Umstrukturierung: Umbau bei laufendem Betrieb
Um sich für die Zukunft zu wappnen, fusionierte ein Spezialist für Gebäudeautomatisierung zwei Niederlassungen. Dabei sammelte er die Erfahrung: Für das Umstrukturieren von Unternehmen gelten teils andere Regeln als für Bauvorhaben.
Wie sieht das Haus der Zukunft aus, und welche Funktionen sind in die Büros von morgen integriert? Visionen hierzu gibt es viele. Doch welche werden Realität? Das steht vielfach noch in den Sternen. Klar ist aber: Künftig werden die Gebäude technisierter und automatisierter sein – um Energie zu sparen und die Sicherheit sowie den (Wohn- und Bedien-)Komfort zu erhöhen.
Je mehr Technik aber in Wohnanlagen sowie Büro- und Verwaltungsgebäuden steckt, umso komplexer sind die integrierten technischen Systeme. Also ist auch mehr Know-how für deren Installation und Wartung nötig. Deshalb beschloss der Spezialist für Gebäudeautomation HouseTec*, der im deutschsprachigen Raum 800 Mitarbeiter beschäftigt, im Juli 2009, seine beiden Niederlassungen in Köln und Düsseldorf zu fusionieren. „Denn je leistungsfähiger und vernetzter die Gebäudetechnik ist, umso stärker müssen unsere Mitarbeiter als Team agieren. Außerdem müssen die Niederlassungen eine gewisse Soll-Größe haben, damit im Team alle benötigten Kompetenzen vorhanden sind“, erläutert Kai Freyer, Human Resources-Manager in der Schweizer HouseTec-Konzernzentrale.
Fusion und Umzug beschlossen
HouseTec beschloss zudem: Das neue Domizil soll ein Referenzniederlassung sein. Sie soll mit der Automatisierungstechnik ausgestattet sein, die in zukunftsweisenden Büro- und Verwaltungsgebäuden zum Einsatz kommt. Einen weiteren Beschluss fasste die Unternehmensführung: Mit dem Umzug soll ein „Neustart“ unter neuer Leitung verbunden sein. Zum künftigen Leiter der neuen Niederlassung wurde der bisherige Vertriebsleiter der Niederlassung Düsseldorf Claus Hölzl ernannt. Er übernahm im Oktober 2009, noch vor der Fusion der beiden Niederlassungen deren Leitung.
In den Folgewochen wurden die Mitarbeiter in Betriebsversammlungen über das Vorhaben informiert. Dieses löste bei den Mitarbeitern gemischte Gefühle aus. „Aus verständlichen Gründen“, betont Hölzl. Denn den Mitarbeitern war klar: Viele von uns werden nach dem Umzug einen längeren Weg zur Arbeit haben – ein Faktor, der im stau-geplagten Köln-Düsseldorfer Raum durchaus von Bedeutung ist. Den Mitarbeitern war zudem bewusst: In der neuen Niederlassung werden auch die Teams neu strukturiert. Also müssen wir uns an neue Kollegen und Abläufe gewöhnen und manches neu lernen. Dies löste bei einigen Mitarbeitern Unsicherheit aus.
Entsprechend groß war der Druck, der in den Folgemonaten auf Hölzl lastete. Er musste das Umzugsprojekt managen und zugleich versuchen, die Mitarbeiter als Mitstreiter zu gewinnen. Und zudem musste er sicherstellen, dass unter dem Changeprojekt nicht die Alltagsarbeit leidet. Ein Bündel von Herausforderungen, das jeden Manager an den Rande der Belastungsgrenze bringt – insbesondere wenn er seine Position frisch übernommen hat.
Changemanager erhält einen Coach
Das wusste auch die Unternehmensführung. Deshalb schlug HR-Manager Freyer seinem Kollegen Hölzl vor, sich einen Coach zu suchen. Claus Hölzl wählte Stefan Bald von der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, die auch in die Planung des Fusionsprojekts involviert war. Beide trafen sich fortan monatlich, um die Situation zu analysieren und einen Fahrplan für die kommenden Wochen zu entwerfen.
Eine zentrale Frage bei den Treffen war: Welche Prioritäten sollte Hölzl bei seiner Arbeit setzen – in einer Situation, in der er aufgrund der Vielzahl der Aufgaben nicht alle mit der gleichen Qualität erfüllen kann? Diese Frage sich regelmäßig zu stellen, war laut Hölzl wichtig. „Denn wenn viele operative Aufgaben zu erfüllen sind, neigen Führungskräfte dazu, bei Führungsaufgaben zu sagen ‚Das kann ich noch nächste Woche angehen’“. In das Führen der Mitarbeiter wird also wenig Zeit investiert. Dabei wäre dies gerade in Umbruchzeiten wichtig.
Auch folgende Frage stand bei den Treffen regelmäßig auf der Agenda: Wie soll Hölzl auf die Vorbehalte einzelner Mitarbeiter reagieren? Wichtig war für Hölzl sich immer wieder zu vergegenwärtigen: „Es ist normal, dass Mitarbeiter bei solchen Veränderungen zunächst mit Vorbehalten reagieren. Deshalb sollte ich als Führungskraft zwar am Ball bleiben, aber zugleich die nötige Gelassenheit bewahren. Denn die mit solchen Veränderungen verbundenen Verarbeitungsprozesse der Mitarbeiter lassen sich nicht beliebig beschleunigen. Sie dauern ihre Zeit.“
Kulturen werden „harmonisiert“
Durch ein entsprechendes Vorgehen gelang es Hölzl, den Prozess in ein ruhiges Fahrwasser zu führen und die Mitstreiter für das Veränderungsprojekt zu gewinnen. Entsprechend reibungslos verlief im Februar 2010 der Umzug in die neue Niederlassung in einem Gewerbegebiet nahe Köln. Damit trat der Changeprozess in eine neue Phase. Denn plötzlich saßen die Mitarbeiter der beiden bisherigen Niederlassungen in Köln und Düsseldorf im selben Büro. Und plötzlich mussten sie als Team agieren. Und dies, obwohl in den beiden aufgelösten Niederlassungen teils unterschiedliche Kulturen bestanden.
Kulturunterschiede dokumentieren sich meist in Kleinigkeiten – zum Beispiel darin, wie die Post bearbeitet und Unterlagen abgelegt werden. Die Vielzahl der Unterschiede war den Mitarbeitern vor dem Umzug nicht bewusst. Schließlich gibt es bei HouseTec für alle wichtigen Abläufe definierte Referenzprozesse. Diese sind aber, wie bei Verfahrensanleitungen üblich, recht allgemein formuliert. Sie lassen den Niederlassungen und ihren Mitarbeitern viele Gestaltungsfreiräume bei solchen Fragen wie: Wie werden Ordner beschriftet? Oder: Wie werden Kundenanfragen dokumentiert? Also bei (Teil-)Aufgaben, die man laut Berater Bald „ohne Qualitätsverluste so aber auch anders machen kann“. Gerade diese Gepflogenheiten haben für Mitarbeiter aber oft eine hohe Bedeutung, weil sie sich daran gewöhnt haben.
Wie sollen wir damit umgehen? Hierüber hatte Claus Hölzl im Vorfeld mit Stefan Bald gesprochen und entschieden: Die unterschiedlichen Verfahrensweisen und somit Kulturen sollen aufeinander prallen. Denn die einzige Alternative hierzu wäre, den Mitarbeitern sozusagen jeden Handgriff vorzugeben. Eine so detaillierte Beschreibung der Abläufe wäre aber top-down gar nicht möglich gewesen. Zudem hätten viele Mitarbeiter dies als Gängelung empfunden.
Also beschloss Hölzl: Die Mitarbeiter sollen im Alltag selbst die Erfahrung sammeln, dass für sie daraus Mehrarbeit und überflüssiger Stress resultiert, wenn sie gewisse administrative Aufgaben unterschiedlich erledigen. Sie sollen sozusagen selbst zur Einsicht gelangen: Wir müssen uns auf ein Vorgehen verständigen.
Um diesen Prozess zu beschleunigen, engagierte HouseTec ab März 2010 einen Juniorberater von Dr. Kraus & Partner. Er erfasste mit den Mitarbeitern, wie bestimmte Aufgaben bisher in Köln und Düsseldorf gelöst wurden, wo die Vor- und Nachteile des jeweiligen Vorgehens liegen und verständigte sich mit ihnen dann auf ein Verfahren.
Neue Führungsstruktur implementiert
Eingeführt wurde mit dem Umzug in die neue Niederlassung auch eine neue Führungsstruktur. Unter anderem, weil bei HouseTec die Erkenntnis wuchs: Eine Führungsspanne von 70 Mitarbeiter ist zu groß – insbesondere wenn nur die Hälfte dieser Mitarbeiter in der neuen Niederlassung nahe Köln arbeiten und der Rest sozusagen dezentral in den acht Vertriebsgebieten der Region. Eingeführt wurde eine Matrixorganisation. Das heißt, unter Claus Hölzl, dem Niederlassungsleiter, wurde mit einem technischen Leiter, einem Leiter Vertrieb sowie einem Leiter Kundendienst eine zweite Führungsebene eingeführt. Dabei gilt jedoch: Jede Führungskraft leitet zugleich ein Vertriebsgebiet – auch Hölzl.
Mit den Führungskräften der acht Vertriebsgebiete fand Ende Juni 2010 ein zweitägiger Workshop statt. Dort verständigten sich die Führungskräfte darüber, welche Aufgaben und Kompetenzen die funktionalen Vorgesetzten, die Teamleiter und die Leiter der Vertriebsgebiete haben. Sie einigten
sich zudem auf gemeinsame Grundsätze für ihre Führungsarbeit. Entsprechende Workshops fanden auch mit den Kundendienst- und den Innendienstmitarbeitern statt.
Das Teamverständnis gezielt entwickelt
Im Juli folgte ein zweitägiges Team-Event, an dem alle 70 Mitarbeiter der Vertriebsregion teilnahmen. Bei ihm sollten sich die Mitarbeiter auch persönlich näher kommen. Entsprechend war das Event konzipiert. Am ersten Tag machten die Mitarbeiter unter anderem vertrauensbildende Outdoorübungen. Außerdem stellten sie mittels kleiner Theaterstücke typische Szenen aus dem HouseTec-Alltag dar. Zudem trieben sie gemeinsam Sport und grillten.
Am zweiten Tag fragten sich die Mitarbeiter: Welche unserer Erfahrungen aus den vergangenen Monaten und Jahren wollen wir in die gemeinsame Zukunft mitnehmen? Und gemeinsam malten sie ein Bild vom künftigen Teamalltag in der Vertriebsregion. „Dieses Event forcierte bei den Mitarbeitern das Empfinden ‚Wir sind ein Team’“, berichtet Hölzl. „Auch weil sich die Mitarbeiter mal außerhalb der Arbeit begegneten und dabei spürten: ‚Der Müller aus Düsseldorf …’ und ‚Die Mayer aus Köln ist okay’. Das Denken „Wir, ehemalige Düsseldorfer“ und „Wir, ehemalige Kölner“ wurde überwunden. An seine Stelle trat ein Gemeinschaftsgefühl.
Im September 2010 wurde die neue Niederlassung mit einer Kundenveranstaltung zum Thema Gebäudeautomation offiziell eröffnet. Dort erklärten unter anderem Umweltschutzexperten, warum „die drei großen ‚E’ – ‚Energieeinsparung’, ‚Energieeffizienz’ und ‚erneuerbare Energien’ – aufgrund des Klimawandels eine immer größere Bedeutung gewinnen; des Weiteren, dass zum Kampf dagegen, technische Systeme, die einen intelligenten Umgang mit Energie ermöglichen, genötigt werden.“ Entsprechend zuversichtlich blickt die neue HouseTec-Niederlassung in die Zukunft – auch weil mit der Fusion die Voraussetzungen geschaffen wurden, um diese Chancen zu nutzen.
Fazit: Die Fusion war kein „Zuckerschlecken“
Dieses Ziel zu erreichen, war „kein Zuckerschlecken“, gesteht Claus Hölzl im Rückblick. „Es war ein hartes Stück Arbeit – für alle Beteiligten. Auch weil uns als eher technisches Unternehmen im Vorfeld nicht ausreichend bewusst war, dass man solche kulturverändernden Projekte wie die Fusion zweier Niederlassungen anders planen und gestalten muss als Bauvorhaben.“ Unterschätzt wurde auch die Mehrbelastung, die daraus resultiert, wenn ein solcher Umbau bei laufendem Betrieb erfolgt. „Das ist kein Job, den eine Führungskraft einfach so nebenbei erledigt kann“, betont HR-Manager Freyer. „Hierfür ist bei solchen Changeprojekten zu viel Führungsarbeit gefragt.“ Deshalb brauchen die Changeverantwortlichen eine professionelle Unterstützung – so wie dies bei Claus Hölzl der Fall war.
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