Was Unternehmen vom Olympiasieger über agiles Führen lernen können
Wie funktioniert agiles Führen? Der Bob-Weltmeister Francesco Friedrich macht es vor. Die Bedingungen, um in Führung zu gehen, sind keine feste Konstante, auf die man bequem bauen kann. Ganz im Gegenteil, das haben auch die Läufe dieses Mal gezeigt.
Fehler machen und sich eingestehen, hieß es in Lauf 1 und 2, um dann aber mit umso größerem Selbstbewusstsein in Lauf 3 und 4 zu gehen. Genau darin liegt für den Bob-Weltmeister die Herausforderung. Grundsätzlich mental fit zu sein, um sich möglichst agil auf die unterschiedlichsten Voraussetzungen im Rennen einzustellen, das Führen beherrschen und gleich mehrfach zu siegen. Machen sich Unternehmen diese Grundhaltung zu Eigen und zu Nutze, lassen sich permanente Herausforderungen in der Führung besser meistern.
Eine Bobfahrt, die ist lustig …
… eine Bobfahrt, die ist schön! Ganz sicher, wenn sie von Erfolg oder gar erstmals mit der Goldmedaille gekrönt wird. Auch in Unternehmen geht es bei Projekten häufig im übertragenen Sinne mit Schwung in den Eiskanal, in der Planungsphase wird Geschwindigkeit aufgenommen und in der Umsetzung steuert ein Team sozusagen Kurve für Kurve dem Ziel entgegen. Im Sport wie im Business gilt: Wer aus dem Rennen um Medaillen, Aufträge oder das Projektziel als Gewinner hervorgehen will, wird nichts dem Zufall überlassen.
Agiles Führen
In VUCA-Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung sind viele Unternehmen auf kurzfristige Ergebnisse fixiert – messbar in harten Fakten und Kennzahlen. Für den langfristigen Erfolg jedoch müssen verstärkt Werte, Kultur und die Mitarbeiter in den Fokus von Führungskräften rücken. Agiles Führen bedeutet, immer wieder aufs Neue verschiedene Bedingungen einzubeziehen und auszuloten, neu zu bewerten und neu zu agieren. So wie es für Francesco Friedrich selbstverständlich ist. Jede Bahn wartet mit anderen Bedingungen auf. Der Wechsel vom Zweier- auf den Viererbob will gemeistert werden. Im Team steht Flexibilität an allererster Stelle.
Präsenz und Training
Viele Führungssituationen – ob im Bob bei Francesco Friedrich oder in Unternehmen – sind von entgegengesetzten Erwartungen geprägt. Sich in diesen Spannungsfeldern zu positionieren, macht die Souveränität in der Führungsrolle aus. Führung heißt sowohl Navigieren als auch Hürden überwinden und Entscheidungen treffen. Nur mit permanenter Präsenz und kontinuierlichem Training kann dies gelingen. Nicht anders als im Leistungssport. Dazu der Bobpilot: „Werden Entscheidungen im Sinne des Teams getroffen, sind sie auch abgesichert. Im Rennen müssen wir uns im wörtlichen Sinne blind aufeinander verlassen können.“
Leidenschaft und Disziplin
Francesco Friedrich hat lernen müssen, dass sein früher Sieg als jüngster Bob-Weltmeister keine Garantie für den anhaltenden Erfolg war. Doch hat er das Tief von Sotschi als Herausforderung angenommen und mit viel Durchhaltevermögen und Disziplin bewiesen, dass er „Weltmeister kann“. „Steuern und anschieben ist ebenso wichtig wie das Team auf Kurs zu halten und Leistungsdruck auszuhalten“, so Friedrich. Mit starken Händen und Feingefühl hat er so professionell die Basis für den langfristigen Fortschritt geschaffen.
Was sich Manager vom Bob-Weltmeister abschauen können:
1. Mentale Vorbereitung
Rituale helfen den Sportlern dabei, als wahres Team an den Start zu gehen und sich bereits gemeinsam mental auf den Sieg einzustellen. Wie lautet Ihr „Schlachtruf“? Haben Sie ein Signal der Gemeinsamkeit? Ein Lied, das Abklatschen, ein Handschlag – so identifizieren sich alle mit der Vision, mit dem Ziel.
2. Kommando zählen 1, 2, 3…… go
Zwei-, dreimal ziehen die Bobfahrer ihren Schlitten auf dem Eis leicht nach vorne und hinten, bevor das Signal zum Start ertönt. Wie schwingen Sie sich ein? Einen Takt vorzugeben hilft dabei, Gleichklang herzustellen. Dann sprechen nach innen und außen alle die gleiche Sprache – eine optimale Voraussetzung für den Sieg.
3. Anschubphase
Der Start muss stimmen. Mit dem Bob geht es in wenigen Sekunden von Null auf Hundert… Nehmen Sie gleich Fahrt auf? Oder zögern Sie und brauchen oft unnötig lange, um bei einem neuen Projekt auf Touren zu kommen? Auch wenn zu Beginn die größte Kraftanstrengung notwendig ist, in der Anschubphase gilt es, andere mitzureißen, sie zu begeistern. Eine kleine Ursache „zu langsam“ hat hier oft eine große Wirkung.
4. Einsteigen, Reihenfolge
Pilot, Anschieber oder Bremser. Alle wissen, wer in welcher Reihenfolge in den Bob springt. Präzision ist gefragt. Ein Schritt zu früh oder zu spät, und das Potential wird nicht ausgenutzt. Kennt auch in Ihrem Team jeder seine Position und Funktion?
5. Beschleunigung
Nimmt der Bob fahrt auf, müssen sich alle möglichst klein machen können. Bis auf den Piloten, der lenkt, ducken sich alle Köpfe nach unten. Es herrscht blindes Vertrauen, dass der Pilot weiß, wie das Führen aussehen soll. Jeder macht seinen Job. Ist sich in Ihrem Team auch jeder seiner Wichtigkeit bewusst? Wird gleichzeitig die Fähigkeit gefördert, bei Bedarf auch mal „unterzutauchen“.
6. Teilabschnitte
Auf der Bobbahn zeigen Zwischenzeiten den Rennverlauf an. Das Team bzw. der Pilot erkennen, ob sie gut unterwegs sind. Nutzen Sie Zwischenziele als Erfolgskontrolle? Nur wenn ein Team weiß, ob es bei festgelegten Schritten in der Zeit ist und entsprechend seinem Plan vorwärtskommt, kann es notfalls auch die Strategie verändern.
7. Kurven
Spektakulär rauscht der Bob in die eine oder andere Kurve, wird hoch hinausgetragen. Scheinbar mühelos, ja fast elegant bewegt sich der schwere Bob durch den Eiskanal auf Ideallinie. Manchmal geht es eher ruckelig vorwärts, der Bob schlängt mal hier, mal da an, kommt vielleicht sogar ins Trudeln. Auch in Unternehmen ist der kürzeste Weg nicht immer der schnellste. Dann heißt es, Kurven optimal auszufahren, um die richtige Linie zu finden und den Druck aushalten zu können, wenn kritische Phasen entstehen sowie Richtungsänderungen gekonnt anzugehen.
8. Zielgerade
Oft entscheidet die Zielgerade über Erfolg oder Niederlage. Nur wer es schafft, bis zum Schluss die Konzentration hochzuhalten und auch auf der letzten Etappe noch alles gibt, wird belohnt. Wie schaffen Sie den Spagat? Lernen Sie im Team, die Vorfreude noch für einige Meter „einzufrieren“, um kurz vor dem Ziel wirklich noch einmal alles zu geben.
9. Zieldurchfahrt
In dem Moment, wenn das Ziel erreicht ist, fallen augenblicklich Druck und Anspannung ab. Ausatmen, das Gefühl, angekommen zu sein, das Rennen gemeinsam gemeistert zu haben. Kennen Sie Ihre Messpunkte? Wann reißen Sie Ihre Arme hoch und genießen den tobenden Applaus des Publikums? Gemeinsam Erfolge zu genießen, unterscheidet Gewinner von Siegern.
10. Bremsen
Die große Kunst besteht darin, genau im richtigen Moment zu bremsen. Was beim Bobfahren selbstverständlich ist, verursacht im Unternehmen mitunter große Probleme. Ohne anzuhalten, geht es von einem Projekt ins nächste über. Dann heißt es, immer wieder und ganz bewusst, Geschwindigkeit zurückzunehmen, um nicht über das Ziel hinauszuschießen.
Im Sport tut sich oft sehr viel in einer Saison. Auch in Unternehmen müssen sich Mitarbeiter durch wechselnde Projektteams immer öfter und schneller auf neue Chefs und ihr Führen einstellen (und umgekehrt). Nicht immer sind die Rahmenbedingungen ideal. Entscheidend ist nur, wie wir diese einordnen, wie wir damit umgehen und ob wir – so wie Francesco Friedrich – letztendlich daran wachsen und wie er die Goldmedaille holen.
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