Wie Unternehmen die Problemlöse-Kompetenz erhöhen
Unternehmensführung

Wie Unternehmen die Problemlöse-Kompetenz erhöhen

Dr. Daniela Kudernatsch
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Wir wollen schneller und flexibler auf Marktveränderungen reagieren - das betonen viele Unternehmen. Hierfür benötigen sie Mitarbeiter, die Probleme eigenständig erkennen und lösen können und Verbesserungschancen aktiv nutzen. Sonst gelingt der Aufbau der gewünschten Kultur nicht.

Um schneller und flexibler auf Marktveränderungen reagieren zu können, übertragen viele Unternehmen immer mehr Handlungs- und Entscheidungsbefugnisse auf die Mitarbeiter in der operativen Ebene. Diese Befugnisse können die Mitarbeiter jedoch nur aktiv und effektiv nutzen, wenn sie in der Lage sind, eigenständig:

  • Probleme zu erkennen und zu lösen sowie
  • Verbesserungschancen zu erkennen und zu nutzen.

Diese Kompetenz gilt es den Mitarbeitern zu vermitteln.

Zudem benötigen die Mitarbeiter und Führungskräfte auf der operativen Ebene einfach zu handhabende Werkzeuge, um parallel zum Tagesgeschäft die angestrebten Veränderungen und Verbesserungen zu realisieren. Ein solches Instrument ist der A3-Report.

Die Problemlöse-Kompetenz erhöhen

Der A3-Report geht auf den Wirtschaftsingenieur Joseph M. Juran zurück. Er empfahl vor circa 60 Jahren japanischen Topmanagern, Problemlösungen, Entscheidungsgrundlagen und Strategien aus Gründen der Übersichtlichkeit auf einem Blatt Papier darzustellen. Toyota folgte diesem Rat und wählte hierfür Papier im DIN-A3-Format.

Der A3-Report gibt den Mitarbeitern eine Schablone an die Hand, welche Analyse- und Handlungsschritte beim Lösen eines Problems zu durchschreiten sind. Außerdem stößt das Arbeiten mit ihm bei ihnen einen Lernprozess an, der zu einem tieferen Verständnis der Probleme führt und ihnen die Kompetenz vermittelt, nachhaltige Lösungen zu entwerfen und zu realisieren.

Der A3-Report basiert auf dem aus dem Lean Management bekannten PDCA-Zyklus, demzufolge jedes Problem zugleich eine Verbesserungschance ist. Der PDCA-Zyklus besteht aus vier Phasen.

Phase 1: Plan. In ihr werden das Problem und der Ist-Zustand beschrieben sowie die (Kern-)Ursachen des Problems analysiert. Außerdem wird der Ziel-Zustand formuliert. Zudem werden Messgrößen für das Erreichen des Ziel-Zustands definiert.

Phase 2: Do. In ihr werden die Maßnahmen zum Erreichen des Ziel-Zustands fixiert.

Phase 3: Check. In ihr wird die Wirksamkeit der Maßnahmen kontrolliert, so dass diese bei Bedarf nachjustiert werden können.

Phase 4: Act. In ihr werden die im Prozess der Problemlösung gesammelten Erfahrungen evaluiert und hieraus Standards für das künftige Vorgehen ableitet, die als Basis für weitere Verbesserungen dienen.

Aufbau eines A3-Reports

Diese vier Phasen findet man im A3-Report wieder. Das Formblatt, das als Grundlage für die Arbeit mit ihm dient, enthält Textfelder für die sieben Analyse- und Arbeitsschritte, die es beim Probleme-lösen zu durchlaufen gilt. Die ersten vier auf der linken Seite des Formblatts beziehen sich auf die Plan-Phase des PDCA-Zyklus. Die rechte Seite spiegelt die Do-, Check-, Act-Phase wider (siehe Abbildung 1).

Quelle: KUDERNATSCH Consulting & Solutions, München

Über jedem A3-Report steht ein Titel. Er benennt das zu lösende Problem. Danach folgen die sieben Analyse- und Arbeitsschritte, die es beim Lösen des Problems und Implementieren eines neuen Standards zu durchschreiten gilt.

  1. Hintergrund: Hier sollte das Problem so beschrieben werden, dass alle involvierten Personen das Problem und dessen Auswirkungen sowie
    die Relevanz einer Problemlösung für das Erreichen der Unternehmensziele verstehen.
  2. Aktuelle Situation: Hier wird beschrieben, was tatsächlich passiert. Zudem gilt es, „am Ort des Geschehens“ zu analysieren, was die Betroffenen abhält, den Soll-Zustand zu erreichen. Der Ist-Zustand sollte möglichst plastisch dargestellt werden. Außerdem gilt es, bei den Report-Nutzern ein faktenbasiertes Verständnis des Problems zu erzeugen – zum Beispiel mittels Grafiken und Tabellen.
  3. Ziel-Zustand: Der Ziel-Zustand muss genau spezifiziert werden – auch weil ein Rückwärtsdenken vom angestrebten Ziel in der Regel zu besseren Lösungen führt als eine Lösungssuche ohne definiertes Ziel. Die Beteiligten sollten sich auch fragen: Wie messen wir, ob unsere Verbesserungsinitiativen erfolgreich waren? Und: Welche Basis (zum Beispiel Kennzahl) nutzen wir als Vergleich?
  4. Ursachenanalyse: Nun geht es darum, Ansatzpunkte für wirksame Maßnahmen zu erkennen. Dabei hilft ein Ishikawa-Diagramm, mit dem die möglichen Problem-Ursachen gesammelt werden können. Ziel ist es, die Faktoren zu ermitteln, die einen direkten Einfluss auf das Problem haben.
  5. Gegenmaßnahmen: Hier werden die Maßnahmen aufgelistet, mit denen das System bzw. die Leistung verbessert werden sollen. Wichtig ist es, beim Auflisten der Gegenmaßnahmen klar zu benennen: „Was“ ist das (Teil-)Problem, das durch die Maßnahme gelöst werden soll, „wie“ wird es gelöst, „wer“ ist für die Maßnahme verantwortlich, „wann“ wird sie ausgeführt und „wo“ wird sie durchführt?
  6. Erfolgswirkung: In diesem Schritt wird überprüft, ob die Gegenmaßnahmen zum geplanten Ergebnis führten. Zudem werden bei einer Zielabweichung die Gründe hierfür benannt. Die erzielte Wirkung wird dabei quantifiziert, wobei eine graphische Darstellung (Vorher-Nachher-Vergleich) die Verständlichkeit erleichtert.
  7. Standardisierung und Follow-up: Beim Follow-up wird der Gesamtprozess evaluiert. Zudem wird reflektiert, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die erreichten Verbesserungen zu sichern und weiter voranzutreiben. Folgende Fragen gilt es nun unter anderem zu beantworten:
  • Was muss getan werden, um das Erreichte dauerhaft zu sichern?
  • Auf welche anderen Aufgaben/Probleme können wir unsere Erfahrungen übertragen?
  • Wen sollten wir über unsere Erfahrungen informieren, damit auch andere Bereiche/Teams hiervon profitieren?

Führungskräfte in Unternehmen werden Lernbegleiter

Die Arbeit mit dem A3-Report erfordert von allen Beteiligten spezielle Fähigkeiten – speziell den Führungskräften. Sie müssen sich intensiver mit den wertschöpfenden Prozessen und sich (auch) als Lernbegleiter ihrer Mitarbeiter verstehen.

Ein solches Selbstverständnis haben viele Führungskräfte in den Unternehmen noch nicht entwickelt. Es ist jedoch zum Steigern der Agilität von Unternehmen und zum Aufbau einer Kultur der kontinuierlichen Verbesserung (KVP-Kultur) in ihnen unverzichtbar. Deshalb feilen zurzeit viele Bauunternehmen an neuen Personal- und Führungskräfteentwicklungskonzepten. Dabei orientieren sie sich meist am Lean Leadership-Development-Modell.

Dieses unterscheidet in der Kompetenzentwicklung von Führungskräften vier Stufen:

Stufe 1: Sich als Führungskraft selbst entwickeln. Dahinter steckt die Annahme, dass künftig eine Kernkompetenz von Führungskräften ist, das eigene Verhalten und Wirken zu reflektieren und die eigene Performance systematisch zu erhöhen.

Stufe 2: Andere Menschen coachen und entwickeln. Die zweite Kompetenz-Stufe besteht in der Fähigkeit, als Führungskraft andere Personen so zu entwickeln, dass diese ihrerseits die Kompetenz erwerben, ihr Verhalten und ihr Wirken zu reflektieren und eigene Lernprozesse zu initiieren.

Stufe 3: Das tägliche Sich-Verbessern (Kaizen) unterstützen. Hier geht es darum, Gruppen von Mitarbeitern (Teams, Abteilungen) in eine Richtung auszurichten und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu sichern.

Stufe 4: Eine Vision schaffen und die Ziele abstimmen. In die letzte Entwicklungsstufe sind idealerweise alle Führungskräfte eingebunden. Nun geht es darum, das „Silo-Denken“ zu überwinden und alle Aktivitäten in der Organisation so aufeinander abzustimmen, dass die Unternehmensziele erreicht werden.

Die Innovationskraft der Organisation erhöhen

Von einer Führungskräfteentwicklung, die sich an diesem Kompetenz-Modell orientiert, versprechen sich die Unternehmen, dass sich die Agilität und Innovationskraft ihrer Organisation erhöht; außerdem, dass sie sukzessiv zu einer Entlastung der Führungskräfte führt. Denn je mehr Kompetenz und Routine ihre Mitarbeiter im eigenständigen Lösen von Problemen haben, umso komplexere Aufgaben können sie ihnen übertragen und umso seltener sind sie als „Trouble-Shooter“ gefragt.

Foto/Thumbnail: ©Rawpixel/Depositphotos.com

Über den Autor

Dr. Daniela Kudernatsch

Dr. Daniela Kudernatsch Dr. Daniela Kudernatsch ist Inhaberin der Unternehmensberatung KUDERNATSCH Consulting & Solutions, Straßlach bei München, die Unternehmen bei der Strategieumsetzung unterstützt. Die promovierte Betriebswirtin ist ausgebildete OKR-Masterin. Sie ist unter anderem Autorin des Buch „Hoshin Kanri – Unternehmensweite Strategieumsetzung mit Lean-Management-Tools“. www.kudernatsch.com
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