlos zerstreut wurden sie, als die Vorstandsmitglieder ihre Motiv-Struktur-Analysen veröffentlichten und sich dem Feedback der Führungskräfte stellten. Dadurch wurde für die Führungskräfte erfahrbar: Die meinen es ernst. Entsprechend groß war anschließend die Bereitschaft der F1-Führungskräfte auch selbst eine Motiv-Struktur-Analyse zu durchlaufen, „so dass heute auf der Vorstands- und F1-Ebene eine vollständige Transparenz über die Motivstrukturen der Kollegen herrscht“, wie der Bereichsleiter Personal Werner Ollechowitz betont. „Denn jeder kann auf alle Analysen zugreifen.“ Mit diesem Schritt gewann der gesamte Prozess der Leitbildeinführung laut Forrer „weiter „an Drive“.
Funktionsbezogenes Feedback erwünscht
Dass gerade „Top-Executives“ bei der Entwicklung zu einem Hochleistungsteam außer einem klaren „Agenda-Setting“ auch ein deutliches, funktionsbezogenes Feedback „wertschätzen“, diese Erfahrung sammelt Dierke, der vor seiner Beratertätigkeit Mitglied der Konzernleitung der Winterthur Versicherung war, immer wieder. Seine Erklärung hierfür: Gerade die „Top-Executives“ stünden bei ihrer Arbeit permanent vor der Frage, wie sie ihre Wirksamkeit erhöhen können. Zudem hätten sie zumeist die Maxime „no pain, no gain“ – oder umgangssprachlich formuliert „von nichts, kommt nichts“ – verinnerlicht. Deshalb seien sie in der Regel für ein kritisches Feedback besonders offen – selbst wenn dieses zunächst schmerzt.
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