Change-Management: Auch mit dem Kopf umziehen
Positive Veränderungen

Change-Management: Auch mit dem Kopf umziehen

Katharina Klink
Am

Wenn Unternehmen oder Unternehmensbereiche umziehen oder die Arbeitsumgebung neu gestalten, sind damit meist strategische (Entwicklungs-)Ziele verbunden, die auch einen veränderten Mindset der Mitarbeiter erfordern. Deshalb sollten die Unternehmen den Anlass „(geplanter) Umzug“ oder „Neugestaltung der Arbeitsumgebung“ für ein kulturelles Change-Projekt nutzen.

Change-Management sollte in vielen Unternehmen zunehmend eine Rolle spielen. Doch wie sieht es oft aus? „Wir beschäftigen uns zu sehr mit uns statt unseren Kunden,“ „Wir brauchen zu lange für Innovationen.“ Solche Klagen hört man oft von Unternehmensführern. Zu Recht! Kundennähe und Schnelligkeit sind zwei zentrale Herausforderungen unserer Zeit. Denn:

  • Die Markttrends und Kundenbedürfnisse ändern sich immer schneller.
  • Und: In vielen Branchen werden die Markteintrittsbarrieren für neue Mitbewerber aufgrund der durch die digitale Vernetzung weltweit verfügbaren Ressourcen immer niedriger.

Deshalb geraten größere, etablierte Unternehmen, die ihren Markt nicht scharf beobachten und auf Veränderungen rasch reagieren, im Wettbewerb mit Start-ups und innovationsstarken Nischenanbietern schnell ins Hintertreffen.

Was liegt da näher, als die Herangehensweisen und Bedingungen der reaktionsschnellen Mitbewerber zu adaptieren? Das sind neben den technischen Möglichkeiten der Digitalisierung vor allem „moderne“ Formen der menschlichen (Zusammen-)Arbeit. Oft werden diese Arbeitsweisen, die unter anderem auf:

  • eine hohe Flexibilität und Autonomie auf den operativen Ebenen,
  • crossfunktionale Kooperation sowie
  • eine große Kreativität und Innovationskraft möglichst vieler Mitarbeiter setzen,
    unter dem Begriff Agilität zusammengefasst.

Ziel: Eine neue Kultur der (Zusammen-)Arbeit schaffen

Der Vorsatz, die Arbeitsweisen in der eigenen Organisation zu „agilisieren“, ist schnell gefasst – zumal Teilaspekte hiervon gesellschaftspolitischen Strömungen entsprechen. So wird zum Beispiel die Trennung von Denken und Handeln des tayloristischen Ordnungsprinzips heute nicht mehr als zeitgemäß empfunden. In der Gesellschaft besteht ein breiter Konsens darüber, dass Selbstbestimmung in der Arbeit für die Mitarbeiter wichtig ist. Sie kann für eine höhere emotionale Bindung ans Unternehmen sorgen und Arbeitgeber damit attraktiver machen – in Zeiten des Fachkräftemangels und der Generation Y ein relevantes Thema für viele Organisationen.

Technische Innovationen sind dabei in praktischer Hinsicht Schlüssel und Treiber zugleich: Digitale Kollaborations-Tools, Virtual oder Augmented Reality-Anwendungen heben die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Teams, deren Mitglieder über die gesamte Welt verstreut sein können, in bisher ungekannte Höhen. Unternehmen, die dieses Potenzial nicht nutzen, haben es künftig schwer.

Eine flexible, kreative Workforce entwickeln

Doch die Entwicklung hin zu einer flexiblen, kreativen Workforce ist kein Selbstgänger. Technik-affine Mitarbeiter stehen den neuen Möglichkeiten, Arbeitsprozesse zu gestalten, offener gegenüber als Mitarbeiter, die sich von den neuen technischen Lösungen tendenziell überfordert fühlen. Wie bei jeder Veränderung gibt es auch hier eine Gaußsche Normalverteilung von Befürwortern über eine unentschlossene Masse bis hin zu Widerständlern.

Ein wirkungsvoller Transmissionsriemen auf dem Weg zu einer selbstverantwortlichen, kundennahen und reaktionsschnellen Organisation kann die Gestaltung der physischen Arbeitsumgebung sein – in zweifacher Hinsicht.

Die räumliche Gestaltung der Arbeitsumgebung

Neue Arbeitsformen brauchen andere Arbeitsumgebungen als die tradierten. Unternehmen, die eine hohe Technisierung oder Automatisierung, eine crossfunktionale Teamarbeit und kurze Entscheidungswege anstreben, müssen für Arbeitsräume sorgen, die diese Ziele unterstützen. Das Großraumbüro mit Kicker-Ecke ist dabei womöglich die einfachste jedoch nicht die beste Lösung. Wichtig ist, dass die Arbeitsumgebung darauf abgestimmt ist, was die Teams tatsächlich produktiv macht.

Sinnvoll ist deshalb im Vorfeld zum Beispiel eine Analyse für das geplante Change-Management zu führen:

  • Wie hoch wird künftig der Anteil der Arbeitszeit sein, die für gemeinsame Teamaufgaben verwandt wird? Wie viel Zeit wird in Eins-zu-eins-Situationen gearbeitet?
  • Wie oft ist eine konzentrierte Einzelarbeit nötig?
  • Welche technischen Prozesse müssen wie integriert werden? Und:
  • Wie oft wird – mit wie vielen Kollegen, externen Dienstleistern, Kunden usw. – konferiert oder telefoniert?

Nur wer sich solche Fragen stellt und sie beantwortet, kann aus den Ergebnissen das passende Raumkonzept ableiten und eine wirklich unterstützende Umgebung für die Mitarbeiter im Sinne eines Change-Management schaffen. Zugleich bietet eine solche Analyse die Chance zur Veränderung eingefahrener Arbeitsabläufe, unsinniger Prozesse oder unbefriedigender Ressourceneinsätze.

Der Umzugsprozess als Neuerfindung

Unternehmen oder Unternehmensbereiche, die in neue Räume umziehen, können viel mehr verändern als nur die räumliche Arbeitsumgebung. „Umziehen im Kopf und nicht nur mit dem Schreibtisch“ – das ist die große Chance beim Change-Management, konkret beim Gestalten neuer Arbeitsräume.

Aus Change-Management Perspektive sollte ein Umzug als organisationaler „unfreeze“-Moment im Sinne Kurt Lewins genutzt werden: Die Mitarbeiter – gesehen als territoriale Wesen – werden aus ihrer Komfortzone geholt, und in Bewegung versetzt.

In der Phase „(geplanter) Umzug“ beziehungsweise „(geplante) Neugestaltung der Arbeitsumgebung“ können neue agile Arbeitsweisen für den spezifischen Anwendungsfall entwickelt, getestet und etabliert werden. Hierbei geht es im Kern nicht um das Einführen neuer Tools, sondern um das Entwickeln eines anderen Mindsets, denn: Organisationen werden nur dann tatsächlich schneller und kundennäher, wenn die Mitarbeiter ihre eigene Rolle anders verstehen – und das Top Management eine größere Autonomie tatsächlich zulässt. Dieses neue Rollenverständnis muss in neuen Arbeitsweisen und Vereinbarungen operationalisiert werden, damit es mehr als ein frommer Vorsatz ist.

Dafür ist ein Beteiligungsprozess der Schlüssel. Nutzen Unternehmen das Planen der neuen Arbeitsumgebung zur Weiterentwicklung der Arbeitsweisen und -routinen mit den Mitarbeitern, dann entstehen bessere Prozesse und können überkommene Strukturen verändert werden. Unternehmen, die Beteiligung schon in der Planungsphase ermöglichen und einfordern, etablieren bereits hier eine größere Mitverantwortung und mehr Gestaltungsfreiräume statt Fremdbestimmung und Delegation nach oben.

Wie in jedem Change-Management Projekt lautet die Herausforderung hierbei,

  • die Treiber – d.h. die Mitarbeiter, die sich mit den Projektzielen identifizieren – zu stärken,
  • Unentschlossene zu mobilisieren und
    an Widerständen zu arbeiten.

Gelingt dies, wird die neue Arbeitsumgebung zum räumlich sichtbaren Beleg des neuen Mindsets – und kann auch für nicht direkt betroffene Teile der Organisation als Narrativ der Veränderung genutzt werden.

Beim Change-Management: Neue Arbeitsräume als Anlass und Hebel nutzen

Ein Um- oder Neubau kann aus Change-Management Sicht ein Glücksfall für die Entwicklung neuer Arbeitsformen und eines neuen Mindsets sein:

  • Altes oder Tradiertes wird sichtbar aufgebrochen,
  • Mitarbeiter sind tatsächlich physisch in Bewegung und
  • Neues wird leichter möglich.

Dabei sind Veränderungen der Arbeitsweisen, die sich aus der sogenannten digitalen Transformation ergeben, besonders erfolgskritisch, denn die Durchdringung der Arbeitswelt mit Daten und klugen Maschinen birgt eine Paradoxie: Der Mensch wird an vielen Stellen unwichtiger und ersetzbar; an anderen hingegen steigt seine Bedeutung – nämlich überall dort, wo er für die Kopplung sorgt, immer dann wenn es zur Mensch-Maschine-Interaktion kommt. Hier, an diesen Schwellen entscheidet sich, wie wirksam und gewinnbringend die Mensch-Maschinen-Kooperation für ein Unternehmen tatsächlich ist.

Ähnliches gilt, wenn es um das Bewältigen der höheren Komplexität im Wirtschaftsleben geht. Lernende Maschinen werden künftig immer mehr Aufgaben übernehmen; für uns Menschen bleiben die besonders kniffligen übrig,

  • die schwer zu entscheiden sind,
  • bei denen es noch keine belastbaren Erfahrungen gibt und
  • wo wir uns auf unsere Intuition verlassen müssen.

Dafür braucht es Mitarbeiter, die bereit und fähig sind, solche Entscheidungen mutig zu treffen.

Attraktives Ziel: sinnerfüllte Arbeit, höhere Wirksamkeit

Keinesfalls müssen diese Mitarbeiter erst erfunden werden. Die große Resonanz, die solche Schlagworte wie „Agilität“, „New Work“ oder „Reinventing Organizations“ finden, zeigt: Viele Menschen sind auf der Suche nach einer sinnerfüllten, wirksamen Arbeit, die sich an anderen Parametern orientiert als den internen Prozessen komplizierter Organisationsgefüge. Genau diese Mitarbeiter brauchen Unternehmen künftig: „Happy working people“ sind kein Selbstzweck, sondern immer häufiger eine zentrale Bedingung für unternehmerischen Erfolg.

Für diese intrinsisch motivierten Personen, die Treiber der Veränderung, kann das Gestalten neuer Arbeitsräume ebenso ein Vehikel zur Veränderung sein wie für jene, die sich an die geänderten Bedingungen erst gewöhnen müssen – zum Beispiel, weil sie sich schwer tun mit den neuen Anforderungen. Denn Um- und Neubauten bieten die Chance zur Mobilisierung vieler Mitarbeiter und zum bewussten Gestalten neuer Arbeitswelten – auch in etablierten Unternehmen. Die angestrebten neuen Arbeitsumgebungen können helfen, den lähmenden „Klebstoff“ aus dem trägen Apparaten zu entfernen – sofern die Unternehmen den Anlass „Wir ziehen um“ oder „… gestalten die Arbeitsumgebung neu“ aktiv für ein Cultural Change Projekt nutzen.

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