Rolle des mittleren Managements in Unternehmen hat sich verändert
Die hohe Marktvolatilität führt bei 84 Prozent der Unternehmen zu grundlegenden Veränderungen in den Prozessen, Digitalisierung (81 Prozent) und Innovation (78 Prozent) - das stellt neue Anforderungen an das mittlere Management. 50 Prozent der Unternehmen sagen, dass sich die Rolle der mittleren Führungskraft verändert hat.
56 Prozent aus dem mittleren Management können gut mit dem vorhandenen Druck umgehen, 44 Prozent fühlen sich sehr belastet oder überlastet. Das ist das Ergebnis der Untersuchung „Führungsbarometer 2017“ des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Change-Beratung Penning Consulting.
„Seit einiger Zeit sprechen Experten vom permanenten Change“, sagt Stephan Penning, Geschäftsführer und Studienleiter bei Penning Consulting. „Die Erhebung von Forsa in unserem Auftrag bestätigt die so genannte ‚Ambidextrie‘, das heißt die ständige Gleichzeitigkeit von Alltags- und Projektgeschäft. Das ist aufgrund der hohen Volatilität der Märkte notwendig.“
Was der permanente Change in den Unternehmen konkret bedeutet, wird in der Forsa-Studie schnell deutlich: 88 Prozent der befragten Unternehmen haben in den letzten drei Jahren mindestens ein größeres Transformations- bzw. Veränderungsprojekte durchgeführt, 56 Prozent mehr als sechs, 34 Prozent mehr als elf und 8 Prozent sogar mehr als 51 Projekte. Schwerpunkte bilden dabei Projekte, die sich mit Prozessen (84 Prozent), Digitalisierung (81 Prozent) und Innovation (78 Prozent) befassen.
Mittelmanager mit neuem Rollenverständnis können mit Belastung besser umgehen
Stephan Penning sagt: „Um dieser Projektverdichtung begegnen zu können, haben viele Unternehmen die Positionierung des mittleren Managements neu definiert.“ Insgesamt hat sich die Rolle der Mittelmanager bei der Hälfte der befragten Unternehmen nach eigener Angabe verändert. Wo diese Veränderung stattfand, übernimmt das mittlere Management immer häufiger die Rolle des Beraters und Entwicklers sich selbst steuernder Teams (78 Prozent).
Es braucht dieser neuen Rollendefinition von Führungskräften, um nicht in der Ambidextrie von Alltags- und Projektgeschäft aufgerieben zu werden
Auf einer Skala von eins bis fünf (1 = keine zusätzliche Belastung, 5 = Überlastungsgrenze ist überschritten) haben zehn Prozent der Unternehmen angegeben, dass die Belastungsgrenze der Mittelmanager mittlerweile überschritten ist, 34 Prozent halten sie für hoch, 42 Prozent für spürbar vorhanden und nur 12 Prozent für gering. Alle sind sich darüber einig, dass eine zusätzliche Belastung vorhanden ist.
„Der Grund für die subjektiv empfundene hohe Beanspruchung liegt häufig nicht an Kompetenz und Qualität der einzelnen Personen“, sagt Penning. „Sondern an einer anderen Definition von Mittelmanagement: Diese Manager versuchen nicht mehr möglichst alles selbst zu machen, sondern als Coach ihre Mitarbeiter durch konstruktive Impulse und das Schaffen der richtigen Rahmenbedingungen zu befähigen. Sie kommunizieren und liefern strategische Beiträge. Die Studie zeigt, dass die lange währende Debatte um die neue Rolle von Führungskräften langsam Früchte trägt. Das steht diametral der viel zu häufig getätigten Aussage entgegen, dass gerade das mittlere Management es nicht geschafft habe, sich über die letzten Jahre deutlich zu verändern.“
Welchen Unterschied ein anders gelebtes Rollenverständnis im Führungsalltag macht, zeigt ein Blick auf die Studienergebnisse: 67 Prozent der Führungskräfte, die sich weniger belastet fühlen, übernehmen die Rolle als Coach und Unterstützer ihrer Mitarbeiter. Bei denjenigen mit einem starken Gefühl der Belastung sind es nur 40 Prozent. Auch die Schlüsselrolle der Information und Kommunikation erfüllen Führungskräfte mit einem geringeren Belastungsgefühl weitaus stärker (71 Prozent) als diejenigen mit einem höheren Belastungsgefühl (43 Prozent).
Verantwortung für Definition dieser Rolle liegt beim Top-Management
„Die Rollendefinition des mittleren Managements ist keine Aufgabe für den einzelnen Manager“, sagt Stephan Penning. „Sie ist eine strukturelle Fragestellung, die zunächst einmal vom Top-Management zu beantworten ist. Diese muss das ganz bewusst entscheiden. In den meisten Fällen muss dazu auch die oberste Führungsebene die eigene Positionierung neu denken. Um dem mittleren Management eine Rolle als Coach und Berater der Mitarbeiter zu ermöglichen, muss das Top-Management dies gegenüber seinen Führungskräften auch selbst leben.“
Penning sagt: „Eine solche Neupositionierung bedeutet nicht, die Gesamtverantwortung einfach abzugeben und nach unten zu delegieren. Vorstände und Geschäftsführungen müssen klare Priorisierungen treffen, Fahrpläne entwickeln und ihr Mittelmanagement durchgängig in den Veränderungsprojekten begleiten. Nur so lassen sich Komplexität und Belastung der gleichzeitig laufenden Projekte realistisch abschätzen und damit gezielt die Veränderungsabläufe steuern. Das Top-Management im ‚Driver Seat‘ ist kein Widerspruch zur Verankerung von Entscheidungskompetenzen auf den nachgeordneten Ebenen. Im Gegenteil: Dies ermöglicht es dem mittleren Management erst, diese Entscheidungskompetenzen auch sinnvoll einzusetzen“. Die Forsa-Ergebnisse zeigen, dass diese Verlagerung von Entscheidungskompetenzen tatsächlich stattfindet: von den Unternehmen, in denen sich die Rolle der Mittelmanager verändert hat, haben diese zu 76 Prozent mehr Entscheidungskompetenzen erhalten.
Strategie nach wie vor in Hand von Top-Management
Bei der Einbindung in Strategieentwicklungsprozesse zeigt sich ein anderes Bild: in 76 Prozent der befragten Unternehmen ist für die Entwicklung von Wettbewerbsstrategien immer noch das Top-Management zuständig. In Organisationen mit einem geringeren Belastungsgefühl jedoch nur noch zu 65 Prozent. In Unternehmen, deren Führungskräfte sich stärker belastet fühlen, verbleibt die Strategieentwicklung zu 88 Prozent beim Top-Management.
„Die Notwendigkeit sich schnell an veränderte Marktbedingungen anzupassen und die Gleichzeitigkeit von Alltags- und Projektgeschäft zu meistern wird für einen Großteil der Unternehmen zunehmen. Ein ‚weiter so‘ kann es nicht geben,“ sagt Stephan Penning. „Ein anders gelebtes Rollenverständnis von mittlerem und Top-Management, angepasste Entscheidungsmodelle und partizipative Strategieentwicklung sind heute nötig, damit sich Unternehmen, anstatt in eine Überlastungsfalle zu tappen, zukunftsfähig aufstellen. Eine solche Entwicklung konstruktiv herbeizuführen, ist zum wesentlichen Bestandteil unserer Projektarbeit geworden.“
Kommentare